OGH 3Ob305/02b

OGH3Ob305/02b28.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Betriebs GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wilhelm T*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Partnerschaft in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2002, GZ 46 R 385/02m-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 13. März 2002, GZ 75 C 2/02b-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.227,50 EUR (darin enthalten 204,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte führt zur Hereinbringung von Prozesskostenforderungen von 4.647,49 EUR = 63.950,90 S samt 4 % Zinsen seit 24. Jänner 2000 und von 1.307,89 EUR = 17.997 S samt 4 % Zinsen seit 30. August 2000 gegen die klagende Partei Fahrnis- und Forderungsexekutionen. Der Beklagte ist rechtsschutzversichert; diese Prozesskosten wurden ihm von seinem Rechtsschutzversicherer ersetzt.

Art 11 Z 2 der dieser Rechtsschutzversicherung zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 1995) lautet:

"Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Erstattung von Beträgen, die der Versicherer für ihn geleistet hat, gehen mit ihrer Entstehung auf den Versicherer über. Bereits an den Versicherungsnehmer zurückgezahlte Beträge sind dem Versicherer zu erstatten.

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, den Versicherer bei der Geltendmachung dieser Ansprüche zu unterstützen und ihm auf Verlangen eine Abtretungsurkunde auszustellen".

Der Kläger begehrte aus diesem Grund mit Oppositionsklage das Urteil, diese Kostenforderungen seien in Ansehung der Person des Beklagten erloschen, weil sie gemäß § 67 VersVG bzw. auf Grund der Versicherungsbedingungen auf den Versicherer übergegangen seien.

Der Beklagte wendete ein, § 67 VersVG sei auf den vorliegenden Fall der Akontozahlung von Prozesskosten durch den Rechtsschutzversicherer an den Parteienvertreter nicht anzuwenden.

Das Erstgericht gab der Klage statt; es vertrat die Rechtsansicht, auf Grund des Art 11 ARB 1995 ebenso wie nach § 67 VersVG, der weit auszulegen und nicht nur auf Schadenersatzansprüche im eigentlichen Sinn zu beschränken sei, sei die am Beklagten betriebene Forderung auf seinen Rechtsschutzversicherer übergegangen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn ab und ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob der Rechtsschutzversicherte als aus dem Exekutionstitel berechtigter Gläubiger für ihn vom seinem Rechtsschutzversicherer vorgeschossene Prozesskosten im eigenen Namen von der verpflichteten Partei hereinbringen kann, Rsp des Obersten Gerichtshofs fehle.

Die zweite Instanz führte in rechtlicher Hinsicht aus, Prozesskosten seien vom § 67 VersVG zumindest dann umfasst, wenn das Verfahren einen Schadenersatzanspruch zum Gegenstand habe. Auch nach den ARB 1995 gingen Ansprüche des Versicherungsnehmers auf Erstattung von Beträgen, die der Versicherer für ihn geleistet habe, mit ihrer Entstehung auf den Versicherer über. Dieser Forderungsübergang wirke auch im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Die Eintreibung der Prozesskosten durch den Versicherten sei jedoch nicht zu beanstanden. Leiste nämlich die verpflichtete Partei an den aus den Kostentiteln berechtigten Versicherten, so trete auch im Hinblick darauf, dass dieser aus den AGB zur Rückleitung an den Versicherer verpflichtet sei und im Titel als Kostengläubiger aufscheine, Schuldbefreiung der verpflichteten Partei im Ausmaß der Zahlung ein. Eine Doppelbelastung der verpflichteten Partei durch Versicherten und Versicherer sei nicht zu befürchten, sodass es ihr mangels rechtlichen Interesses verwehrt sei, den Rechtsübergang gegenüber dem Versicherten einzuwenden. Eine andere Lösung würde auch zu dem unzweckmäßigen Ergebnis führen, dass immer dann, wenn ein Rechtsschutzversicherer Vorleistungen erbracht hätte, im Exekutionsverfahren nach § 9 EO vorzugehen wäre, was zu einer unnötigen Verfahrenserschwerung führen würde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Der Kläger macht in der Oppositionsklage (§ 35 EO) geltend, die betriebenen Kostenforderungen stünden infolge Legalzession gemäß § 67 VersVG bzw. auf Grund der maßgeblichen Versicherungsbedingungen nicht dem beklagten betreibenden Gläubiger, sondern seinem Rechtsschutzversicherer zu.

Wie der Oberste Gerichtshof in der E 3 Ob 142/69 = SZ 43/21 (ebenso jüngst mit eingehender Begründung 3 Ob 324/02x) erkannte, stellt die Zession der betriebenen Forderung einen Oppositionsgrund dar. Der Umstand, dass dem betreibenden Gläubiger der materiell-rechtliche Anspruch infolge Zession nicht mehr zusteht, führt zwar nicht zu einer Aufhebung oder Hemmung dieses Anspruchs im eigentlichen Sinn des § 35 Abs 1 EO; denn der Anspruch als solcher ist weiterhin aufrecht, er ist nur im Verhältnis zwischen Titelgläubiger und Titelschuldner erloschen. Wegen vergleichbarer Interessenlage kommt daher zumindest eine analoge Anwendung des § 35 EO in Betracht, wenn der Gläubiger- oder Schuldnerwechsel nicht nach § 9 bzw 10 EO geltend gemacht worden ist und daher ein entsprechender Parteiwechsel im Exekutionsverfahren unterbleibt (Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 35 Rz 62).

§ 67 VersVG normiert für bestimmte Zahlungen des Versicherers einen Forderungsübergang. Steht dem Versicherungsnehmer ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt (§ 67 Abs 1 erster Satz VersVG). § 67 VersVG gilt seiner Stellung im VersVG nach für die Schadensversicherung, also auch für die Rechtsschutzversicherung (Prölss in Prölss/Martin, VersVG26 § 67 Rz 2). Die Rechtsschutzversicherung bietet nämlich Versicherungsschutz gegen die Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten und ist daher eine echte Schadensversicherung iSd §§ 49 bis 80 VersVG (Harbauer, Rechtsschutzversicherung6 § 20 ARB 75 Rz 13).

Nach stRp (RIS-Justiz RS0080533) gehen nach § 67 VersVG alle Ersatzansprüche des Versicherten auf den Versicherer über, wobei es auf die Art eines solchen Anspruchs nicht ankommt. Der Anspruch auf Ersatz des Schadens iSd § 67 VersVG bedeutet nicht nur Schadenersatzansprüche im engeren Sinn, sondern insbesondere auch Ausgleichsansprüche, Regressansprüche und Bereicherungsansprüche. Auch Schadenersatzansprüche bei Leistungsstörungen bei einem vertraglichen Schuldverhältnis sind vom Forderungsübergang nach § 67 VersVG umfasst.

Der Übergang von Schadenersatzansprüchen nach § 67 VersVG erfasst auch Ansprüche auf Ersatz von Prozesskosten, die vom Rechtsschutzversicherer für den Versicherungsnehmer aufgewendet werden (4 Ob 513/95 in RIS-Justiz RS0081342; Baumann in Honsell, Berliner Komm zum VersVG § 67 Rz 45; Kronsteiner/Lafenthaler, ARB 1994, 132 f).

Sowohl nach § 67 VersVG als auch nach Art 11 Z 2 der zugrundeliegenden, hier vom Versicherer aufgestellten ARB 1995, die den Musterbedingungen ARB 1994 entsprechen, tritt dann, wenn der Versicherer auf die Forderung des Kostengläubigers des Versicherungsnehmers, zB. des Rechtsvertreters oder des Gegners, für den Versicherungsnehmer eine Zahlung geleistet hat, der Anspruchsübergang ein (zu den ARB 1994 siehe auch Kronsteiner/Lafenthaler aaO).

Gemäß § 67 Abs 1 zweiter Satz VersVG kann der Übergang nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Daraus leitet der Beklagte ab, die klagende Partei könne die erfolgte Zahlung durch den Rechtsschutzversicherer nicht geltend machen. Auch dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. § 67 Abs 1 zweiter Satz VersVG hat die Funktion dem Geschädigten, dem ein Teil der Forderung verblieben ist, bei der Befriedigung den Vorrang zu gewähren. Es geht um Situationen, in denen das Vermögen des Schädigers nicht ausreicht, um sowohl den Versicherungsnehmer als auch den Versicherer zu befriedigen. Hier statuiert § 67 Abs 1 zweiter Satz VersVG zu Gunsten des Versicherungsnehmers ein Befriedigungsvorrecht (Baumann aaO Rz 143). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil die Kostenforderungen - wie ausgeführt - zur Gänze auf den Versicherer übergegangen sind.

Im Übrigen will § 67 VersVG durch den darin vorgesehenen gesetzlichen Anspruchsübergang das der Schadensversicherung wesenseigene Bereicherungsverbot sicherstellen und verhindern, dass der Versicherungsnehmer durch Erstattungsleistungen Dritter und die Versicherungsleistungen zusammen mehr erhält, als seinem versicherten Vermögensschaden entspricht (Harbauer aaO; vgl Prölss aaO Rz 1).

Gerade eine derartige Bereicherung des Versicherungsnehmers will der Kostenschuldner als Oppositionskläger verhindern, wenn er gestützt auf den Umstand, dass der beklagte Kostengläubiger bereits vom Rechtsschutzversicherer Zahlung erlangte, die dadurch erfolgte Legalzession geltend macht. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine Doppelbelastung des Kostenschuldners sei nicht zu befürchten, kann nicht geteilt werden. Hier ist nämlich hervorzuheben, dass der Oppositionsbeklagte in erster Instanz nicht einmal behauptete, die betriebene Kostenforderung sei ihm vom Rechtsschutzversicherer rückzediert worden. Bei dieser Sachlage ist der Kostenschuldner nicht geschützt, vom Rechtsschutzversicherer neuerlich, gestützt auf den Forderungsübergang nach § 67 VersVG, in Anspruch genommen zu werden, weil er den Übergang des Kostenersatzanspruchs auf den Versicherer bei seiner Leistung an den Versicherungsnehmer bereits gekannt hat; in einem solchen Fall wird der Schuldner bei einer gleich wohl erfolgten Leistung an den Versicherungsnehmer in der Regel nicht frei, sondern bleibt gemäß §§ 1395 f ABGB dem Rechtsschutzversicherer als Neugläubiger gegenüber verpflichtet (zur insofern gleichen deutschen Rechtslage Harbauer aaO Rz 22). Für die Anwendung des § 1395 ABGB genügt nämlich jede von wem immer erlangte, klare und zuverlässige Nachricht (Ertl in Rummel 3 § 1395 ABGB Rz 2 mwN), für die Legalzession des Privatversicherers reicht somit die Kenntnis von der tatsächlichen Erbringung von Leistungen an den Geschädigten aus (Ertl aaO Rz 3 mwN). Hier ist somit eine doppelte Inanspruchnahme des Klägers durch den Beklagten und durch den Rechtsschutzversicherer, der sich auf den Forderungsübergang durch Legalzession nach § 67 VersVG stützt, nicht auszuschließen.

Die Entscheidung EvBl 1955/91 hat die Möglichkeit der Geltendmachung der Legalzession nach § 1542 RVO (nunmehr § 332 ASVG) mit Oppositionsklage abgelehnt; hiefür war aber maßgeblich, dass diese bereits mit Entstehung der Leistungspflicht eingetretene Legalzession bereits im Titelverfahren hätte eingewendet werden müssen. Dieser Fall liegt hier nicht vor, weil der Forderungsübergang nach § 67 VersVG erst im Zeitpunkt der Leistung, hier somit erst nach Schluss der Verhandlung im Titelverfahren erfolgt war.

Die Entscheidung 3 Ob 118/92 = ÖBA 1993/414 (krit Schauer), auf die sich der Beklagte beruft, betrifft eine reine Kreditversicherung. Auch in dieser Entscheidung wird davon ausgegangen, dass nach stRsp eine ausdehnende Anwendung des Begriffs "Schadenersatz" geboten ist; es sei aber wesentlich, dass der Versicherungsnehmer einen Anspruch gegen einen Dritten anlässlich des Versicherungsfalls erwirbt, Erfüllungsansprüche könnten wegen ihrer Wesensverschiedenheit gegenüber Schadenersatzansprüchen nicht übergehen, sodass § 67 VersVG auf die reine Kreditversicherung nicht anwendbar sei. Bei der hier in Frage stehenden Kostenersatzforderung handelt es sich jedoch nicht um einen derartigen Erfüllungsanspruch. Auch diese Entscheidung stützt somit nicht die Ansicht des Beklagten, § 67 VersVG sei im vorliegenden Fall nicht anzuwenden.

Auch die vom Beklagten herangezogene Entscheidung 2 Ob 398/59 = JBl 1960, 19 = VersR 1960, 287 (Wahle) betrifft nicht einen vergleichbaren Fall. Dort wurde die Berechtigung des Haftpflichtversicherers des zum Schadenersatz an den geschädigten Verurteilten, gemäß § 67 VersVG vom Mitschuldigen den Ersatz den aliquoten Teiles der an den Verletzten bezahlten Prozesskosten zu verlangen, mit der Begründung verneint, dass diese im Vorprozess entstanden Prozesskosten keinen dem Verletzten entstandenen Schaden darstellten und daher der Ausgleichspflicht nicht unterlegen. Gerade dieser Fall liegt hier nicht vor, weil Gegenstand der Rechtsschutzversicherung gerade auch die Bezahlung von Prozesskosten ist.

Es ist somit entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Vorliegen des geltend gemachten Oppositionsklagegrunds, dass die betriebene Kostenforderung infolge Legalzession gemäß § 67 VersVG nicht mehr dem betreibenden Gläubiger, sondern dem Rechtsschutzversicherer zusteht, zu bejahen. Demnach ist das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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