OGH 4Ob88/03z

OGH4Ob88/03z20.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Johann S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz & Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Robert H***** als Masseverwalter im Konkurs der A***** GmbH, *****, 2. Markus B*****, vertreten durch Dr. Alexander Milavec, Rechtsanwalt in Wien, 3. Mag. Axel M*****, vertreten durch Dr. Peter Kisler & DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, 4. Wolfgang Z*****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon Rechtsanwälte KEG in Wien, 5. Sonja M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, 6. Inge S*****, vertreten durch Dr. Josef Goja, Rechtsanwalt in Salzburg, 7. Richard V*****, vertreten durch Dr. Werner Weidinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen (in Ansehung der Erstbeklagten) Aufhebung eines Vertrags (Streitwert 2.332,83 EUR) und (in Ansehung der zweit- bis siebentbeklagten Partei) insgesamt 33.429,50 EUR sA (Rechtsmittelinteresse 13.371,80 EUR sA), über den Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. Jänner 2003, GZ 1 R 230/02b-49, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 26. September 2002, GZ 4 Cg 60/01i-44, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Erstbeklagten die mit 333,12 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 55,52 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

In der außerordentlichen Generalversammlung der A***** GmbH vom 21. 12. 2000 wurde beschlossen, das Stammkapital von 70.000 EUR auf 116.656,66 EUR zu erhöhen. Unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen Gesellschafter wurden 18 neue Gesellschafter zugelassen.

Der Kläger war einer dieser neuen Gesellschafter. Er übernahm einen Anteil von 2.332,83 EUR und zahlte neben dem Nominalbetrag noch ein Agio von 31.096,67 EUR, somit insgesamt 33.429,50 EUR. Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 9. 4. 2001, 23 S 163/01t-5, wurde der Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Erstbeklagte zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger begehrt die Aufhebung des zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin zustandegekommenen Vertrags, in eventu die Feststellung, dass dieser Vertrag nichtig sei. Er begehrt weiters, die zweit- bis siebentbeklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihm 33.429,50 EUR sA zu zahlen, die zweit- bis sechstbeklagten Parteien jedoch höchstens je 6.685,50 EUR sA. Der Kläger mache gegen den Erstbeklagten in erster Linie seinen Rechtsgestaltungsanspruch wegen Aufhebung des Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes und wegen Wandlung geltend. Im Hinblick auf die 6-monatige Gewährleistungsfrist müsse dieser Anspruch mit Klage geltend gemacht werden. Den Leistungsanspruch habe der Kläger im Konkursverfahren angemeldet. Das auf § 879 ABGB gestützte Eventualfeststellungsbegehren sei über den Rechtsstreit hinaus von Bedeutung, weil die Aufhebung oder Nichtigkeit des Vertrags Grundlage der Bereicherungsansprüche gegen die Altgesellschafter, aber auch Grundlage der Leistungsansprüche gegen die Gesellschaft sei. Seinen Anspruch gegen die Altgesellschafter stützte der Kläger primär auf Bereicherung. Die Altgesellschafter seien durch die Rückzahlung von Bankkrediten mit den durch die Kapitalerhöhung aufgebrachten Mitteln von ihrer Haftung als Bürgen und Zahler freigeworden und dadurch bereichert. Als "Eventualvorbringen" machte der Kläger geltend, dass ihm der Zweit-, Dritt- und Viert- sowie die Fünft- und Sechstbeklagte auch aus dem Titel des Schadenersatzes hafteten. Gegen den Siebentbeklagten stütze der Kläger sein Begehren nur auf den Titel des Schadenersatzes.

Der Zweit-, der Dritt-, der Viert- und der Siebentbeklagte erhoben die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Der Zuständigkeitsstreit ist nunmehr rechtskräftig erledigt (4 Ob 169/02k).

Der Erstbeklagte beantragt, die gegen ihn erhobene Klage im Hinblick auf die Prozesssperre des § 6 KO zurückzuweisen (ON 41).

Das Erstgericht hob das Verfahren "zwischen Kläger und Erstbeklagtem" ab Klagezustellung als nichtig auf und wies die Klage zurück. Der Kläger habe - wie schon in der Klage angekündigt - im Konkursverfahren den Leistungs-(Rückabwicklungs-)anspruch von 33.429,50 EUR zuzüglich 404,30 EUR Zinsen bis zur Konkurseröffnung angemeldet. Die Forderungsanmeldung sei einen Tag nach der allgemeinen Prüfungstagsatzung eingelangt; eine nachträgliche Prüfungstagsatzung habe bisher nicht stattgefunden. Der Masseverwalter habe in seinen Berichten angekündigt, die Forderung nicht zu bestreiten. Die Prozesssperre der §§ 6, 7 KO gelte sowohl für Leistungs- als auch für Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsansprüche. Der Kläger könne aus seinem Gestaltungsrecht Leistungsansprüche auf Rückabwicklung ableiten (was er auch getan habe). Ob das Rechtsgestaltungs- oder das Feststellungsbegehren berechtigt sei, sei eine Vorfrage für die Prüfung des Leistungsanspruchs. Ein eigener, der Prüfung vorgelagerter Rechtsgestaltungs- oder Feststellungsprozess gegen den Masseverwalter sei entbehrlich und unzulässig.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Geltendmachung des Wandlungsanspruchs und des Anspruchs gemäß § 934 ABGB setze im Regelfall eine richterliche Rechtsgestaltung voraus. Das Leistungsurteil sei selbst dann ein Rechtsgestaltungsurteil, wenn es in seinem Spruch nur die aus der Aufhebung des Vertrags abgeleiteten Leistungsansprüche zuerkenne. Ein Leistungsbegehren schließe daher in derartigen Fällen immer ein Rechtsgestaltungsbegehren in sich. Ein Rechtsgestaltungsbegehren sei nur erforderlich, wenn der Verkäufer zu keiner Leistung verpflichtet sei. Werde die Aufhebung eines mit der Gesellschaft geschlossenen Übernahmevertrags begehrt und gleichzeitig die Rückzahlung des Kapitalanteils verlangt, so genüge die Forderungsanmeldung im Konkurs. Die klageweise Geltendmachung des Rechtsgestaltungsbegehrens gegen den Masseverwalter zusätzlich zur Forderungsanmeldung im Konkurs sei unzulässig. Sie sei auch zur Fristwahrung nicht erforderlich. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Forderungsanmeldung allenfalls auch ein Rechtsgestaltungsbegehren enthalten könne, so sei die Klage dennoch unzulässig. Ihr stehe entgegen, dass der Masseverwalter die Konkursforderung noch nicht bestritten habe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss gerichtete Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht geltend, dass es zu keiner richterlichen Rechtsgestaltung komme, wenn der Masseverwalter seinen Leistungsanspruch anerkenne. Damit würde "ihm jegliche Möglichkeit zur Geltendmachung seiner bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsansprüche gegen die Altgesellschafter aufgrund deren Durchgriffshaftung wegen qualifizierter Unterkapitalisierung genommen".

Der Kläger verkennt damit das Wesen eines Anspruchs auf Rückzahlung eines Betrags wegen Wandlung des zugrunde liegenden Vertrags oder wegen dessen Aufhebung nach § 934 ABGB. Dieser Anspruch setzt immer eine Rechtsgestaltung voraus (Reischauer in Rummel, ABGB³ § 932 Rz 3; § 934 Rz 7, jeweils mwN), die aber nicht unbedingt in einem Rechtsgestaltungsklagebegehren ihren Niederschlag finden muss (3 Ob 20/97f = JBl 1997, 791 mwN; ebenso die neuere Rechtsprechung zur Gläubigeranfechtung 7 Ob 507/87 = SZ 60/21 ua). Auch wenn daher nur die Rückzahlung eines Betrags aus dem Rechtsgrund der Wandlung oder Aufhebung des Vertrags nach § 934 ABGB begehrt wird, ist der Vertrag mit der Rechtskraft des stattgebenden Urteils aufgehoben.

Befindet sich der Schuldner im Konkurs und kann der Anspruch daher nur durch Anmeldung der Forderung im Konkurs geltend gemacht werden, so kommt es für den Eintritt der Gestaltungswirkung auf das Verhalten des Masseverwalters an. Bestreitet er die Forderung und kommt es zu einem Prüfungsprozess wirkt das stattgebende Urteil im Prüfungsprozess rechtsgestaltend. Bestreitet der Masseverwalter die Forderung nicht, so kommt der Feststellung der Forderung im Konkurs (§§ 108, 109 KO) rechtsgestaltende Wirkung zu (zur Wirkung der Feststellung gemäß § 109 Abs 1 KO als Entscheidungssurrogat (s 8 Ob 312/98k = SZ 73/21).

Der Kläger hat nicht etwa auf einen Leistungsanspruch gegen den Beklagten verzichtet, sondern vielmehr - wie in der Klage angekündigt (S 23) - seinen Anspruch auf Rückzahlung des von ihm geleisteten Betrags im Konkurs angemeldet. Ein mit Klage gegen den Masseverwalter geltend gemachtes gesondertes Begehren auf Aufhebung des Vertrags ist weder notwendig noch zulässig. Die durch den Masseverwalter vertretene Masse kann nämlich - außerhalb eines Prüfungsprozesses, der jedoch die Anmeldung der Forderung und deren Bestreitung durch den Masseverwalter voraussetzt (§ 110 KO) - nur geklagt werden, wenn es sich um nicht auf Leistung gerichtete Ansprüche handelt (Konecny in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 102 KO Rz 18 mwN). Ein Begehren auf Aufhebung eines Vertrags verwandelt sich mit Konkurseröffnung in einen Geldanspruch, der gemäß § 14 KO mit dem Schätzwert anzumelden ist (vgl ÖBl 1989, 144 - Großer Schuhverkauf; SZ 61/51; Schubert in Konecny/Schubert § 6 Rz 10); insoweit besteht - bis zu einer Bestreitung durch den Masseverwalter - Unzulässigkeit des Rechtswegs (EvBl 2002/194 mwN).

Die Befürchtung des Klägers, ein Ausschluss der gesonderten Geltendmachung des Aufhebungsbegehrens würde "die Judikatur zur Haftung der Altgesellschafter im Rahmen der Durchgriffshaftung in den Fällen qualifizierter Unterkapitalisierung konterkarieren", erscheint nicht gerechtfertigt. Die Durchgriffshaftung wird aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht (Koppensteiner, GmbH-Gesetz² § 61 Rz 35 ff); ein gegen die Altgesellschafter gerichteter Schadenersatzanspruch besteht - wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind - unabhängig davon, ob der mit der Gesellschaft geschlossene Vertrag aufgehoben wird.

Der Revisionsrekurs musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte