Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 366,43 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin EUR 61,07 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 702/1 der EZ *****). Dieses Grundstück gehört zum landwirtschaftlichen Anwesen U*****, das der Kläger "vor etwa drei Jahren" (1997; unwidersprochenes Vorbringen sowie offenes Grundbuch) kaufte. Die Erstbeklagte ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 1142 der EZ *****).
Das Anwesen U***** ist über eine geschotterte Straße erreichbar, die von B***** kommend zunächst öffentliches Gut ist und dann (in unverändertem Ausbauzustand) auf privatem Grund weiter bis zum Anwesen des Klägers verläuft. Durch die Liegenschaft des Klägers verläuft - etwa in rechtem Winkel zur genannten Straße - der sogenannte "R*****weg", ein unbefestigter, mit Traktoren und Traktorgespannen befahrbarer Wiesenweg, bei dem es sich um öffentliches Gut handelt. Die das Anwesen des Klägers erschließende Schotterstraße quert den R*****weg etwa fünf Meter innerhalb des klägerischen Grundstücks 702/1. Um von B***** kommend über die Schotterstraße den R*****weg befahren oder begehen zu können, muss daher die Schotterstraße über 5 Meter auf dem Grundstück des Klägers befahren werden.
Der Kläger begehrt, die Beklagten schuldig zu erkennen, das Begehen und Befahren der Privatstraße auf dem Grundstück 702/1 zu unterlassen.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor, das Recht zum Befahren der betroffenen Straßenstücks ersessen zu haben, das von ihnen und ihren Rechtsvorgängern seit mehr als 50 Jahren zur Bewirtschaftung des Grundstücks 1142 benützt werde. Hilfsweise werde auch Ersitzung in das öffentliche Gut behauptet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgendes fest:
Der R*****weg ist auf der "Österreichkarte 1:50000" als die Zufahrtsstraße zum Anwesen U***** querender Karrenweg eingezeichnet, die Zufahrtstraße selbst von B***** bis zum Anwesen U***** durchgehend als Fahrweg.
Das Grundstück Nr 1142 der Erstbeklagten ist ein Waldgrundstück. Der südliche Teil dieses Grundstücks wurde bis zu einer Geländekante über eine andere Zufahrtsmöglichkeit bewirtschaftet. Zur Bewirtschaftung des nördlichen Bereichs dieses Grundstücks (etwa ein Viertel oder ein Fünftel der Grundfläche) wurde "zumindest seit 1970" über die Schotterstraße (und damit 5 m über das Grundstück des Klägers) und über den R*****zugefahren. "Bis etwa 1970 wurde zum nördlichen Teil des Grundstückes 1142 auch über die sogenannte "S*****straße" zugefahren, was aber infolge einer großräumigen Hangrutschung nicht mehr möglich war".
Ob zum Zeitpunkt des Ankaufs der Liegenschaft durch den Kläger "besondere Hinweise vorhanden waren, die Rückschlüsse auf ein Befahren" des fünf Meter langen Wegstücks auf dem klägerischen Grundstück zur Erreichung des Grundstücks 1142 vorlagen, ist nicht feststellbar. Ebenso wenig ist feststellbar, ob und zu welchen Zeitpunkten dieser Bereich von der Öffentlichkeit benutzt wurde. Auf dieser Grundlage verneinte das Erstgericht unter Hinweis auf § 1500 ABGB die Verpflichtung des Klägers, anlässlich des Erwerbs der Liegenschaft Nachforschungen über das Bestehen einer (für ihn nicht erkennbaren Dienstbarkeit) anzustellen. Es erachtete daher das Klagebegehren als berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es erachtete als entscheidend, ob zum Zeitpunkt des Erwerbs des in Rede stehenden Grundstücks durch den Kläger von diesem Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden konnten, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten ließen. Diese Frage verneinte es mit der Begründung, dass konkrete Hinweise für eine Benützung der Schotterstraße zur Erreichung des R*****weges nicht feststellbar gewesen seien. Dass der R*****weg befahrbar sei, ändere daran nichts, weil angenommen habe werden können, dass er hauptsächlich in Längsrichtung befahren werde. Überdies müsse ein Grundstückserwerber bei der Besichtigung des zu erwerbenden Grundstücks die Erfordernisse der Instandhaltung, der Bewirtschaftung oder der Erreichbarkeit anderer Grundstücke nicht mit einbeziehen. Vielmehr müssten die Hinweise, die eine Nachforschungspflicht auslösen, auf dem zu erwerbenden Grundstück selbst vorhanden sein. Dazu komme, dass das Grundstück der Erstbeklagten dem klägerischen Grundstück gar nicht unmittelbar benachbart sei. Hinlängliche Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit des Grundbuchstandes seien daher für den Kläger nicht vorhanden gewesen, sodass er das Bestehen nicht verbücherter Benützungsrechte nicht habe vermuten müssen. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht ersichtlich seien.
Über Antrag des Klägers änderte das Berufungsgericht diesen Zulassungsausspruch in der Folge jedoch gemäß § 508 Abs 3 ZPO im Sinne der Zulassung der ordentlichen Revision ab. Dies begründete es damit, dass zu einem vergleichbaren Sachverhalt (Kreuzung eines über das Grundstück des Klägers führenden Schotterwegs mit einem im öffentlichen Gut befindlichen und in der österreichischen Karte als Karrenweg eingetragenen Wiesen- bzw. Karrenweg) nicht auffindbar sei und die zu lösende Rechtsfrage, ob der Erwerber eines Grundstücks unter diesen Umständen vermuten müsse, dass der über sein Grundstück führende Weg der Erreichbarkeit der nicht unmittelbar benachbarten Parzelle der Beklagten diene, von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragte, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht zulässig.
Vorweg ist festzuhalten, dass das Berufungsgericht zwar ausgesprochen hat, dass der Entscheidungsgegenstand EUR 4.000,- übersteigt; den durch § 500 Abs 2 Z 1 ZPO vorgeschriebenen Ausspruch darüber, ob der Entscheidungsgegenstand auch EUR 20.000,- übersteigt, hat es hingegen unterlassen. Dieser Umstand hindert jedoch die Entscheidung über das von den Beklagten erhobene Rechtsmittel unter den hier gegebenen Umständen nicht. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand EUR 20.000,-, ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels iSd § 502 Abs 1 ZPO jedenfalls vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage abhängig. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand EUR 20.000,- nicht, gilt nichts anderes, weil das Berufungsgericht iSd § 508 Abs 3 ZPO seinen ursprünglichen Zulassungsausspruch (der die absolute Unzulässigkeit der Revision zur Folge gehabt hätte) iS der Zulassung der Revision abgeändert hat, der Oberste Gerichtshof aber gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden ist. Da im Übrigen - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage die in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt, ist daher das Rechtsmittel in jedem Fall als unzulässig zurückzuweisen.
In der Sache ist von folgender Rechtslage auszugehen:
Ein neuer bücherlicher Eigentümer erwirbt frei von einer laufenden oder schon vollendeten Ersitzung, wenn er die Ausübung der Dienstbarkeit nicht kennen musste, also eine offenkundige Dienstbarkeit nicht vorlag (RIS-Justiz RS0034803; zuletzt etwa 5 Ob 283/00d). In Bezug auf Dienstbarkeiten hat das Grundbuch aber von vornherein eine geringere Aussagekraft, weil sich ihre Verbücherung nicht immer lückenlos durchführen lässt. Der Erwerber einer Liegenschaft ist allerdings nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Nachforschungen über die Richtigkeit des Grundbuchsstandes nur dann verpflichtet, wenn sich aus den besonderen Umständen Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchs ergeben (RIS-Justiz RS0034803; zuletzt etwa 5 Ob 283/00d). Nur dann also, wenn vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden können, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen, wird ein Vertrauen auf den Grundbuchstand oder die Zusage der Lastenfreiheit durch den Voreigentümer nicht geschützt (RIS-Justiz RS0034803; zuletzt etwa 5 Ob 283/00d).
Das Berufungsgericht hat diese Rechtslage richtig erkannt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ihre Anwendung auf den konkreten Einzelfall stellt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - von Fällen unvertretbarer Fehlbeurteilungen durch die zweite Instanz abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage dar (5 Ob 283/00d ua). Davon ist zunächst auch das Berufungsgericht ausgegangen. Die von ihm anlässlich der Abänderung vorgebrachten Argumente für die Zulässigkeit der Revision erschöpfen sich inhaltlich im Hinweis auf die besonderen Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalles. Sie unterstreichen nur, dass die hier zu treffende Entscheidung von der Kasuistik des zu lösenden Falles bestimmt ist, in ihrer Bedeutung über diesen Fall nicht hinausgeht und generalisierende Ausführungen des Obersten Gerichtshofs nicht erlaubt.
Eine dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende unvertretbare Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz ist hier nicht erfolgt.
Es trifft zwar zu, dass der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass schon das Vorhandensein von Fahrspuren für die Offenkundigkeit einer Wegedienstbarkeit ausreichen können (MietSlg. 32.031 ua). Diese Rechtsprechung ist aber mit dem hier zu beurteilenden Fall von vornherein nicht vergleichbar, weil der hier als Servitutsweg von den Beklagten in Anspruch genommene Bereich (5 m des den R*****weg querenden Schotterwegs) Teil der Zufahrt zum Anwesen des Klägers ist und daher für sich allein noch nicht eine Dienstbarkeit eines (nicht einmal unmittelbar benachbarten Dritten) vermuten lässt. Dass diese Zufahrt den R*****weg (öffentliches Gut) quert, hat das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung ohnedies berücksichtigt. Seine Auffassung, mangels Nachweises irgendwelcher konkreter Hinweise auf eine Benützung durch die (nicht unmittelbar benachbarten) Beklagten habe der Kläger daraus noch nicht das Bestehen einer Wegedienstbarkeit vermuten müssen, ist jedenfalls nicht unvertretbar und vermag daher die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Nichts anderes gilt für den vom Erstgericht festgestellten Umstand, dass beide Wege in der Österreichischen Karte (zu ergänzen: des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen) als Karren- bzw. als Fahrweg eingezeichnet sind, weil ja auch daraus nicht unbedingt geschlossen werden muss, dass die Zufahrt zum Anwesen U***** auch dazu benützt wird, den R*****weg zu erreichen und zu befahren. Diese Auffassung ist umso mehr vertretbar, als - wie die Revisionswerber selbst erkennen - der in Rede stehende Schotterweg im fraglichen Bereich nicht mehr ein öffentlicher Weg ist, sondern nur mehr dessen auf Privatgrund laufende Fortsetzung zum Anwesen des Klägers. Demgemäß ist auch der Einwand der Revisionswerber nicht berechtigt, dass nach der Ansicht des Berufungsgerichtes die "Kreuzung mit dem R*****weg ihrer Funktion entkleidet" wäre; weil es sich ja beim strittigen Schotterweg nach seiner offenkundigen Funktion nicht um einen Zubringer zum R*****weg sondern um die Zufahrt zum Anwesen des Klägers handelt.
Die von den Beklagten behauptete Ersitzung der Benützung des in Rede stehenden Wegstücks durch die Öffentlichkeit ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht bewiesen. Dass eine auf privatem Grund verlaufende Zufahrt schon deshalb als ersessen zu gelten hat, weil sie in einer Landkarte eingezeichnet ist, trifft nicht zu.
Da somit die hier zu beurteilenden Rechtsfragen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllen, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründen sich auf die §§ 41, 50 ZPO; der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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