OGH 1Ob22/03x

OGH1Ob22/03x29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Robert B*****, und 2. Peter E*****, beide vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagten Parteien 1. Bruno H*****, und 2. Walter R*****, beide vertreten durch Dr. Josef M. Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterfertigung einer Firmenbucheingabe (Streitwert 12.000 EUR) infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 8. Oktober 2002, GZ 5 R 19/02m-12, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Mai 2002, GZ 57 Cg 23/02x-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit 862,15 EUR (darin 143,69 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beiden Kläger und die beiden Beklagten sind gemäß der Eintragung in dem beim Erstgericht geführten Firmenbuch persönlich haftende Gesellschafter einer offenen Erwerbsgesellschaft (OEG). Diese Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. 3. 2001 gegründet. Im § 14 Abs 1 dieses Vertrags findet sich folgende mit "Schiedsgericht" überschriebene Regelung:

"Soweit dieser Vertrag nicht die Anrufung eines Schiedsgutachters vorsieht (§ 12 Abs 2), wird für alle Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag und aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, aber auch zwischen den Gesellschaftern untereinander, und zwar auch über das gültige Zustandekommen der Gesellschaft, deren Auflösung oder über das Ausscheiden von Gesellschaftern, die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes nach den Bestimmungen der österreichischen Zivilprozessordnung vereinbart."

Im Gesellschaftsvertrag fehlt der im § 14 Abs 1 zitierte Abs 2 des § 12.

Am 28. 6. 2001 unterfertigten die Streitteile folgende Vereinbarung:

"Austritt eines Gesellschafters

Hiermit erklären sich die Gesellschafter Walter R***** und Bruno H***** einverstanden, dass der die zwei Gesellschafter nachstehend genannt, Geschäftsführer Hr. Robert B***** und Peter E***** aus dem Gesellschaftsvertrag per sofort austreten. Sämtliche finanzielle und gesellschaftliche Rechte und Pflichten gegenüber der B***** & Partner OEG sind damit für Herrn B***** und Herrn E***** abgegolten. Die Gesellschafter verzichten auf die Konkurrenzklausel des bestehenden Gesellschaftsvertrages, der mit dem § 8 - Punkt 1 - 4 geregelt ist."

Die Kläger begehrten die Verpflichtung der Beklagten zur Unterfertigung einer - im Urteilsbegehren formulierten - Firmenbucheingabe, der einen von allen vier Parteien gestellten Antrag auf Löschung der Kläger als persönlich haftende Gesellschafter der im Firmenbuch eingetragenen OEG zum Inhalt hat. Sie brachten vor, sie seien am 28. 6. 2001 mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung der Beklagten aus dieser Gesellschaft ausgeschieden, und die OEG werde von den Beklagten fortgesetzt. Diese weigerten sich, an der Anmeldung des Ausscheidens der Kläger als Gesellschafter der OEG beim Firmenbuch mitzuwirken bzw eine entsprechende Eingabe zu unterfertigen. Zwischen den Streitteilen sei keine gültige Schiedsvereinbarung getroffen worden. Die im § 14 des Gesellschaftsvertrags enthaltenen Bestimmungen über die Einrichtung eines Schiedsgerichts seien nicht ausreichend bestimmt und unschlüssig. Im Übrigen verweise § 14 auf § 12 Abs 2 des Gesellschaftsvertrags, eine derartige Bestimmung sei aber nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen worden. Das Klagebegehren sei auch nicht vergleichs- und damit nicht schiedsfähig, denn die Pflicht des Gesellschafters einer Personengesellschaft, bei der Anmeldung von Eintragungen in das Firmenbuch mitzuwirken, stelle eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die für sich nicht vergleichsfähig sei, dar. Eine über die Kündigung der Personengesellschaft geführte Rechtsstreitigkeit sei wegen der zwingenden Bestimmung des Art 7 Nr 14 EVHGB nicht vergleichsfähig. Letztlich wäre eine allenfalls gültig getroffene Schiedsvereinbarung mit der einverständlichen Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses erloschen, weshalb die auf die "einverständliche Aufkündigung" gestützte Klage vor dem staatlichen Gericht erhoben werden könne.

Die Beklagten wendeten die Unzuständigkeit des Erstgerichts ein, weil die Streitteile im Gesellschaftsvertrag für Streitigkeiten über das Ausscheiden von Gesellschaftern die ausschließliche Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vereinbart hätten. Die im Gesellschaftsvertrag enthaltene Schiedsklausel sei hinreichend bestimmt und schlüssig. Gegenstand des Rechtsstreits sei nicht die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Anmeldung beim Firmenbuchgericht, sondern die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebende Pflicht zur Mitwirkung an der Anmeldung, die zivilrechtlicher Natur sei. Über diese Mitwirkungspflicht könne seitens der Parteien disponiert werden, weshalb der von den Klägern angestrebte Rechtsstreit schiedsfähig, das angerufene Erstgericht sachlich unzuständig und die Klage zurückzuweisen sei. Die Zustimmung des Erstbeklagten zum Austritt der Kläger aus der Gesellschaft sei nur bedingt erklärt und mangels Bedingungseintritts nie rechtswirksam geworden. Der behauptete Anspruch entbehre daher einer rechtlichen Grundlage.

Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück. Der Gesellschaftsvertrag und damit auch der Schiedsvertrag seien gültig zustandegekommen. Der gesamte Vertrag sei noch aufrecht, zumal die Gesellschaft von den Beklagten fortgesetzt werde. Die Schiedsvereinbarung sei weder unbestimmt noch unschlüssig. Der geltend gemachte Anspruch sei schiedsfähig, zumal die Pflicht eines Gesellschafters zur Unterfertigung einer Firmenbucheingabe eine privatrechtliche Verpflichtung darstelle, die vergleichsfähig sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige; der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Vom Inhalt der Schiedsvereinbarung seien auch alle Streitigkeiten über das Ausscheiden von Gesellschaftern umfasst. Die Schiedsklausel habe daher so lange zu gelten, als sich Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag, dessen Auflösung oder über das Ausscheiden von Gesellschaftern ergeben könnten. Die Schiedsklausel wirke infolge gültig zustandegekommenen Gesellschaftsvertrags auch über dessen materielle Geltungsdauer hinaus. Der Hinweis der Kläger auf Art 7 Nr 14 EVHGB versage, weil hier keine Kündigung, sondern eine Vereinbarung, nach der die Kläger aus der OEG ausscheiden, zu beurteilen sei. Das Ausscheiden von Gesellschaftern sei von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung ins Firmenbuch anzumelden. Jeder Gesellschafter könne jeden Mitgesellschafter durch Klage zur Mitwirkung verhalten. Damit bestehe neben der öffentlich-rechtlichen Anmeldepflicht auch eine zivilrechtliche Pflicht zur Anmeldung, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe. Die öffentlich-rechtliche Anmeldepflicht stehe der Disposition der Streitteile über die (zivilrechtlich zu beurteilende) Austrittsvereinbarung nicht entgegen. Der Streitgegenstand sei damit vergleichs- und schiedsfähig im Sinne des § 577 Abs 1 ZPO. Zufolge Vorliegens einer inhaltlich hinreichend bestimmten und nach wie vor aufrechten Schiedsklausel und unter Bedachtnahme darauf, dass der Klagsgegenstand schiedsfähig sei, sei die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts nicht gegeben und daher die Klage zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kläger ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Auch für die Auslegung von Schiedsvereinbarungen ist nach ständiger Rechtsprechung der Parteiwille maßgeblich. Entscheidend für die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist der Text der Schiedsvereinbarung unter Berücksichtigung vernünftiger und den Zweck der Vereinbarung begünstigender Auslegung (6 Ob 155/02s; ecolex 2001, 917 uva). Gemäß § 577 Abs 2 ZPO kann in einem Schiedsvertrag auch wirksam vereinbart werden, dass aus einem bestimmten Rechtsverhältnis künftig entstehende Streitigkeiten durch einen oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden sollen (1 Ob 126/00m).

Die Vorinstanzen haben in Anbetracht der festgestellten Schiedsklausel richtig erkannt, dass diese so lange gelten sollte, als sich Streitigkeiten aus dem Vertrag ergeben können, insbesondere auch solche über das Ausscheiden von Gesellschaftern, also auch über die Geltungsdauer des materiellen Vertrags hinaus (vgl SZ 58/60). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Streitigkeit von einem Schiedsgericht zu entscheiden ist oder nicht, kommt es auf den Grund der Beendigung der vertraglichen Beziehung an. Selbstverständlich liegt eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung dann nicht vor, wenn die Parteien den Vertrag rückwirkend einvernehmlich aufheben oder wenn sie einvernehmlich von dessen Nichtigkeit ausgehen. In einem solchen Fall mangelte es nämlich überhaupt an einer wirksamen Schiedsgerichtsvereinbarung (SZ 58/60; SZ 55/89). Nur insoweit teilt eine Schiedsklausel das rechtliche Schicksal des Hauptvertrags und fällt weg, wenn die Parteien diesen Hauptvertrag einverständlich außer Kraft setzen (immolex 2001, 133). Kommt es aber bei Vorliegen einer mit einem (ursprünglich) gültigen Hauptvertrag verbundenen Schiedsklausel zu Streitigkeiten unter anderem über die Beendigung (Auflösung) des Vertrags, dann wirkt eine "alle Streitigkeiten aus dem Vertrag", insbesondere auch solche über das Ausscheiden von Gesellschaftern, umfassende Schiedsklausel auch auf diese Streitigkeiten (vgl RdW 1997, 135; SZ 58/60; SZ 55/89). Bei vernünftiger Auslegung ist daher der Vertrag so zu verstehen, dass die Parteien jeglichen Streit aus dem Gesellschaftsverhältnis und insbesondere auch einen solchen über das Ausscheiden von Gesellschaftern von einem Schiedsgericht entscheiden lassen wollten.

Der Hinweis der Revisionsrekurswerber auf Art 7 Nr 14 EVHGB versagt: Weder der Gesellschaftsvertrag, insbesondere dessen Schiedsklausel, noch das Übereinkommen vom 28. 6. 2001 enthält eine Vereinbarung, durch die das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder in anderer Weise als durch Verlängerung der Kündigungsfrist erschwert würde. Nur eine solche Vereinbarung wäre aber mit Nichtigkeit bedroht, sodass Art 7 Nr 14 EVHGB hier nicht zur Anwendung kommt.

Die vorliegende Rechtssache ist - entgegen der Ansicht der Kläger - objektiv schiedsfähig, kann also Gegenstand einer Schiedsvereinbarung und damit eines Schiedsverfahrens sein. Einerseits könnte der hier anhängige Streit grundsätzlich zu einer Entscheidung des staatlichen Gerichts führen, der Rechtsweg wäre also nicht unzulässig. Andererseits liegt ein "vergleichsfähiger Gegenstand" vor, also ein Gegenstand, über den die Parteien zu disponieren fähig sind (vgl Fasching, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht, 15 ff). Die alle Gesellschafter einer OEG treffende öffentlich-rechtliche Verpflichtung, an einer Eintragung im Firmenbuch mitzuwirken, ist gewiss zwingend und im Wege des § 24 FBG auch erzwingbar. Davon zu unterscheiden ist allerdings die aus dem Gesellschaftsvertrag ableitbare Pflicht der Gesellschafter, an den erforderlichen Anmeldungen zum Firmenbuch mitzuwirken. Diese Mitwirkung kann jeder Gesellschafter von den anderen zur Anmeldung verpflichteten Gesellschaftern durch Klage begehren. Der öffentlich-rechtlichen Anmeldepflicht können nur Einwendungen entgegengesetzt werden, die sich gegen die Anmeldevoraussetzungen richten (WBl 2001, 42; SZ 72/139). Es kann keine Frage sein, dass die Angelegenheiten, bei denen das öffentliche Interesse oder der Schutz bestimmter Personengruppen im Vordergrund stehen, der Schiedsgerichtsbarkeit entrückt sind und sohin nicht Gegenstand einer Schiedsvereinbarung im Sinne des § 577 ZPO sein können. Insbesondere sind also Schiedsvereinbarungen unzulässig, bei denen das öffentliche Interesse so bedeutsam ist, dass die amtswegige Verfahrenseinleitung möglich oder geboten ist oder die amtwegige Beteiligung eines Vertreters der öffentlichen Interessen in Frage kommt bzw dass die Schiedsrichter eine Entscheidung oder Verfügung treffen müssten, die kraft ihrer Besonderheit nur ein mit staatlicher Autorität ausgestattetes Gericht fällen könnte (SZ 57/136; Fasching aaO 21 f; Backhausen, Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des Schiedsvertragsrechts, 112 f). Soweit aber die Parteien berechtigt sind, über den Streitgegenstand zu verfügen und Vergleiche abzuschließen, sind sie auch befugt, sich dem Spruch eines Schiedsgerichts zu unterwerfen (SZ 57/136). Ob nun im vorliegenden Fall die Pflicht der Beklagten zur Unterfertigung der geforderten Firmenbucheingabe besteht, hängt gewiss davon ab, ob tatsächlich eine (bedingungslose) Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses stattgefunden hat. Über diese für die Pflicht zur Unterfertigung der Firmenbucheingabe maßgebliche Frage können die Streitteile frei disponieren, der Gegenstand des Rechtsstreits ist somit auch "vergleichsfähig". Erst aus dieser allenfalls bestehenden, aus dem Gesellschaftsvertrag abzuleitenden Pflicht der Beklagten zur Unterfertigung der Firmenbucheingabe leitet sich die - nicht einem Vergleich zugängliche - öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Anmeldung zum Firmenbuch ab. Diese öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die durch § 24 FBG erzwingbar ist, ist aber hier nicht Streitgegenstand. Dass bei Bestehen der materiellrechtlichen Verpflichtung zur Unterfertigung der Firmenbucheingabe auch die öffentlich-rechtliche Pflicht der Anmeldung zum Firmenbuch besteht, wird im Übrigen von keiner der Parteien in Zweifel gezogen.

Die Vorinstanzen haben auf der Grundlage des gültig zustande gekommenen Gesellschafts- und Schiedsvertrags und unter Bedachtnahme auf die gegebene Schieds- und Vergleichsfähigkeit des Streitgegenstands zu Recht die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts verneint.

Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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