OGH 6Ob208/02k

OGH6Ob208/02k21.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter L*****, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. Alex M*****, und 2. Freya M*****, beide MC-98000 Monte Carlo *****, vertreten durch Jean Jung, Rechtsanwalt in Antibes, wegen 72.672,83 EUR, über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 29. Mai 2002, GZ 4 R 155/01v-112, mit dem über Berufung der beklagten Parteien das (unechte) Versäumungsurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. April 2001, GZ 3 Cg 108/96f-81, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die von der Zweitbeklagten erhobene Einrede der internationalen und

örtlichen Unzuständigkeit wird verworfen.

Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung einschließlich der vom Erstbeklagten erhobenen Unzuständigkeitseinrede aufgetragen.

Die Zweitbeklagte hat dem Kläger die mit 1.852,92 EUR (darin enthalten 308,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die übrigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit seiner am 28. 3. 1996 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger 1. von Claus M*****, 2. von Mag. Alex M***** und

3. von Freya M***** zur ungeteilten Hand ein Rechtsanwaltshonorar von zunächst 1,528.825,70 S. Als Adresse führte er bei Claus und Mag. Alex M*****"H*****straße *****, 5020 Salzburg" an, bei Freya M***** die Adresse in Monte Carlo. Hinsichtlich Letzterer stützte er die Zuständigkeit des Erstgerichtes auf die §§ 93 und 99 JN. Gegen Claus und Mag. Alex M***** erging am 20. 5. 1996 ein Versäumungsurteil, das ihnen an die in der Klage angeführte Adresse in Salzburg zugestellt wurde. Diese beantragten die Wiedereinsetzung mit der Begründung, dass die Klage und das Versäumungsurteil nicht wirksam zugestellt worden seien, weil sie an der angegebenen Adresse nicht aufhältig gewesen seien. Alle drei Beklagten wendeten in ihrer Klagebeantwortung die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein und brachten hiezu vor, sie hätten ihren Wohnsitz in Monte Carlo. Freya M***** bestritt weiters das Vorliegen des Vermögensgerichtsstandes, weil der Wert der Verlassenschaft nach ihrem verstorbenen Mann, zu der sie eine bedingte Erbserklärung abgegeben hatte, infolge der auf den Liegenschaften des Erblassers bestellten Hypotheken über insgesamt 77 Mio S unverhältnismäßig geringer als der Klagebetrag sei. Im Übrigen bestritten die Beklagten das Klagebegehren und beantragten dessen Abweisung. Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag des Claus M***** mit der Begründung ab, dass seine Behauptung widerlegt sei, dass er zum Zeitpunkt der maßgebenden Zustellungen nicht in Salzburg gewesen sei. Dem Wiedereinsetzungsantrag des Mag. Alex M***** gab es hingegen statt. Das Rekursgericht gab dem dagegen von Claus M***** erhobenen Rekurs nicht Folge. Das Versäumungsurteil erwuchs ihm gegenüber in Rechtskraft.

In ihrem am 21. 12. 2000 eingelangten Schriftsatz wiesen die (verbleibenden) Beklagten darauf hin, dass aufgrund einer im Bevollmächtigungsvertrag mit dem Kläger geschlossenen Verinbarung über den Erfüllungsort und bei der Zweitbeklagten auch über den Gerichtsstand anstelle des Landesgerichtes Salzburg das Landesgericht Innsbruck zuständig sei. Dieser Schriftsatz wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 13. 4. 2001 als verspätet zurückgewiesen. In der Streitverhandlung vom 21. 10. 1997 begehrte der Kläger die Fällung eines Versäumungsurteiles gemäß § 399 ZPO. Zur Zuständigkeit brachte er ergänzend vor, dass die Beklagten die Erben des Mag. Dr. Josef M***** (dem Vater von Claus und Mag. Alex M***** und dem Ehemann der Freya M*****) seien. Die Verlassenschaftsabhandlung sei beim Bezirksgericht Salzburg geführt worden. Es befinde sich daher Vermögen in Österreich. Im nachfolgenden, am 30. 10. 1997 eingelangten Schriftsatz ergänzte er, "dass die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes über den allgemeinen Gerichtsstand der erst- und zweitbeklagten Partei auch auf den Vermögensgerichtsstand gestützt wird".

Das Erstgericht erkannte mit Versäumungsurteil gemäß § 399 ZPO dem Kläger den begehrten, inzwischen auf 1,000.000 S eingeschränkten Betrag als Honorar für verschiedene anwaltliche Tätigkeiten zu, die der Kläger für die Beklagten erbracht habe. Es traf unter anderem folgende Feststellungen: In der Todfallsaufnahme sind eine Reihe von Liegenschaften im Gasteinertal aufgelistet. Als offene Forderungen wurden Kreditschulden von 8,396.523 DM angegeben. Das Hauptinventar weist Aktiven in der Höhe von 7,888.490 S und Passiven von 57,579.669,16 S aus. Am 20. 9. 1994 verzichteten Claus und Mag. Alex M***** auf ihr gesetzliches Erbrecht zugunsten von Freya M*****, die eine bedingte Erbserklärung abgab. Mit Beschluss vom 9. 1. 2000 wurde ihr die Verlassenschaft eingeantwortet. Bis zur Vollmachtskündigung im Jahr 1993 hatte der Kläger namens der Beklagten versucht, Umwidmungen von in den Nachlass fallenden Liegenschaften und damit eine erhebliche Wertsteigerung zu erreichen. In den von den Beklagten jeweils unterfertigten Vollmachten finden sich die Verpflichtung der Haftung für die Honoraransprüche des Klägers zur ungeteilten Hand mit den jeweils anderen Beklagten. Als Erfüllungsort wurde Innsbruck vereinbart, in der von Freya M***** unterfertigten Vollmachtsurkunde zudem auch der Gerichtsstand Innsbruck.

Das Ersturteil enthält zwar keinen gesonderten Ausspruch über die Unzuständigkeitseinrede. Das Erstgericht bejahte aber seine Zuständigkeit ausdrücklich in den Entscheidungsgründen (S 26) und führte hiezu aus: Im Zeitpunkt der Einbringung der Klage hätten Claus und Mag. Alex M***** bereits zugunsten ihrer Mutter auf ihre Erbansprüche verzichtet, sodass ihnen gegenüber der Vermögensgerichtsstand nicht geltend gemacht werden könne. Hinsichtlich Freya M***** sei dieser Gerichtsstand aber zu bejahen, weil unstrittig sei, dass in die Verlassenschaft mehrere Liegenschaften im Gasteinertal gefallen seien, deren Schätzwert über 7 Mio S betragen habe. Daraus sei zwar der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft für Mag. Alex M***** nicht abzuleiten. Dieser habe auch keinen allgemeinen Gerichtsstand in Österreich. Das Verfahren im Zusammenhang mit den Wiedereinsetzungsanträgen habe jedoch ergeben, dass Claus M***** in Salzburg zumindest einen von mehreren Aufenthaltsorten gehabt habe, sodass im Zeitpunkt der Einbringung der Klage der allgemeine Gerichtsstand gegen Claus M***** begründet gewesen sei. Damit habe auch sein Bruder Alex bei diesem Gericht als Streitgenosse geklagt werden können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, die damit inhaltlich auch die Bejahung der Zuständigkeit bekämpften, Folge, hob das Ersturteil auf und wies die Klage zurück. Die Berufungsausführungen der Beklagten ließen hinreichend deutlich erkennen, dass sie sich durch die Bejahung der Zuständigkeit des Erstgerichtes beschwert erachteten. Für die gegen den (nunmehr) Erstbeklagten gerichtete Klage sei das Erstgericht unzuständig, weil sich der Kläger insoweit über den allgemeinen Gerichtsstand hinaus (nur) auf den Vermögensgerichtsstand berufen habe, der jedoch aus den bereits vom Erstgericht angeführten Gründen zu verneinen sei. Im Übrigen wäre für den Erstbeklagten auch der Gerichtsstand des § 93 JN zu verneinen, weil durch die festgestellte Übereinkunft der Parteien über den Erfüllungsort in Innsbruck hinsichtlich aller Beklagter der Wahlgerichtsstand des § 88 Abs 1 JN begründet worden sei. Damit fehle es an der Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Gerichtsstandes der Streitgenossenschaft, dass nämlich kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand bestehe. Eine Überweisung der Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck nach § 475 Abs 2 ZPO komme nicht in Betracht, weil nicht aktenkundig sei, dass der Kläger diesen Gerichtsstand in Anspruch genommen hätte. Hinsichtlich der Zweitbeklagten habe der Kläger den Vermögensgerichtsstand nicht schlüssig behauptet, weil er dem Vorbringen der Beklagten über die hypothekarischen Belastungen keine Tatsachenbehauptungen entgegengestellt habe. Auch nach den Feststellungen des Erstgerichtes, aus denen sich eine Überschuldung des Nachlasses von rund 50 Mio S ergebe, könne von einem Vermögen im wirtschaftlichen Sinn nicht mehr die Rede sein.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist gemäß 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig. Er ist auch berechtigt.

Die Beklagten wendeten die mangelnde internationale Zuständigkeit ein, weil sie im Ausland wohnhaft seien und im Inland auch sonst kein Gerichtsstand, insbesondere nicht der des Vermögens, gegeben sei. Den (weiteren) Einwand der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes infolge Vorliegens einer Vereinbarung über den Erfüllungsort und den Gerichtsstand in Innsbruck haben sie in erster Instanz nicht wirksam erhoben; ihr diesen Einwand enthaltender Schriftsatz wurde zurückgewiesen, sodass schon deshalb darauf nicht weiter einzugehen ist. Zu prüfen ist jedoch die Prozessvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit (internationalen Zuständigkeit).

Durch den Beitritt Österreichs zum LGVÜ (BGBl 1996/448) wurden wesentliche Teile des österreichischen internationalen Zivilverfahrensrechts auf eine neue - staatsvertragliche - Grundlage gestellt. Die inländische Gerichtsbarkeit für das Erkenntnis- und Provisorialverfahren richtete sich nach Inkrafttreten des Abkommens nach dessen Bestimmungen, die sachliche und örtliche (inländische) Zuständigkeit auch weiterhin nach dem nationalen Recht, allerdings nur soweit, als das LGVÜ neben der internationalen nicht auch die örtliche Zuständigkeit normierte. Die Regelung der internationalen Zuständigkeit im Sinn des Übereinkommens ist insofern eine abschließende, also dann, wenn deren Vorliegen zu verneinen ist, sie nicht auf Bestimmungen des nationalen Rechts gestützt werden kann. Das LGVÜ war unmittelbar anzuwenden und ersetzte in seinem Anwendungsbereich die Zuständigkeitsbestimmungen der JN (RIS-Justiz RS0106679).

Auf den vorliegenden Rechtsstreit ist das LGVÜ aber noch nicht anwendbar. Dieses trat gemäß Art 61 am ersten Tag des dritten Monats in Kraft, der auf die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erfolgte. Da Österreich die Ratifikationsurkunde am 27. 6. 1996 beim schweizerischen Bundesrat hinterlegt hat, trat das LGVÜ für Österreich am 1. 9. 1996 in Kraft (Lechner/Mayr, Das Übereinkommen von Lugano, 35). Nach Art 54 Abs 1 gilt das Prinzip der Nichtrückwirkung: Das Übereinkommen ist nur auf diejenigen "Klagen und öffentlichen Urkunden" anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten - in Österreich somit erst nach dem 1. 9. 1996 - "erhoben oder angenommen" worden sind. Wann eine Klage "erhoben" ist, entscheidet das jeweilige nationale Recht. Im vorliegenden Rechtsstreit wurde die Klage am 28. 3. 1996 eingebracht und damit "erhoben", sodass das LGVÜ noch nicht zur Anwendung kommt. Die Frage der inländischen Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) ist daher allein nach den österreichischen Vorschriften zu prüfen.

Der mit der WGN 1997 angefügte § 27a JN, wonach die inländische Gerichtsbarkeit (mangels anderer völkerrechtlicher Bestimmungen) bei Vorliegen der Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit des Gerichtes gegeben ist, ohne dass eine sonstige Voraussetzung erfüllt sein muss, ist hier ebenfalls noch nicht anzuwenden, weil die Klage vor dem 31. 12. 1997 eingebracht wurde (vgl Art XXXII Z 8 WGN 1997). Vor Einführung dieser Bestimmung forderten Rechtsprechung und Lehre einen zusätzlichen Inlandsbezug (Indikationentheorie). Bei der Mehrzahl der Gerichtsstände sei diese "Indikationswirkung" durchaus zu bejahen, bei einzelnen Gerichtsständen müsse jedoch geprüft werden, ob die für die Annahme inländischer Gerichtsbarkeit erforderliche Nahebeziehung zum Anlassfall tatsächlich gegeben sei. Beim Gerichtsstand des Vermögens (nach § 99 Abs 1 JN) wurde das Bestehen einer ausreichenden Nahebeziehung einer eingehenderen Prüfung unterzogen (SZ 65/141 = JBl 1993, 666 [Pfersmann] ua), beim Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (§ 93 JN) wurde ausgesprochen, dass dieser grundsätzlich das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit indiziere, aber nicht in jedem Fall die erforderliche Intensität der Inlandsbeziehung gegeben sein müsse (SZ 59/205; SZ 60/277 = JBl 1989, 48 [Schwimann]). Auch wenn man dieser Ansicht folgt (kritisch Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen I² vor Art IX EGJN Rz 30), ist im vorliegenden Fall, sofern einer dieser Gerichtsstände besteht, die geforderte Intensität der Inlandsbeziehung jedenfalls zu bejahen: Alle Beteiligten sind österreichische Staatsbürger; die der eingeklagten Honorarforderung zugrunde liegenden Verträge wurden in Österreich geschlossen, die Leistungen des Klägers wurden in Österreich erbracht.

Gemäß § 93 Abs 1 JN können mehrere Personen, welche ihren allgemeinen Gerichtsstand vor verschiedenen Gerichten haben, als Streitgenossen, sofern nicht für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, vor jedem inländischen Gericht geklagt werden, bei welchem einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, es sei denn, dass das Gericht auch durch Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden kann. Nur das Bestehen einer materiellen Streitgenossenschaft im Sinn des § 11 Z 1 ZPO begründet diesen Gerichtsstand (RIS-Justiz RS0035411). Der Umstand, dass einer der belangten (materiellen) Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand bei einem ausländischen Gericht hat, schließt den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nicht aus (SZ 56/162; 3 Ob 514/94). Maßgebend ist, dass die materielle Streitgenossenschaft im Zeitpunkt der Klageeinbringung gegeben ist. Eine nach Gerichtsanhängigkeit erfolgte Aufhebung der Streitgenossenschaft ist für die einmal begründete Zuständigkeit unbeachtlich (§ 29 JN). Daher bleibt für die übrigen Beklagten die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes auch dann bestehen, wenn die Klage gegen den einen Streitgenossen, der allein seinen allgemeinen Gerichtsstand bei diesem Gericht hat, zurückgezogen wird. Maßgebend für die Begründung des Gerichtsstandes ist demnach, dass wenigstens einer der Beklagten zulässigerweise beim Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes belangt werden konnte (Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen I² § 93 JN Rz 4). Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft wird nur am allgemeinen Gerichtsstand eines Streitgenossen begründet; daher können die anderen Streitgenossen nicht auch am Wahlgerichtsstand eines Streitgenossen mitgeklagt werden. Auch ein vereinbarter Gerichtsstand eines der Beklagten kann nicht zur Begründung des Gerichtsstandes des § 93 Abs 1 JN herangezogen werden, da es sich hier nicht um einen "allgemeinen Gerichtsstand" handelt (Simotta aaO Rz 10 mwN). Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft kann nur angerufen werden, wenn kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand gegeben ist (Simotta aaO Rz 6). Bedingung ist weiters, dass das angerufene Gericht für die mitbeklagten Streitgenossen nicht unprorogabel unzuständig ist. Nach zum Teil in Lehre und Rechtsprechung vertretener Ansicht kann der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN gegen Verbraucher nur mit der Beschränkung des § 14 Abs 1 KSchG begründet werden (Mayr in Rechberger ZPO² § 93 JN Rz 3; Simotta aaO § 93 JN Rz 8 mwN). Der Rechtsanwalt ist im Verhältnis zum Klienten Unternehmer im Sinn des KSchG (10 Ob 82/00g = RdW 2001, 730/740 mwN). Gemäß § 14 Abs 1 KSchG besteht ein Prorogationsverbot für Verbraucher, die im Inland ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung haben. Mit anderen Verbrauchern können Gerichtsstandvereinbarungen getroffen werden (Krejci in Rummel ABGB II² § 14 KSchG Rz 4). Ebenso schließt § 14 Abs 1 KSchG die Berufung auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 88 Abs 1 JN aus.

Daraus folgt für den vorliegenden Zuständigkeitsstreit, dass hinsichtlich beider Beklagter der Gerichtsstand des § 93 Abs 1 JN zu bejahen ist, wenn man die Feststellung des Erstgerichtes zugrunde legt, dass der ursprünglich Erstbeklagte Claus M***** im Zeitpunkt der Einbringung der Klage seinen gewöhnlichen Aufenthalt (oder zumindest einen seiner gewöhnlichen Aufenthalte) und damit seinen allgemeinen Gerichtsstand (§ 66 Abs 2 JN) im Sprengel des Erstgerichts hatte. Alle Beklagten haben sich solidarisch zur Begleichung der strittigen Anwaltskosten verpflichtet und sind daher Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO. Hinsichtlich des ursprünglich Erstbeklagten Claus M***** konnte sich der Kläger auf die Zuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck infolge des vereinbarten Erfüllungsortes gemäß § 14 Abs 1 KSchG nicht wirksam berufen. Auch eine entsprechende Gerichtsstandvereinbarung wäre unzulässig gewesen, falls Claus M***** seinen allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des Erstgerichtes hatte. Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes begründete daher die zwischen dem Kläger und den drei Beklagten getroffene Vereinbarung über den Erfüllungsort in Innsbruck keine gegenüber allen drei ursprünglich Beklagten wirksame besondere Gerichtszuständigkeit.

Gegenüber den beiden anderen (nunmehrigen) Beklagten, gegen die das Verfahren fortgesetzt wurde, bestand hingegen trotz ebenfalls anzunehmender Verbrauchereigenschaft kein Prorogationsverbot, weil sie damals schon ihren Wohnsitz nicht im Inland hatten. Sie konnten daher beim allgemeinen (inländischen) Gerichtsstand des ursprünglich Erstbeklagten ungeachtet der - strittigen - Frage, ob § 14 KSchG auch den Gerichtsstand des § 93 Abs 1 JN ausschließt, als materielle Streitgenossen mitgeklagt werden.

Daran, dass der Kläger den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nicht nur gegenüber der (nunmehr) Zweitbeklagten, sondern auch gegenüber dem (nunmehr) Erstbeklagten geltend machen wollte, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kein Zweifel bestehen. In seiner Klage ging er davon aus, dass die dortigen Erst- und Zweitbeklagten ihren Wohnsitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand in Salzburg hatten, sodass er sich zunächst nur hinsichtlich der Drittbeklagten, deren Wohnsitz er schon in der Klage mit Monte Carlo angegeben hatte, auf den Gerichtsstand des § 93 Abs 1 JN berufen hat. Im Zuge des Wiedereinsetzungsverfahrens stellte sich aber heraus, dass Mag. Alex und Freya M***** im Ausland wohnen und keinen allgemeinen Gerichtsstand in Salzburg hatten. Deshalb wurde dem Wiedereinsetzungsantrag des Mag. Alex M***** auch stattgegeben. Das in der Folge erstattete Vorbringen des Klägers zur Zuständigkeitsfrage, nämlich dass er hinsichtlich beider Beklagter neben dem "allgemeinen Gerichtsstand" auch den Gerichtsstand des Vermögens geltend mache, kann daher nur dahin verstanden werden, dass er hinsichtlich des nunmehr Erstbeklagten mit dem "allgemeinen Gerichtsstand" dem vom allgemeinen Gerichtsstand des ursprünglich Erstbeklagten abgeleiteten Gerichtsstand der Streitgenossenschaft meinte. Ansonsten wäre dieses Vorbringen völlig unverständlich und mit den Bemühungen des Klägers, in diesem jahrelang geführten Rechtsstreit seine Honorarforderungen gegen die Beklagten durchzusetzen, nicht in Einklang zu bringen.

Allerdings haben die Beklagten in ihrer Berufung gegen das Ersturteil, die auch eine Bekämpfung der Bejahung der Zuständigkeit enthält, die Ausführungen des Erstgerichtes zum gewöhnlichen Aufenthalt des ursprünglich Erstbeklagten Claus M***** als unrichtig bekämpft. Da sich das Berufungsgericht mit dieser Rüge nicht befasst hat, die Frage des gewöhnlichen Aufenthaltes aber für die (internationale) Zuständigkeit hinsichtlich des nun Erstbeklagten von entscheidender Bedeutung ist, ist eine abschließende Beurteilung, ob das Berufungsgericht das Ersturteil in diesem Umfang zu Recht aufgehoben und die Klage zurückgewiesen hat, nicht möglich. Das Berufungsgericht wird sich daher im fortzusetzenden Verfahren mit den betreffenden Berufungsausführungen auseinanderzusetzen haben. Sollte es zum Ergebnis gelangen, dass der ursprünglich Erstbeklagte Claus M***** im Zeitpunkt der Einbringung der Klage seinen allgemeinen Gerichtsstand in Salzburg hatte, wird es sich mit der Berufung des nunmehr Erstbeklagten in der Hauptsache inhaltlich auseinanderzusetzen haben.

Hinsichtlich der nunmehr Zweitbeklagten Freya M***** ist im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes die Zuständigkeit des Erstgerichtes (schon jetzt) zu bejahen. Es liegt der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 Abs 1 JN vor. In die Verlassenschaft nach ihrem Ehemann, zu der sie schon vor Einbringung der Klage als einzige der Erben eine bedingte Erbserklärung abgegeben hatte, fiel umfangreicher Liegenschaftsbesitz im Land Salzburg. Dieser war zwar mit den Schätzwert im Verlassenschaftsverfahren bei weitem übersteigenden Hypotheken belastet. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (aus der Zeit vor der ZVN 1983) hebt die Pfändung, Verpfändung oder sicherungsweise Abtretung des Vermögens die Zuständigkeit nach § 99 JN nicht auf (2 Ob 207/74 = JBl 1975, 101). Durch die ZVN 1983 (BGBl 1983/135) wurde dem § 99 Abs 1 JN der Satz angefügt, dass der Wert des im Inland befindlichen Vermögens nicht unverhältnismäßig geringer sein dürfe als der Wert des Streitgegenstandes. Nach den Gesetzesmaterialien (669 BlgNR 15. GP 39) werde der Vermögensgerichtsstand heutzutage als international unerwünscht angesehen. Durch die Änderung würden die ärgsten Auswüchse beseitigt. Es seien ähnliche Überlegungen wie im Bereich der Verfahrenshilfe maßgeblich: Reiche das im Inland befindliche Vermögen nicht einmal aus, die voraussichtlichen Prozesskosten zu decken, könne von einem vernünftig denkenden Menschen erwartet werden, dass er von einer Prozessführung Abstand nehme. Ob seit der ZVN 1983 ganz allgemein - abgesehen von der sachlichen Immunität - nur mehr exekutiv verwertbares Vermögen zur Begründung des Vermögensgerichtsstandes in Betracht kommt (kritisch Simotta aaO § 99 JN Rz 26, 27), kann hier dahingestellt bleiben, weil vorrangig einverleibte Pfandrechte einer Zwangsversteigerung der Liegenschaft nicht entgegenstehen. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass bei übermäßig mit Hypotheken belasteten Liegenschaften von vornherein kein wirtschaftlich verwertbares Vermögen vorliegt, ist nicht zu billigen. Im Hinblick auf den Umfang des in den Nachlass fallenden Liegenschaftsbesitzes, die Unabwägbarkeit wirtschaftlicher Entwicklungen und die zu bedenkende Möglichkeit der Umwidmung von Grundstücken ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung - die exekutive Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs - nicht als "offenbar aussichtslos" (vgl § 63 Abs 1 ZPO) zu qualifizieren. Hinsichtlich der Zweitbeklagten ist daher der Zuständigkeitsstreit abschließend dahin zu entscheiden, dass der Vermögensgerichtsstand beim Erstgericht und damit die internationale Zuständigkeit vorliegt und ihre diesbezügliche Prozesseinrede zu verwerfen ist.

Nach Vorliegen des der Klage stattgebenden erstgerichtlichen Urteiles hat der Kläger die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung und Einziehung einer Hyperocha im Zwangsversteigerungsverfahren bezüglich der Eigentumswohnung der Zweitbeklagten mit der in der Klage beim dort Erst- und Zweitbeklagten angeführten Adresse beantragt, die mit - vom Rekursgericht bestätigten - Beschluss des Erstgerichtes bewilligt wurde. Da der Gerichtsstand des Vermögens für die im Zeitpunkt der Klageeinbringung erbserklärte Erbin schon aufgrund der in den Nachlass fallenden Liegenschaften gegeben ist, kann dahingestellt bleiben, ob diese Tatsache als Neuerung unbeachtlich ist. Es ist auch nicht weiter darauf einzugehen, ob das Berufungsgericht aufgrund seiner Auffassung, es bestehe beim Landesgericht Innsbruck ein allen Streitgenossen gemeinsamer Gerichtsstand, verpflichtet gewesen wäre, die Rechtssache von Amts wegen (§ 475 Abs 2 ZPO) an dieses Gericht zu überweisen oder ob es zu Recht annehmen durfte, dass eine solche Vorgangsweise den Intentionen des Klägers zuwiderlaufen würde, dass dieser also eher einen endgültigen Verlust seiner jahrelang betriebenen Forderung in Kauf nehmen würde als eine Übertragung der Zuständigkeit. Mit der Berufung der Zweitbeklagten wird sich das Berufungsgericht sogleich in der Sache zu befassen und hierüber zu entscheiden haben. Gemäß §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO hat die Zweitbeklagte dem im Zuständigkeitsstreit siegreichen Kläger die Kosten des Rekursverfahrens (ohne Streitgenossenzuschlag) zu ersetzen. Die vom Kläger verzeichneten Pauschalgebühren sind ihm nicht zuzuerkennen, weil der Rekurs nicht der Gebührenpflicht unterliegt (Anm 1 zu TP 3 GGG).

Die Entscheidung, die übrigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten, beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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