OGH 7Ob94/03d

OGH7Ob94/03d28.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas R*****, geboren am ***** vertreten durch den Sachwalter Mag. Alois H*****, dieser vertreten durch Mag. Josef Koller-Mitterweissacher, Rechtsanwalt 4320 Perg, Herrenstraße 9, gegen die beklagte Partei Vera R*****, geborene M*****, geboren am ***** vertreten durch Dr. Thomas Richter, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufhebung einer Ehe, aus Anlass der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2002, GZ 15 R 283/02x-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 20. Februar 2002, GZ 2 C 150/01f-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird berichtigt, sodass sie zu lauten hat wie folgt:

"Mag. Alois H*****, Verein für Sachwalterschaft Linz, als Sachwalter von Andreas R*****, geboren am *****".

II. Die Akten werden dem Erstgericht mit folgenden Aufträgen zurückgestellt:

1. Es ist eine Rechtskraftbestätigung hinsichtlich des Beschlusses auf pflegschaftsbehördliche Genehmigung der vorliegenden Klagsführung (ON 8) vom Pflegschaftsgericht, Bezirksgericht Linz zu 2 P 1092/95w-226, einzuholen, wobei die Rechtskraft zur Zeit nach der Aktenlage mangels Zustellung an den Betroffenen noch nicht eingetreten ist.

2. Die als Anträge der Ehegatten nach § 35 Abs 3 EheG, dass nämlich das Pflegschaftsgericht die Genehmigung des Sachwalters zur Eheschließung ersetze, aufzufassenden Erklärungen Andreas R***** und der Beklagten in ON 5 sind durch Übermittlung an das Pflegschaftsgericht zu 2 P 1092/95w des Bezirksgerichtes Linz dem gesetzmäßigen Verfahren zuzuführen.

Das Revisionsverfahren wird bis zur Erledigung dieser Aufträge unterbrochen. Die Fortsetzung des Verfahrens findet nach Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidungen von Amts wegen statt.

Text

Begründung

Für Andreas R***** ist seit 1983 ein Sachwalter bestellt, seit Juni 1988 für die Angelegenheiten der Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie die Vertretung vor Ämtern und Behörden. Andreas R***** schloss mit der Beklagten am 30. 6. 2001 die Ehe. Im Zeitpunkt der Eheschließung hatte er nicht die erforderliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit bezüglich der Eingehung bzw der Folgen einer Eheschließung. Der Sachwalter des Klägers stimmte der Eheschließung nicht zu und war auch damit in der Folge nicht einverstanden.

Andreas R*****, vertreten durch seinen Sachwalter, begehrt - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - die Aufhebung der Klage, da er zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht voll geschäftsfähig gewesen sei.

Die Beklagte begehrte die Abweisung der Klage mit der Begründung, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Eheschließung geschäftsfähig gewesen sei.

Sowohl Andreas R***** als auch die - im erstinstanzlichen Verfahren unvertretene - Beklagte gaben an, dass sie die Ehe aufrecht erhalten wollen.

Das Erstgericht hob die zwischen Andreas R***** und der Beklagten geschlossene Ehe auf. Andreas R***** sei zum Zeitpunkt der Eheschließung zwar nicht geschäftsunfähig im Sinne des § 102 Abs 1 EheG gewesen, ihm sei jedoch ein Sachwalter bestellt gewesen, sodass die Ehe gemäß § 35 EheG mangels Zustimmung des Sachwalters zur Eheschließung aufzuheben sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil und verneinte die Verpflichtung, im Urteil von Amts wegen einen Verschuldensausspruch zu Lasten des Klägers im Sinne des § 17 1. DVEheG aufnehmen zu müssen. Eine Verfassungswidrigkeit des § 102 Abs 2 EheG liege nicht vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, da es an oberstgerichtlicher Rechtsprechung zu der Frage, ob ein Verschuldensausspruch nach § 17 1. DVEheG auch beim Aufhebungstatbestand des § 35 EheG von Amts wegen zu erfolgen habe, fehle und auch nicht zur Verfassungsgemäßheit des § 102 Abs 2 EheG Stellung genommen worden sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt, in eventu möge zur Ergänzung des Ausspruchs über das Alleinverschulden von Andreas R***** an der Aufhebung der Ehe die Rechtssache zur Ergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Über das Rechtsmittel kann nach der derzeit gegebenen Aktenlage noch nicht abschließend meritorisch entschieden werden.

Zu I:

Solange ein Ehegatte in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann nur sein gesetzlicher Vertreter die Aufhebung der Ehe begehren (§ 35 Abs 1 letzter Satz EheG). Diese Bestimmung bleibt nach § 2a ZPO unberührt. Eheaufhebungsklagen von beschränkt Geschäftsfähigen können daher nur von ihren gesetzlichen Vertretern erhoben werden (Fucik in Rechberger 2, § 2a ZPO, Rz 3, Stabentheiner in Rummel II3, § 35 EheG, Rz 1).

Im vorliegenden Fall wurde als klagende Partei der Ehegatte selbst angeführt, vertreten durch seinen Sachwalter. Aus dem Klagsvorbringen ist in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar, dass der Sachwalter das Aufhebungsbegehren geltend macht, sodass in der Bezeichnung des Ehegatten als Kläger nur eine Falschbezeichnung liegt, die in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen berichtigt werden kann (vgl etwa zur Frage der Berichtigung der Parteienbezeichnung vom Gemeinschuldner auf den Masseverwalter: 1 Ob 106/02y, RIS-Justiz RS0078932). Es war daher die Parteienbezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu II 1.:

Die Klagsführung des Sachwalters bedarf der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung (§§ 282 iVm 154 Abs 3 ABGB; 7 Ob 230/01a).

Der Beschluss, mit dem das Pflegschaftsgericht die Klagsführung genehmigte, wurde nach der Aktenlage dem Betroffenen selbst nie zugestellt. Diesem steht aber ein eigenes Rekursrecht gegen die Entscheidung zur Wahrung seiner Interessen zu. Fehlte es dem Betroffenen an der geistigen Reife zur Formulierung seines Standpunktes, müsste gegebenenfalls sogar ein Kollisionskurator bestellt werden. Durch die Klagsführung wird ganz massiv in höchstpersönliche Interessen des Betroffenen eingegriffen, handelt es sich doch um ein Verfahren, in dem über das Bestehen einer geschlossenen Ehe, welche nach Art 12 MRK auch Grundrechtsschutz im Verfassungsrang genießt, abgesprochen wird (7 Ob 230/01a).

Der Beschluss, mit dem die Klagsführung pflegschaftsbehördlich genehmigt wurde, ist mangels Zustellung an den Betroffenen zur Zeit noch nicht rechtskräftig.

Zu II 2.:

Im Übrigen kann das Pflegschaftsgericht, wenn der gesetzliche Vertreter die Genehmigung der geschlossenen Ehe ohne triftige Gründe verweigert, diese auf Antrag eines Ehegatten ersetzen (§ 35 Abs 3 EheG). Die im erstinstanzlichen Verfahren unvertretene Beklagte, der der Richter laut Protokoll Rechtsbelehrung erteilte (ON 5 S 3/4), gab im Rahmen ihrer Vernehmung an, dass sie die Ehe aufrecht erhalten wollte. In diesem Sinn äußerte sich auch Andreas R*****. Diese Äußerungen der Ehegatten können nur so verstanden werden, dass sie an das Pflegschaftsgericht einen Antrag nach § 35 Abs 3 EheG stellen wollten, die Genehmigung des Sachwalters zur Eheschließung zu ersetzen. Das Erstgericht hat diese Äußerungen der Ehegatten zu Unrecht übergangen. Es werden dem Pflegschaftsgericht die in diesem Sinn zu deutenden Anträge zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung vorzulegen sein. Erst wenn darüber rechtskräftig entschieden worden ist, kann über die vorliegende Aufhebungsklage entschieden werden. Auf Grund der zeitlich unüberschaubaren Erledigungsdauer ist daher das Revisionsverfahren zu unterbrechen.

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