OGH 1Ob87/03f

OGH1Ob87/03f29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Mag. Dr. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Peter Hoffmann-Ostenhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.518,20 EUR sA (33 Cg 153/97) und 16.135,88 EUR sA (33 Cg 40/98) infolge Antrags der beklagten Partei auf Zulassung deren außerordentlichen Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. September 2002, GZ 4 R 111/02a-80, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der als Rechtsmittel gegen den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 28. Jänner 2003 zur AZ 1 Ob 301/02z aufzufassende Antrag der beklagten Partei auf Zulassung ihrer außerordentlichen Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. September 2002, GZ 4 R 111/02a-80, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei nahm die beklagte Partei mit zwei beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klagen in Anspruch. Im Verfahren 33 Cg 153/97t begehrte sie 10.518,20 EUR sA, im Verfahren 33 Cg 40/98 dagegen 16.135,88 EUR sA. Mit Beschluss vom 30. 10. 1998, GZ 33 Cg 40/98-6, verband das Erstgericht beide Verfahren (offenkundig) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Mit Urteil vom 22. 1. 2002, GZ 33 Cg 153/97t-74, erkannte das Erstgericht der klagenden Partei 4.183,41 EUR sA im Verfahren 33 Cg 153/97t und 16.135,88 EUR sA im Verfahren 33 Cg 40/98 zu. Das Kapital- und ein Zinsenmehrbegehren im Verfahren 33 Cg 153/97t sowie ein Zinsenmehrbegehren im Verfahren 33 Cg 40/98 wies es ab.

Gegen dieses Urteil erhoben beide Streitteile Berufung. Die klagende Partei beantragte, den Klagebegehren "vollinhaltlich" stattzugeben, die beklagte Partei strebte die gänzliche Abweisung beider Klagebegehren an.

Das Gericht zweiter Instanz gab in der Hauptsache keiner der Berufungen Folge. Teilweise stattgegeben wurde lediglich der Berufung der klagenden Partei im Kostenpunkt. Das Berufungsgericht sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dagegen wendete sich die "außerordentliche Revision" der beklagten Partei. Mit Verfügung vom 11. 12. 2002 (ON 82 verso) legte das Erstgericht dieses Rechtsmittel direkt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Daraufhin fasste der Oberste Gerichtshof zur AZ 1 Ob 301/02z den Beschluss, die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

Er brachte dabei folgende Rechtslage in Erinnerung:

"1. Hatte das Berufungsgericht - wie im Anlassfall - über verbundene Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, so ist die Zulässigkeit der Revision nach der Höhe des Entscheidungsgegenstands jedes einzelnen Rechtsstreits zu beurteilen (9 ObA 10/01p; 1 Ob 166/99i; Kodek in Rechberger, ZPO² § 502 Rz 1 mwN aus der Rsp). Es ist daher unwesentlich, ob die in den verbundenen Streitsachen geltend gemachten Ansprüche an sich in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stünden, weil deren Zusammenrechnung zur Ermittlung des Entscheidungsgegenstands jedenfalls nicht in Betracht kommt (1 Ob 166/99i).

2. Nach § 502 Abs 3 ZPO idF BGBl I 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert, über den das Berufungsgericht entschied, zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO - wie hier - für nicht zulässig erklärte. Unter solchen - in jeder der verbundenen Streitigkeiten erfüllten - Voraussetzungen kann eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses nur den gemäß § 508 Abs 2 erster Satz ZPO beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Ein derartiger Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Die beklagte Partei brachte ihre "außerordentliche Revision" rechtzeitig beim Erstgericht ein. Darin wird ua ausgeführt, warum die Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts als zulässig angesehen wird. Dem Rechtsmittel fehlt freilich ein Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO). Nach der voranstehend erörterten, seit geraumer Zeit geltenden, jedoch offenkundig sowohl dem Erstgericht als auch der beklagten Partei nach wie vor unbekannten Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Revisionen gegen Entscheidungen, die nach dem Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz nicht mit ordentlicher Revision bekämpfbar sind, gemäß § 507b Abs 2 ZPO sofort dem Berufungsgericht, nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Sollte das Erstgericht allerdings der Ansicht sein, einem solchen Vorgehen stehe der Mangel des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil sie sich - gleich den Revisionsausführungen zur Sache - (offenkundig) an den Obersten Gerichtshof wendet, so kann es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag erteilen. Sollte der Rechtsmittelwerber eine solche Verbesserung sodann verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (1 Ob 134/02s; 1 Ob 319/01w uva)."

Nach dieser Rechtsbelehrung beantragte die beklagte Partei, die Revision "neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen" und der Oberste Gerichtshof möge die außerordentliche Revision nunmehr doch zulassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Oberste Gerichtshof habe bei der Entscheidung 1 Ob 301/02z übersehen, dass "die beiden verbundenen Sachen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im Sinne gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN in Zusammenhang" stünden und daher "beide Streitwerte der verbundenen Verfahren zusammenzurechnen" seien. Der "offensichtliche Irrtum" des Obersten Gerichtshofs könne "die Annahmemöglichkeit der ao Revision durch den OGH nicht 'sperren'".

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Der erkennende Senat führte im Beschluss 1 Ob 301/02z unter 1. wörtlich aus:

"Hatte das Berufungsgericht - wie im Anlassfall - über verbundene Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, so ist die Zulässigkeit der Revision nach der Höhe des Entscheidungsgegenstands jedes einzelnen Rechtsstreits zu beurteilen (9 ObA 10/01p; 1 Ob 166/99i; Kodek in Rechberger, ZPO² § 502 Rz 1 mwN aus der Rsp). Es ist daher unwesentlich, ob die in den verbundenen Streitsachen geltend gemachten Ansprüche an sich in tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang stünden, weil deren Zusammenrechnung zur Ermittlung des Entscheidungsgegenstands jedenfalls nicht in Betracht kommt (1 Ob 166/99i)."

Die - gegen eine Rechtsbelehrung offenkundig resistente - beklagte Partei will nicht zur Kenntnis nehmen, dass eine Zusammenrechnung der Entscheidungsgegenstände der verbundenen Streitsachen, wie schon im Beschluss 1 Ob 301/02z ausgeführt wurde, auch im Fall eines tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhangs der geltend gemachten Ansprüche nicht in Betracht kommt. Deren Antrag, mit dem letztlich eine ersatzlose Behebung des Beschlusses 1 Ob 301/02z angestrebt wird, ist der Sache nach als Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aufzufassen. Da jedoch der Oberste Gerichtshof gemäß Art 92 Abs 1 B-VG die oberste Instanz in Zivil- und Strafsachen ist und dessen Entscheidungen im innerstaatlichen Instanzenzug nicht mehr überprüfbar sind, sondern die Rechtslage im entschiedenen Einzelfall endgültig klären (1 N 506/99 = EvBl 1999/139), sind Rechtsmittel gegen solche Entscheidungen unzulässig. Das Rechtsmittel der beklagten Partei ist somit zurückzuweisen.

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