OGH 2Ob108/03a

OGH2Ob108/03a21.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Harald H*****, und 2. Helga H*****, vertreten durch Dr. Michael Göbel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Paul P*****, vertreten durch Dr. Wolfram Broesigke und Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wegen Einräumung der Liftbenützung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Oktober 2002, GZ 39 R 333/02p-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 18. Juli 2002, GZ 54 C 54/02w-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 549,33 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 91,55, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Hauptmieter zweier zusammengelegter Wohnungen, deren Eigentümer der Beklagte ist.

Sie begehren vom Beklagten die Einräumung der Benützung des Liftes in diesem Haus mit der Begründung, der Lift sei in den Jahren 1991 bis 1994 errichtet und aus der Mietzinsreserve finanziert worden. Es handle sich um eine Gemeinschaftsanlage, weil er ohne Schlüssel oder Münzen durch jeden Hausbenützer betrieben werden könne. Das vom Beklagten ausgesprochene Verbot der Liftbenützung sei sittenwidrig.

Der Beklagte wendete ein, der Lift sei nicht aus Mitteln der Mietzinsreserve finanziert worden, sondern durch Mieter des Hauses, die nach Auslaufen eines § 7 MG-Verfahrens auf eine Senkung des erhöhten Hauptmietzinses verzichtet hätten. Erhebliche Fehlbeträge habe er aus eigenen Mitteln bezahlt. Die Kläger seien nicht bereit gewesen, sich an den Errichtungskosten des Liftes zu beteiligen und bezahlten auch keine Liftbetriebskosten. Der Lift stelle keine Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 24 Abs 1 MRG dar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es feststellte, dass es im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zwischen den Streitteilen im Haus keine Liftanlage gab. In der schriftlichen Mietvertragsurkunde wurde der Passus, wonach der Mieter berechtigt sei, den Aufzug mitzubenutzen, gestrichen.

In der Folge wurde im Haus neben mehreren Sanierungsarbeiten eine Aufzugsanlage hergestellt. Zur Finanzierung hatte der Vermieter die Mieter um eine finanzielle Beteiligung insbesondere gegen die Einräumung einer Nutzungsberechtigung an der Liftanlage angesprochen. Mit der Mehrzahl der Mieter vereinbarte der Vermieter die fortlaufende Vorschreibung erhöhter Mieten trotz Auslaufens eines Verfahrens zur Mietzinserhöhung nach § 7 MG. Diesen Mietern räumte der Beklagte sodann auch die Liftbenützung ein. Eine Vereinbarung über den Ausschluss anderer Mieter wurde nicht getroffen.

Mit den Klägern kam eine derartige Vereinbarung einer finanziellen Beteiligung gegen die Einräumung der Liftbenützung nicht zustande. Nach Ablauf des für die erhöhte Mietzinsvorschreibung bewilligten Zeitraumes wurde der Mietzins den Klägern nicht mehr erhöht vorgeschrieben. Auch sonst leisteten die Kläger keinen finanziellen Beitrag zur Lifterrichtung. Liftbetriebskosten wurden ihnen nicht vorgeschrieben.

Die Benützung des vorhandenen Aufzuges ist jeder Person ohne besondere Sperrhilfe oder sonstige technische Vorrichtungen möglich. Der Beklagte hat den Klägern gegenüber ausdrücklich das Verbot der Liftbenützung ausgesprochen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es handle sich bei dem Aufzug um keine Gemeinschaftsanlage, weil den Klägern keine Nutzungsberechtigung eingeräumt worden sei. Ob der Lift aus Mitteln einer Mietzinsreserve errichtet worden sei, sei irrelevant. Solange der Vermieter dem Mieter den bedungenen Gebrauch am Bestandobjekt weiterhin verschaffe, dürfe er diesen von der Liftbenützung ausschließen. Er könne zur Einräumung einer Nutzungsberechtigung gegen seinen Willen nicht gezwungen werden.

Das von den Klägern angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, es liege keine Gemeinschaftsanlage vor, an. Auch die Finanzierung der Liftanlage aus Mitteln der Hauptmietzinsreserve, die natürlich auch aus den Zahlungen der Kläger gespeist worden sei, gebe diesen nicht das Recht zur Mitbenützung. Von einem willkürlichen Ausschluss könne nicht gesprochen werden, wenn - wie hier - nur denjenigen Mietern die Benützung des Liftes eingeräumt werde, die sich an der Neuerrichtung finanziell beteiligten. Den Bestimmungen des MRG über die Verwendung der Hauptmietzinsreserve könne generell nicht entnommen werden, dass die Heranziehung solcher Mittel den Mietern Mitbenützungsrechte beschere. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch darauf, sich an den Errichtungskosten beteiligen zu können und dadurch die Liftbenützung eingeräumt zu erhalten. Von einem willkürlichen Ausschluss könne keine Rede sein, wenn ihnen - wie den übrigen Mietern - die Benützung bei Mitfinanzierung ohnehin angetragen, von ihnen aber abgelehnt worden sei.

Über Antrag der klagenden Parteien änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, dass diese für zulässig erklärt wurde. Es begründete diesen Beschluss damit, dass in die Erwägungen über das allfällige schikanöse Verhalten des Vermieters die Tatsache, dass die Nutzung des vorhandenen Aufzugs de facto jeder Person ohne besondere Sperrhilfe oder sonstige technische Vorrichtung möglich sei, nicht miteingeflossen sei und eine oberstgerichtliche Judikatur zur Sittenwidrigkeit unter derartigen Umständen nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der Kläger zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage erfüllt nicht die Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO. Schikane liegt zwar nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265). Ob ein solches krasses Missverhältnis besteht, hängt aber von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt (5 Ob 200/02a mwN).

Aber auch sonst werden in der Revision der Kläger keine erheblichen Rechtsfragen dargetan.

Die Kläger meinen, die bekämpfte Entscheidung betreffe Rechtsfragen grundlegender Bedeutung, nämlich die Fragen der Definition eines Aufzugs als Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 24 MRG, insbesondere wenn der Aufzug von jedem benützt werden könne und voll oder teilweise aus der Hauptmietzinsreserve finanziert worden sei sowie die Frage der Definition des Aufzugs als Verbesserung und Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 4 Abs 2 Z 2 MRG. Es bestehe keine Judikatur zu den Fragen, ob der Mieter einen Anspruch habe, einen von ihm mitfinanzierten Aufzug zu benützen, ob dieses Recht von einer über die Mitdotierung der Mietzinsreserve hinausgehenden Zahlung abhängig zu machen sei, ob ein Personenaufzug, der nicht auf Schlüsselbetrieb beschränkt sei, eine Gemeinschaftseinrichtung darstelle, ob die Entscheidung MietSlg 45.323 analog anzuwenden sei, ob es zu den Pflichten eines Vermieters im Geiste des MRG gehöre, Mietern des Hauses die Benützung des Aufzugs zu ermöglichen, ob ein Verbot der Aufzugsbenützung schikanös und sittenwidrig sei, ob es nicht um so mehr sittenwidrig sei, wenn der Mieter Zahlungen angeboten habe, ob der Beklagte nicht auch deshalb das Verbot nicht rechtswirksam aussprechen könne, weil er damit die übrigen Mieter schädige.

Mit all diesen Ausführungen wird aber kein Abweichen von einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bzw ein Fehlen einer solchen in einer erheblichen Rechtsfrage dargetan. Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, dass für das Vorliegen einer Gemeinschaftsanlage im Sinne des § 24 MRG vorausgesetzt wird, dass es jedem Mieter rechtlich frei steht, die Anlage gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebes zu benutzen. Es darf also rechtlich kein Mieter von der Benützung ausgeschlossen sein (RIS-Justiz RS0069987; MietSlg 48.294/17); diese Ansicht entspricht auch der herrschenden Lehre (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 24 MRG Rz 2; Würth in Rummel², ABGB, § 24 MRG Rz 2). Es kommt daher - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - nicht darauf an, ob der Aufzug faktisch auch von Personen benützt werden kann, die nicht Mitglied der Aufzugsgemeinschaft sind (vgl hiezu auch 5 Ob 122/01d), sondern darauf, dass es den Klägern mangels einer mit ihnen abgeschlossenen Vereinbarung rechtlich nicht frei steht, den Aufzug zu benützen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in der Revision zitierten Entscheidung MietSlg 45.323, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Sonderstellung der Grünanlagen eines Hauses es gerechtfertigt erscheinen lasse, die Beteiligung der Mieter an den Kosten der gärtnerischen Betreuung nicht von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass ihnen aufgrund des Mietvertrages oder einer anderen Vereinbarung Benützungsrechte zustehen.

Die Frage, aus welchen Mitteln der Aufzug errichtet wurde und ob teilweise durch Mieteinnahmen Deckung bestand, hat aber mit jener, ob den Klägern ein Benützungsrecht eingeräumt wurde, nichts zu tun.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht sohin der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bzw fehlt es wegen der Einzelfallbezogenheit an einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weshalb die Revision der Kläger zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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