OGH 3Ob87/03w

OGH3Ob87/03w25.6.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 23. März 2000 verstorbenen Dr. Mascha H*****, zuletzt wohnhaft in *****, infolge Revisionsrekurses der Erbin Dr. Vera L*****, vertreten durch Dr. Renate Weinberger, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Februar 2003, GZ 43 R 458/02z-89, womit infolge Rekurses des Mag. Florian S*****, der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 10. Jänner 2002, GZ 7 A 51/00g-72, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Erblasserin, eine in Wien wohnhafte britische Staatsangehörige, hinterließ zwei letztwillige Verfügungen. Im jüngeren Testament vom 18. Oktober 1994 setzte sie die nunmehrige Revisionsrekurswerberin zur Erbin mit der "Auflage" ein, die Hälfte des reinen Nachlassvermögens zur Finanzierung eines Auslandsstudiums des (Mag.) Florian S***** zu verwenden. Für den Fall, dass sie vor der Erblasserin, gleichzeitig mit ihr oder nach ihr vor Abgabe eine Erbserklärung ablebe oder keine solche abgebe, wurde der Genannte zum Ersatzerben (im Folgenden nur Ersatzerbe) bestimmt.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2002 (ON 13) nahm das Erstgericht die von der Testamentserbin auf Grund des Testaments zum gesamten Nachlass abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht an und räumte ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses ein.

Die am 8. August 2000 vor dem Gerichtskommissär abgegebene Erbserklärung des Ersatzerben wies das Erstgericht zurück. Die von diesem dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (zuletzt 3 Ob 137/01w = ON 63a).

Mit Beschluss vom 22. Mai 2001 genehmigte das Erstgericht einen von der Verlassenschaft als Verkäuferin abgeschlossenen Kaufvertrag über einen zur Verlassenschaft gehörenden Liegenschaftsanteil verbunden mit Wohnungseigentum. Den vom Ersatzerben dagegen erhobenen Rekurs wies das Rekursgericht mit der Entscheidung vom 19. November 2001 zurück. Auch sein Revisionsrekurs dagegen blieb erfolglos (3 Ob 25/02a = ON 79).

Am 22. November 2001 überreicht dieser eine am Vortag verfasste bedingte Erbserklärung und beantragte, diese zu Gericht anzunehmen (ON 64). Er stützte diese sowohl auf Punkt II. als auch auf Punkt III. des Testaments vom 18. Oktober 1994. Die Anordnung, eine Quote des reinen Nachlasses für ein Auslandsstudium zu verwenden, sei als Erbseinsetzung anzusehen, überdies sei der Ersatzerbschaftsfall eingetreten, weil die Einsetzung der Testamentserbin ungültig sei. Die Erblasserin habe sich bei Verfassung der letztwilligen Verfügung in einem Irrtum befunden bzw habe ihr der freie Testierwille gefehlt. Im Übrigen sei die Testamentserbin erbunwürdig. Dazu stellte er auch Tatsachenbehauptungen auf.

Hilfsweise beantragte der Ersatzerbe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung der Erbserklärung vom 8. August 2000 und verbesserte diese in eventu.

Das Erstgericht wies ua [ausdrücklich nur] die auf Punkt II. des Testaments vom 18. Oktober 1994 gestützte Erbserklärung ebenso wie den Wiedereinsetzungsantrag zurück, desgleichen den Antrag, die verbesserte Erbserklärung zu Gericht anzunehmen (Beschlusspunkte 3. bis 5.). Zur Begründung führte das Erstgericht aus, die Frage des Erbrechts sei im Verlassenschaftsverfahren bereits hinreichend geklärt. Die nunmehrige Behauptung, die eingesetzte Erbin sei erbunwürdig, diene lediglich dem Zweck, sich neuerlich die Möglichkeit zu verschaffen, am Verfahren teilzunehmen. Durch einen Wegfall des Testaments seien auch die den Ersatzerben betreffenden Bestimmungen desselben betroffen, weshalb für ihn daraus nichts zu gewinnen sei. Im Übrigen sei nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 9. Oktober 2001, 3 Ob 137/01w die Ersatzerbschaft bereits erloschen.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs des Ersatzerben ua dahin Folge, dass es in Abänderung des Punkts 3. der erstinstanzlichen Entscheidung die auf Grund der letztwilligen Verfügung vom 18. Oktober 1994 abgegebene bedingte Erbserklärung des Ersatzerben zu Gericht annahm.

In seiner Begründung führte es im Wesentlichen aus: Der Tatbestand des § 542 ABGB könne auch nach dem Tod des Erblassers gesetzt werden. Der Rekurswerber behaupte nunmehr, die eingesetzte Erbin, die auch die bedingte Erbserklärung bereits abgegeben hatte, habe sich nach dem Tod der Erblassers erbunwürdig gemacht, weshalb er als eingesetzter Ersatzerbe nun als Erbe zum Zuge komme. Ob Erbunwürdigkeit hier tatsächlich vorliege, habe das Abhandlungsgericht nicht zu entscheiden, darüber sei im Prozess zu urteilen. Es sei in diesem Fall möglich, dass dem Ersatzerben die Erbschaft zufalle, weshalb nunmehr seine Erbserklärung anzunehmen sei. Dagegen habe er nicht behauptet, die Erblasserin hätte ihn, hätte sie nicht geirrt oder einen freien Willen bilden können, ihn zum Alleinerben eingesetzt. Der Ersatzerbe sei nach der Aktenlage nicht als gesetzlicher Erbe berufen und stütze sich nicht auf diesen Berufungsgrund. Durch diese Entscheidung erübrige sich ein Eingehen auf die lediglich hilfsweise gestellten Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. auf Annahme der verbesserten Erbserklärung, weshalb beide Beschlusspunkte (4. und 5.) ersatzlos zu beheben seien.

Der "Rekurs" an den Obersten Gerichtshof sei zuzulassen, weil jüngst ergangene Rsp dazu fehle, ob ein durch Abgabe einer Erbserklärung des eingesetzten Erben bereits weggefallener Substitutionsfall bei nachträglich behaupteter Erbunwürdigkeit des eingesetzten Erben wieder aufleben könne. Der Lösung dieser Frage komme über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der lediglich gegen die Abänderung des Punkts 3. der erstinstanzlichen Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der eingesetzten Erbin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 16 Abs 3 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Auch die Revisionsrekurswerberin stützt die behauptete Zulässigkeit des Rechtsmittels auf die vom Rekursgericht angeführte Rechtsfrage. Diese ist allerdings im vorliegenden Fall in Wahrheit gar nicht zu lösen.

Richtig ist, dass der erkennende Senat in der in diesem Verfahren ergangene Entscheidung 3 Ob 137/01w vom 9. Oktober 2001 zur Auffassung gelangte, die zu Gunsten des Ersatzerben im Testament der Erblasserin angeordnete gemeine Substitution sei mit der Annahme der Erbschaft, also durch Abgabe der bedingten Erbserklärung der eingesetzten Erbin, erloschen. Grundlage der scheinbar gegenteiligen Auffassung der zweiten Instanz im nunmehr angefochtenen Beschluss war aber die Behauptung des Ersatzerben, die eingesetzte Erbin habe im Mai 2001 versucht, den Willen der Erblasserin zu vereiteln und sei dadurch erbunwürdig geworden. Damit legte das Rekursgericht seiner Entscheidung einen anderen Sachverhalt zugrunde als der erkennende Senat in seiner Vorentscheidung 3 Ob 137/01w, die ja noch vor Abgabe der neuen Erbserklärung des Ersatzerben ergangen war. In dieser Entscheidung hatte der Oberste Gerichtshof auch die Befassung mit der erstmaligen Behauptung einer unmittelbaren Erbseinsetzung im Testament im außerordentlichen Revisionsrekurs wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot abgelehnt.

Wie bereits in der zitierten Vorentscheidung ausgeführt wurde, ist nach § 122 zweiter Satz AußStrG jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung vom Gericht anzunehmen und bei den Abhandlungsakten aufzubewahren. Nach stRsp ist die Erbserklärung bis zur Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses möglich (Nachweise bei Welser in Rummel3 §§ 799, 800 ABGB Rz 3; Eccher in Schwimann2, § 799 ABGB Rz 5). Dass die vorgelegte Erbserklärung sowohl der Schriftform des Außerstreitgesetzes entspricht als auch in den §§ 799, 800 ABGB verlangten Inhalte aufweist, wird auch von der Revisionsrekurswerberin nicht bezweifelt.

Fraglich kann demnach nur sein, ob die rechtskräftige Zurückweisung einer früheren Erbserklärung die nunmehrige Annahme zu hindern geeignet ist.

Eine gesetzliche Regel, die eine erneute Erbserklärung nach Zurückweisung der ersten unzulässig machen würde, existiert nicht. Ein Problem des Widerrufs nach § 806 ABGB stellt sich nicht, weil inhaltlich eine Bekräftigung der schon seinerzeit zum gesamten Nachlass auf Grund des Testaments abgegebenen bedingten Erbserklärung vorliegt, diese also lediglich wiederholt bzw. bekräftigt wurde. Ebensowenig hat der Ersatzerbe eine nach stRsp zulässige nachträgliche Änderung des in Anspruch genommenen Erbrechtstitels durchgeführt (vgl dazu Welser, aaO Rz 10 mN) vor.

Demnach kommt als Hindernis für die nunmehr erfolgte Annahme der Erbserklärung durch das Rekursgericht lediglich die materielle Rechtskraft der zurückweisenden Vorentscheidung in Betracht. Diese Frage wird allerdings weder in der angefochtenen Entscheidung noch im Revisionsrekurs, noch in der unaufgefordert erstatteten Revisionsrekursbeantwortung des Ersatzerben behandelt.

Auch Entscheidungen im Verfahren außer Streitsachen kommt grundsätzlich materielle Rechtskraft zu (stRsp, RIS-Justiz RS0007171), sie hält aber nachträglichen Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhalts nicht stand (stRsp, 1 Ob 122/97s = RZ 1999/8 uva; RIS-Justiz RS0041427, insb T 7). Gerade ein solcher Fall liegt hier vor, hat doch, was zur Zeit der Vorentscheidung 3 Ob 137/01w nicht aktenkundig war, der Ersatzerbe in seiner erneuten Erbserklärung Gründe behauptet, aus denen abgeleitet werden könnte, dass die Erbseinsetzung der Testamentserbin unwirksam oder diese erbunwürdig wäre. Es ist daher durch die dargestellte Rsp gedeckt, dass sich das Rekursgericht an die Vorentscheidung nicht gebunden erachtete.

Nach diesen Erwägungen stellt sich aber die Frage eines Wiederauflebens einer bereits weggefallenen Ersatzerbschaft in Wahrheit nicht. Die Beurteilung, dass der Substitutionsfall gar nicht mehr eintreten könne, beruhte eben auf dem seinerzeit zugrundegelegten, vom nunmehr zu beurteilenden unterschiedlichen Sachverhalt.

Auch sonst werden keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG aufgezeigt.

Ob ein Erfolg des erbserklärten Ersatzerben im zu erwarteten Erbrechtsstreit wahrscheinlich ist, ist unerheblich, weil nach stRsp eine Erbserklärung auch dann anzunehmen ist, wenn nach dem bei ihrer Abgabe erstatteten Vorbringen wenig wahrscheinlich erscheint, dass das behauptete Erbrecht materiell gerechtfertigt ist (RIS-Justiz RS0008013). Bei der Annahme einer Erbserklärung findet nämlich eine Prüfung der materiellen Berechtigung grundsätzlich nicht statt (zuletzt 4 Ob 33/02k; wN bei Welser aaO Rz 16).

Dass auch Handlungen nach dem Tod des Erblassers nach § 542 ABGB erbunwürdig machen können, wird zumindest implizit auch in den E SZ 57/95 = JBl 1985, 166 = NZ 1984, 179; SZ 57/147 und 1 Ob 175/99p = EvBl 2000/12 vorausgesetzt. Dafür, dass die Erbunwürdigkeit eines Erben nach Abgabe einer Erbserklärung nicht mehr eintreten könnte bzw. den Substitutionsfall nicht auslösen könnte, fehlen im Gesetz jedwede Anhaltspunkte. Soweit sich die Revisionsrekurswerberin auch auf die Auslegung des Testaments der Erblasserin beruft, ist ihr zu erwidern, dass die Auslegung des Testaments nicht Sache des Außerstreitrichters ist, sie ist vielmehr im Rechtsweg zu klären (7 Ob 60/99w; 6 Ob 321/99w).

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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