OGH 6Ob63/03p

OGH6Ob63/03p21.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Birgit S*****, vertreten durch Dr. Summer, Dr. Schertler & Mag. Stieger, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Aaron S*****, vertreten durch Dr. Alexander Matt, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Abberufung als Geschäftsführer und Ausschluss eines Gesellschafters, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2002, GZ 4 R 255/02k-20, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. Juli 2002, GZ 6 Cg 132/01a-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.652,70 EUR (darin 275,45 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.061,98 EUR (darin 166,83 EUR Umsatzsteuer und 1.061 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Prozessparteien sind Geschwister. Mit Gesellschaftsvertrag vom 4. 10. 2000 gründeten sie die "G*****“ S***** Gesellschaft mbH mit Stammeinlagen von je 50 %. Die Gesellschafter sind jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer. Die Gesellschaft ist Pächterin des zuvor vom Vater der Parteien betriebenen Gastwirtschaftsunternehmens, über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet worden war. Zum Betrieb gehören die Vermietung von 25 Ferienwohnungen und einigen Gästzimmern des Gasthauses sowie der Betrieb eines Restaurants mit 100 Speiseplätzen. In der Sommersaison werden nur die Mutter der Parteien als Betriebsleiterin, ein Koch, ein Kellner, ein Zimmermädchen, eine Küchenhilfe und eine Servicepraktikantin beschäftigt, in der Wintersaison kommen 10 bis 12 Angestellte dazu. Anlässlich der Gründung der Gesellschaft mbH wurde vereinbart, dass sich die Gesellschafter um den Betrieb kümmern. Es wurde aber keine konkrete Vereinbarung über eine bestimmte Stundenleistung, über die Entlohnung der Geschäftsführer oder die Gewinnverteilung getroffen. Der Beklagte hatte schon vor der Gesellschaftsgründung über mehrere Jahre einen Teil der Liegenschaft seines Vaters in Bestand genommen gehabt und dort die sogenannte "Schirmbar" betrieben; er führte diesen Betrieb auch nachher weiter.

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 29. 5. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer und die Entziehung seiner Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht sowie den Ausschluss des Beklagten als Gesellschafter und macht dazu im Wesentlichen folgende wichtige Gründe geltend:

1. Der Beklagte habe einen Bescheid des Finanzamtes vom 30. 10. 2000 übernommen, womit die Pachtzinsforderungen des Vaters der Parteien gegenüber der Gesellschaft gepfändet worden seien und die Gesellschaft eine Drittschuldnererklärung abzugeben gehabt hätte. Die Klägerin sei darüber nicht informiert worden. Dadurch seien die Pachtzinse für Dezember 2000 und Jänner 2001 von insgesamt 15.660 DM an den Vater überwiesen worden, obwohl die Zahlungen bereits an das Finanzamt geleistet hätten werden müssen. Dadurch sei der Gesellschaft ein finanzieller Schaden entstanden, weil eine Rückforderung beim Vater wegen dessen ungünstiger finanzieller Verhältnisse ausgeschlossen sei.

2. Der Beklagte habe einer Thekenkraft die Stelle eines Betriebsleiters in Aussicht gestellt. Die Einstellung ohne Rückfrage bei der Klägerin stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar.

3. Die Parteien hätten bei der Gesellschaftsgründung vereinbart, im selben Ausmaß zur Erreichung des Gesellschaftszweckes mitzuwirken. Der Beklagte leiste nicht einmal ein Viertel an Arbeitszeit und Arbeitseinsatz wie die Klägerin.

4. Ende März 2001 seien die Parteien verpflichtet gewesen, ein privat erhaltenes Darlehen durch die Darlehensgeberin (eine Tante der Parteien) von je 17.500 DM zurückzuzahlen. Die Klägerin habe dem Beklagten einen Auszahlungsschein über diese Summe zur Gegenzeichnung vorgelegt. Vereinbarungswidrig habe der Beklagte ohne Rücksprache die Überweisungsscheine auf je 18.000 DM abgeändert und von den gemeinsamen Konten an die Tante das Geld überwiesen.

5. Die Grundstücksfläche, auf welcher der Beklagte seine "Schirmbar" betreibe, sei vom Pachtvertrag mitumfasst gewesen. Der Beklagte habe keine Vorschläge zur Untervermietung unterbreitet oder den entsprechenden Pachtzins an die Gesellschaft bezahlt. Die Klägerin habe daher die Grundstücksfläche dem Verpächter (dem Vater) zurückgeben müssen. Erst über anwaltliche Intervention habe der Beklagte den Pachtzins im Februar 2001 überwiesen. Im anhängigen Verfahren über die Räumungsklage des Vaters gegen die Gesellschaft mbH sei der Beklagte als Nebenintervenient und Vertreter der Gesellschaft mbH aufgetreten. Dadurch seien die Interessen der Gesellschaft massiv beeinträchtigt worden. Mit seiner Aussage, Untermieter der Gesellschaft mbH zu sein, habe er einen klaren Verstoß gegen das im Pachtvertrag beinhaltete Untermietverbot gesetzt. Dies könnte zur vorzeitigen Kündigung des Pachtvertrages führen.

6. Der Beklagte habe ohne Rücksprache mit der Klägerin im Namen der Gesellschaft eine Registrierkasse samt Zubehör bestellt und geliefert erhalten. Die Rechnungslegung sei an die Gesellschaft mbH erfolgt. Es sei ein Versuch gewesen, auf Kosten der Gesellschaft mbH Waren zu beziehen.

7. Am 17. 5. 2001 habe der Beklagte ohne Mitwirkung und Zustimmung der Klägerin einen Zessionsvertrag hinsichtlich der Forderung der Gesellschaft mbH gegenüber dem Vater auf Rückzahlung der zu Unrecht überwiesenen Pachtzinse abgeschlossen. Dieser Vertrag sei ein unzulässiges Insichgeschäft und verstoße gegen die Interessen der Gesellschaft mbH. Der Beklagte habe den zedierten Betrag der Gesellschaft mbH nicht ersetzt.

Auf Grund der Manipulationen des Beklagten sei das Vertrauen zwischen den Parteien als Geschäftspartner und Gesellschafter erschüttert.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, dass er seine Funktion als Geschäftsführer der Gesellschaft mbH stets wie ein ordentlicher Kaufmann ausgeübt habe. Den Pfändungsbescheid des Finanzamtes habe er der für die Buchhaltung zuständigen Klägerin übergeben. Da gegen den Vater im Mai 2001 30 Exekutionsverfahren anhängig gewesen seien, habe der Beklagte mit der Gesellschaft mbH den Inkassozessionsvertrag vom 17. 5. 2001 abgeschlossen, um die Forderung von 15.660 DM im eigenen Namen gerichtlich in dem vom Vater gegen den Beklagten geführten Prozess geltend machen zu können. Nach Abschluss eines Vergleichs habe der Beklagte den einbringlich gemachten Betrag der Gesellschaft mbH zukommen lassen, dies unter Kompensation von offenen Prozesskosten, des Arbeitslohns des Beklagten für den Zeitraum Dezember 2001 bis März 2002, der Anrechnung von Reparaturkosten wegen einer durch die Klägerin veranlassten Stromsperre für die "Schirmbar" sowie durch eine Zahlung des Beklagten an die Gesellschaft. Mit einem Kellner habe der Beklagte unverbindlich über eine allfällige Tätigkeit als Betriebsleiter für den Fall gesprochen, dass die Klägerin aus der Gesellschaft mbH ausscheiden würde. Hinsichtlich des Ausmaßes der von den Parteien für die Gesellschaft zu erbringenden Arbeitsleistungen sei keine Vereinbarung getroffen worden. Hinsichtlich des gewährten Darlehens sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass 1.000 DM an Zinsen bezahlt würden. Bei Abschluss des Pachtvertrages sei allen Beteiligten klar gewesen und auch so vereinbart worden, dass der Beklagte seine "Schirmbar" auf Grund eines entsprechenden Untermietvertrages weiterführen werde. Es sei von halbjährlich zu zahlenden Mietzinsen ausgegangen worden. Der Beklagte habe Unterbestandszahlungen an die Gesellschaft mbH geleistet. Hinsichtlich der vom Beklagten bestellten Waren (Registrierkasse) sei von vorneherein klar gewesen, dass die Gegenstände vom Beklagten und nicht von der Gesellschaft mbH bezahlt werden. Er habe keinesfalls versucht, auf Kosten der Gesellschaft für eigene Zwecke Bestellungen vorzunehmen. Es sei die Klägerin, die im Verein mit dem Vater den Beklagten mit allen Mitteln als Geschäftsführer und Gesellschafter aus der Gesellschaft entfernen wollten. Der Vater wolle nach wie vor die Geschicke der Gesellschaft mbH lenken. Die Klägerin selbst habe eine Reihe von Pflichtverletzungen und dadurch bewirkte Gesellschaftsschädigungen zu vertreten. Der Beklagte habe seinerseits Klage auf Abberufung der Klägerin eingebracht.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus zusammengefasst noch Folgendes fest:

Für ein von Anfang an gespanntes Verhältnis zwischen den Gesellschaftern seien Zerwürfnisse des Beklagten mit seinem Vater ursächlich, worunter auch das Verhältnis zur Mutter der Parteien gelitten habe. Die Klägerin habe mehr Arbeitsleistungen als der Beklagte erbracht. Sie sei täglich zwischen sechs und acht Stunden im Betrieb anwesend und habe sich um die Vermietung der Ferienwohnungen und das Personal gekümmert, die gesamte Korrespondenz und den Zahlungsverkehr erledigt und regelmäßig Frühstücksdienst versehen. Sie habe im Restaurant auch abends ausgeholfen. Der Beklagte habe sich nur kurzfristig im Restaurant aufgehalten und nur geringfügig im Service mitgearbeitet. Er habe den Einkauf der Getränke erledigt.

Die Klägerin habe als Geschäftsführerin der Gesellschaft den Pachtvertrag betreffend die Grundstücksparzelle aufgekündigt, auf der der Beklagte die "Schirmbar" betrieb. Daraufhin habe der Vater (Verpächter) die Räumungsklage gegen die Gesellschaft eingebracht. Der Beklagte sei dem Verfahren als Nebenintervenient beigetreten und habe das Klagebegehren auch als Geschäftsführer der Gesellschaft bestritten. Die Klägerin habe sich am Verfahren nicht weiter beteiligt. Die Räumungsklage sei rechtskräftig abgewiesen worden. Im Urteil sei festgestellt worden, dass die Kündigung durch die Klägerin vom Vater veranlasst worden sei, um dadurch Einfluss auf den Beklagten zu nehmen. Der Beklagte habe in der Folge (als Unterbestandnehmer der Gesellschaft mbH) die Pachtzinszahlungen an die Gesellschaft halbjährlich bezahlt. Ein weiterer Streitpunkt zwischen den Parteien sei dadurch entstanden, dass die Klägerin die Stromzufuhr zur "Schirmbar" unterbunden habe. Der Beklagte habe Behebungsarbeiten bestellt und hiefür 608,96 EUR in Rechnung gestellt erhalten. Nach Übernahme des Gastwirtschaftsbetriebes durch die Gesellschaft sei die gesamte Post (für die Gesellschaft, die Parteien und für den Vater) in der Gastwirtschaft eingelangt und dort aufgeteilt worden. Es habe ein "Durcheinander" geherrscht, wodurch eine Anfang November 2000 an die Gesellschaft adressierte Pfändung des Pachtzinses durch das Finanzamt vom Beklagten zwar übernommen, in der Folge aber nicht weiter bearbeitet worden sei. Die Pachtzinse für Dezember 2000 und Jänner 2001 seien noch an den Vater bezahlt worden und hätten später nochmals an das Finanzamt bezahlt werden müssen. Die näheren Umstände seien nicht mehr feststellbar. Der Beklagte habe aber keinesfalls absichtlich den Pfändungsbescheid zurückgehalten. Die Klägerin habe den Vater zur Zurückzahlung der Pachtzinse aufgefordert. Eine Rückzahlung sei mangels Zahlungsfähigkeit nicht erfolgt. Um dennoch die Rückzahlung für die Gesellschaft einbringlich zu machen, habe sich der Beklagte mit einem Insichgeschäft die Forderung der Gesellschaft über 15.660 DM zum Inkasso abtreten lassen und diese Forderung in seinem eigenen Passivprozess gegen den Vater als Gegenforderung eingewendet. In diesem Verfahren sei ein Vergleich abgeschlossen worden. Es sei zu einer Rückführung der Forderung der Gesellschaft dadurch gekommen, dass der Beklagte zum Teil eine Barzahlung an die Gesellschaft leistete, zum Teil insoweit mit der Forderung des Beklagten auf Abgeltung seiner Arbeitstätigkeit aufgerechnet habe, zum Teil auch eine Verrechnung mit Prozesskostenansprüchen des Beklagten gegenüber der Gesellschaft erfolgt und überdies der Rechnungsbetrag für die Instandsetzung der Stromzufuhr (608,96 EUR) in Abzug gebracht worden sei.

Anlässlich der Gründung der Gesellschaft habe die Tante der Parteien ein Startkapital von 35.000 DM zinsfrei zur Verfügung gestellt. Der Betrag sollte binnen eines halben Jahres zurückgezahlt werden. Die Klägerin habe zwecks Rückzahlung Überweisungsscheine von je 17.500 DM ausgefüllt und unterfertigt. Der Beklagte habe die Überweisungen gegengezeichnet und den Betrag auf je 18.000 DM erhöht, um damit Zinsen für die Tante zu bezahlen, die ursprünglich nicht vereinbart worden seien.

Da seit Anfang 2001 gespannte Beziehungen zwischen den Parteien bestanden hätten und die Klage bereits ein halbes Jahr nach Gründung der Gesellschaft eingebracht worden sei, seien Überlegungen angestellt worden, dass die Mutter allenfalls ihre Tätigkeit als Betriebsleiterin einstelle. Für ein solches Ausscheiden habe der Beklagte einer Thekenkraft unverbindlich in Aussicht gestellt, die Stelle eines Betriebsleiters übernehmen zu können. Dieses Gespräch sei ohne Absprache mit der Klägerin erfolgt.

Ohne Absprache mit der Klägerin habe der Beklagte im Jänner 2001 eine Registrierkasse um 699 EUR sowie fünf Additionsrollen um 20,75 DM und ein Farbband um 90,95 DM bestellt. Die Bestellung sei namens der Gesellschaft erfolgt, um dadurch einen günstigeren Preis zu erzielen. Der Beklagte habe auch angenommen, dass die Registrierkasse samt Zubehör von der Gesellschaft selbst verwendet werden könnte. Es habe nie die Absicht bestanden, dass der Beklagte die Gegenstände für sich in Anspruch nehme und über die Gesellschaft bezahlen lasse.

Am 11. 4. 2002 sei die Hassbeziehung zwischen dem Beklagten und seinem Vater eskaliert. Es sei zu einem Raufhandel gekommen. Es stehe nicht fest, wer damit begonnen habe. Der Vater habe Prellungen erlitten, was zu einer Anzeige bei der Gendarmerie geführt habe.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, dass die Gesellschaft durch einen zu geringen Arbeitseinsatz des Beklagten finanziellen Schaden erlitten habe. Es sei nicht Sache eines Geschäftsführers, die täglichen Arbeiten in einem Gasthausbetrieb selbst zu verrichten, wenn entsprechend geschultes Personal zur Verfügung stehe. Der Beklagte habe zwar wesentlich weniger Arbeitseinsatz als die Klägerin gezeigt. Über den Arbeitseinsatz seien aber auch keine konkreten Vereinbarungen getroffen worden, gegen die der Beklagte verstoßen hätte können. Konkrete und gewichtige Verfehlungen könnten dem Beklagten nicht vorgeworfen werden. Dies gelte ebenso für die verspätete Überweisung der gepfändeten Pachtzinse an das Finanzamt, wie für die Darlehensrückzahlung an die Tante, die Bestellung einer Registrierkasse und den Abschluss eines Zessionsvertrages. Durch diesen sei der Gesellschaft nicht nur kein Schaden entstanden, die Konstruktion habe vielmehr dazu geführt, dass die Gesellschaft Geld zurückerhalten habe, welches vom Vater nicht zu erlangen gewesen wäre. Da die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe keine Abberufungsgründe darstellten, seien Feststellungen über ein allfälliges Fehlverhalten der Klägerin entbehrlich.

Der begehrte Ausschluss des Beklagten als Gesellschafter sei nach der Rechtsprechung nicht möglich.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass dem Klagebegehren auf Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer sowie auf Entzug der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht stattgegeben, das Mehrbegehren auf Ausschluss des Beklagten als Gesellschafter hingegen abgewiesen wurde.

Das Berufungsgericht beurteilte den Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass gemäß § 16 Abs 2 GmbH ein Geschäftsführer, der Gesellschafter einer Gesellschaft mbH sei, aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden könne. Dabei seien die §§ 117 und 127 HGB sinngemäß anzuwenden. Das HGB führe insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und Vertretung als Abberufungsgründe an. Ein wichtiger Grund liege nur dann vor, wenn das weitere Verbleiben des Gesellschafters in seiner Stellung als Geschäftsführer und unter Abwägung der Interessen sämtlicher Gesellschafter den anderen Gesellschaftern nicht mehr zumutbar sei, weil andernfalls die Gesellschaft erheblich gefährdet wäre. Es sei auch auf das Verhalten des Mitgesellschafters Bedacht zu nehmen. Grundsätzlich genüge auch ein wichtiger Grund zur Abberufung. Wichtige Gründe für die Abberufung seien beispielsweise Pflichtverletzungen bei der Buchführung, Unredlichkeiten, Vernachlässigung der Geschäftsführung, verbotene Insichgeschäfte, Vertrauensunwürdigkeit, Übertretung von Weisungen, Nichtbeachtung von Mitwirkungsrechten anderer Geschäftsführer oder Gesellschafter, Blockierung der Geschäftsführung, Unterlassung der zur Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Tätigkeit und Weigerung zur Pflichterfüllung. Wenn zwei oder mehrere Geschäftsführer untereinander so zerstritten seien, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich sei, könne jeder von ihnen aus wichtigem Grund abberufen werden, wenn er zum Zerwürfnis beigetragen habe.

Die Streitteile seien unzweifelhaft so zerstritten, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich sei. Dazu habe auch der Beklagte beigetragen, indem er bei der Rückzahlung des Darlehens ohne Absprache mit der Klägerin auch eine Mehrzahlung von 1.000 DM an Zinsen geleistet habe, dies sei ein grober Vertrauensbruch. Dies gelte auch für die Bestellung einer Registrierkasse ohne Absprache mit der Klägerin und die Zessionsvereinbarung vom 17. 5. 2001 in Form eines Insichgeschäftes, auch wenn dieses letztlich nicht unbedingt zum Nachteil der Gesellschaft gewesen sei. Der Beklagte wäre aber entsprechend seiner Treuepflicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über die Vorgangsweise zu informieren. Die angeführten Verhaltensweisen rechtfertigten die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer. Es komme nicht mehr darauf an, ob auch die Klägerin durch ihr Verhalten wichtige Gründe für ihre Abberufung gesetzt habe.

Die Abweisung des Klagebegehrens auf Ausschluss des Beklagten aus der Gesellschaft sei im Sinne der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (SZ 69/37 ua) zu bestätigen. In der Satzung der Gesellschaft sei ein Ausschluss eines Gesellschafters nicht vorgesehen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage fehle, ob ein Zerwürfnis unter den Geschäftsführern einer Gesellschaft mbH einen Abberufungsgrund darstelle.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Gemäß § 16 Abs 2 GmbHG kann ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden. Wenn er zugleich Gesellschafter ist, sind die §§ 117 und 127 HGB sinngemäß anzuwenden. Mit dieser Anwendbarkeitserklärung sollte alles, was Lehre und Rechtsprechung zur Abberufung im Recht der OHG entwickelt haben, auch für die Gesellschaft mbH gelten (RIS-Justiz RS0059422), insbesondere was als wichtiger Grund für die Rechtfertigung der Abberufung zu verstehen ist (RS0059537). Der wichtige Grund muss nicht persönlich verschuldet sein. Auch unverschuldete Umstände (dauernde Krankheit; verminderte Leistungsfähigkeit) können zur Abberufung führen (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht2 Rz 2/616).

Das Gesetz definiert die wichtigen Gründe nicht näher und nennt allgemein nur die grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§ 117 HGB). Das Berufungsgericht hat zutreffend aus der reichhaltigen Kasuistik in der juristischen Praxis zitiert (dazu Reich-Rohrwig aaO und Koppensteiner, GmbHG2 Rz 10 zu § 16 jeweils mwN).

Ein Abberufungsgrund liegt nur vor, wenn durch das Verhalten des Geschäftsführers die Belange der Gesellschaft gefährdet wären oder die Beibehaltung des Geschäftsführers in seiner Funktion dem anderen unzumutbar wäre (Reich-Rohrwig aaO; Koppensteiner aaO; SZ 61/260). Bei der Prüfung dieser Fragen hat eine Abwägung der Interessen aller Gesellschafter stattzufinden und es ist auf das Verhalten der Mitgesellschafter Bedacht zu nehmen (SZ 63/86).

Gesellschafter haben die Interessen der Gesellschaft, daneben aber auch die persönlichen Interessen der übrigen Gesellschafter zu beachten, soweit dies vom Gesellschaftszweck und der Zusammenarbeit der Gesellschafter erfordert wird (SZ 60/285). Dieser Grundsatz muss auch für den Gesellschafter-Geschäftsführer gelten.

2. Das Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der §§ 117 und 127 HGB hat schon nach der allgemeinen Beweislastgrundregel (dazu Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 11 vor § 266 mwN) die Klägerin zu beweisen.

Den Abberufungsgrund einer strafbaren Handlung gegenüber einem Familienmitglied hat die Klägerin nicht nachgewiesen. In einer "personalistischen" Kapitalgesellschaft (hier eine "Familiengesellschaft mbH") ist auf persönliche Umstände Rücksicht zu nehmen. Die mangelnde Feststellbarkeit über den näheren Sachverhalt beim Raufhandel des Beklagten mit seinem Vater und die Ursachen dieses Raufhandels geht zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin.

Gleiches gilt für den auf zu geringe Arbeitsleistungen des Beklagten gestützten Abberufungsgrund. Von einer groben Pflichtverletzung kann schon mangels festgestellter konkreter Vereinbarung über die von den Geschäftsführern zu erfüllenden einzelnen Aufgaben, über die Anwesenheitsdauer im Betrieb sowie über die Entlohnung der Geschäftsführertätigkeit und die Gewinnverteilung nicht ausgegangen werden.

An der Beweislast scheitert die Klägerin auch mit ihrem Vorwurf der "Schlamperei" bei der Behandlung des vom Beklagten unstrittig übernommenen Pfändungsbescheids und der Bezahlung der Pachtzinsforderungen an den Vater. Die Negativfeststellung des Erstgerichtes geht zu ihren Lasten.

Zur freiwilligen Bezahlung von 1.000 DM an Zinsen an die Tante der Parteien: Der Beklagte hat als Geschäftsführer der Gesellschaft über einen in Anbetracht der Größe des Unternehmens jedenfalls vernachlässigbaren Betrag verfügt. Warum er dazu nicht auch ohne Rücksprache mit der Klägerin berechtigt gewesen sein sollte, legt diese nicht dar, insbesondere auch nicht, ob und bejahendenfalls warum sie bei entsprechender Information der Gewährung von Zinsen an die Tante nicht zugestimmt hätte. Immerhin handelt es sich bei der Darlehensgeberin um eine nahe Verwandte und der Beklagte hat in Anerkennung einer moralischen Verpflichtung keineswegs verwerflich gehandelt. Dass die gewährten Zinsen die banküblichen Zinsen überstiegen, ist nicht erwiesen. Im Gegensatz zur Meinung des Berufungsgerichtes kann nicht von einem "groben Vertrauensbruch", sondern nur von einem der Gesellschaft entstandenen Bagatellschaden die Rede sein.

In gleicher Weise ist die für den eigenen Betrieb gedachte Anschaffung einer Registrierkasse im Namen der Gesellschaft zu beurteilen. Eine Schädigung der Gesellschaft war nach den Feststellungen vom Beklagten nicht beabsichtigt worden. Er wollte lediglich die für die Gesellschaft gültigen günstigeren Einkaufsbedingungen nutzen und dachte überdies auch an eine Verwendung durch die Gesellschaft mbH.

Schließlich war auch die in Form eines Insichgeschäfts ohne Absprache mit der Klägerin erfolgte Inkassozession nicht gesellschaftsschädigend, sie wirkte sich vielmehr im Ergebnis für die Gesellschaft sogar günstig aus, weil dadurch die ansonsten uneinbringliche Gesellschaftsforderung (Rückforderung der Pachtzinse) einbringlich gemacht werden konnte. Damit konnten die bei der Behandlung der Forderungspfändung durch das Finanzamt unterlaufenen Fehler - von denen nicht feststeht, dass sie der Beklagte zu verantworten hat - korrigiert werden.

Die soeben behandelten drei Vorwürfe begründen weder einzeln, noch in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Grund zur Abberufung des beklagten Gesellschafter-Geschäftsführers. Nach den eingangs wiedergegebenen Grundsätzen muss das Verhalten des abzuberufenden Geschäftsführers so schwerwiegend sein (§§ 117 und 127 HGB sprechen demonstrativ von grober Pflichtverletzung), dass bei Fortdauer der Tätigkeit als Geschäftsführer einerseits die Interessen der Gesellschaft erheblich gefährdet wären und (oder) andererseits die Fortsetzung dem (den) anderen Gesellschafter(n) nicht mehr zumutbar wäre (SZ 63/86). Beides ist nach den Feststellungen zu verneinen. Die angeführten Voraussetzungen müssen aber auch vorliegen, wenn man die abschließend zu behandelnde Frage bejaht, dass schon ein - wenn auch unverschuldetes - Zerwürfnis der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer zur Abberufung eines der beiden Geschäftsführer ausreicht:

3. In der vom Berufungsgericht zu diesem Thema zitierten Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs vom 24. 2. 1992, II ZR 79/91, BB 1992, 802, wurde zwar unter Hinweis auf eine Vorentscheidung des BGH ausgeführt, dass jeder von mehreren Geschäftsführern abberufen werden kann, wenn zwei oder mehrere Geschäftsführer untereinander so zerstritten sind, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist und der Abzuberufende durch sein, wenn auch nicht notwendigerweise schuldhaftes Verhalten, zu dem Zerwürfnis beigetragen hat. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es vor allem um gesellschaftsschädigendes Verhalten des Geschäftsführers gegenüber Kunden der Gesellschaft. Aus der Entscheidungsbegründung geht hervor, dass der Gerichtshof bloß intern bleibende Meinungsverschiedenheiten nicht als Abberufungsgrund gewertet wissen wollte. Jedenfalls setzt die Anerkennung eines Zerwürfnisses unter Gesellschafter-Geschäftsführern als Abberufungsgrund voraus, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich - also unzumutbar - ist. Dazu ist bei der schon angeführten Interessenabwägung das Gesamtverhalten aller beteiligten Gesellschafter zu berücksichtigen. Diese Abwägung geht aus folgenden Gründen zu Lasten der Klägerin aus.

Für eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Geschäftsführungstätigkeit des Beklagten führte die Klägerin keine tauglichen Argumente an. Die relevierten Abberufungsgründe sind - wie schon ausgeführt - für sich nicht schwerwiegend. Dazu kann auf die Einschätzung der Klägerin in ihrer Parteienvernehmung verwiesen werden, die selbst zunächst eine gute Zusammenarbeit mit dem Bruder einräumte und dann wörtlich ausführte: "Es sind dann eben viele Kleinigkeiten geschehen, welche das Verhältnis zwischen meinem Bruder und mir getrübt haben. Keine große Sache, eben viele Kleinigkeiten, wie sie eben nun auch Gegenstand dieses Verfahrens sind". Dass das auf "Kleinigkeiten" zurückzuführende gestörte Verhältnis nicht korrigert werden könnte und dass die Belassung des Beklagten als Geschäftsführer jedenfalls unzumutbar wäre, ist nicht anzunehmen. Es ist daher der im Rahmen der rechtlichen Beurteilung vom Berufungsgericht ohne konkrete Beweisgrundlage getroffenen Feststellung entgegenzutreten, die Streitteile seien untereinander so zerstritten, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich sei. Die tatsächlichen Feststellungen tragen diese Beurteilung nicht. Die Klägerin hat vielmehr selbst zum Zerwürfnis der Parteien beigetragen, indem sie im Einvernehmen mit dem Vater namens der Gesellschaft und zu Lasten ihres Bruders den Teil der Bestandliegenschaft aufkündigte, auf dem der Beklagte seinen eigenen Betrieb führte. Einen weiteren "feindseligen" Akt hat sie durch die Unterbindung der Stromzufuhr für den Betrieb des Beklagten gesetzt.

4. Bei Würdigung der gesamten Umstände und der Interessen der Gesellschaft und beider Gesellschafter ist daher aus den dargelegten Gründen der Rechtsansicht des Erstgerichtes beizupflichten, dass für die schwerwiegende und erheblich in die Rechtssphäre des 50 %-Gesellschafters eingreifende Abberufung als Geschäftsführer keine ausreichenden Gründe vorliegen.

Die Entscheidung über die Kosten beider Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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