OGH 2Ob41/02x

OGH2Ob41/02x7.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst D*****, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, gegen die beklagten Parteien 1. Erich M*****, und 2. Maria M*****, beide vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 10.799,35 infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 12. November 2001, GZ 2 R 178/01s-40, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Juni 2001, GZ 12 Cg 215/98p-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Parteien wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:

"Das Begehren der klagenden Partei, die beklagten Parteien seien schuldig, der klagenden Partei EUR 10.799,35 samt 4 % Zinsen ab 19. 6. 1997 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 3.443,62 (darin enthalten EUR 552,92 USt und EUR 126,09 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 1.802,87 (darin enthalten EUR 159,01 USt und EUR 848,82 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 1.894,71 (darin enthalten EUR 114,48 USt und EUR 1.167,93 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Johanna Brunhilde D***** kam am 31. 12. 1995 auf einem Waldweg infolge Schneeglätte zu Sturz. Sie begehrte von den Beklagten Zahlung von S 148.602,33. Die Beklagten betrieben eine Gastwirtschaft, zu welcher ein von ihnen gehaltener Waldweg führe. Auf die Gastwirtschaft werde durch Hinweistafeln hingewiesen. Die Beklagten hätten es unterlassen, für die Wintersicherheit des Weges zu sorgen, weil sie davon ausgehen hätten müssen, dass ihre Gäste den Weg nützten. Die Unterlassung der Streuung stelle ein grobes Verschulden dar. Darüber hinaus hafteten die Beklagten als Gastwirte auf Grund vorvertraglicher Verkehrssicherungspflichten.

Die Klägerin verstarb während des Verfahrens. Ihr Nachlass wurde ihrem Ehemann eingeantwortet; die Parteienbezeichnung ist nunmehr auf den Namen des Ehemannes berichtigt. In der Folge wird die Verletzte weiterhin als Klägerin bezeichnet.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der von ihnen gehaltene (Forst-)Weg sei 1,3 km lang. Eine gänzliche Räumung, Streuung und Enteisung dieses Weges sei unzumutbar; auch nach den Grundsätzen der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten sei es nur zumutbar, unmittelbar vor dem Gasthof entsprechende Verkehrssicherungsmaßnahmen zu setzen.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Es ging von folgenden Feststellungen aus:

Die Beklagten betreiben in ruhiger abgelegener Lage in der Oststeiermark einen Gasthof, der durch eine ca. 1,3 km lange asphaltierte Zufahrtstrecke von der Hauptstraße her erreichbar ist. Dieser Weg ist auch als Wanderweg des Naturparks P***** gekennzeichnet. Der Gasthof liegt in einem Wandergebiet und ist von diversen Güter- und Forstwegen umgeben, die teilweise in die Zufahrtsstraße einmünden. Der Gasthof wird als Saisonbetrieb geführt und ist jeweils von Ostern bis Allerheiligen und von Anfang Dezember bis etwa 10. Jänner geöffnet. Zum Gasthof gelangt man entweder über eine Gemeindestraße, die im Winter regelmäßig geräumt und gestreut wird, oder über einen 1,3 km langen Privatweg, der von der Gemeindestraße abzweigt und zum Gasthof führt. Die Beklagten haben letzteren Weg zum Zweck der Forstaufschließung errichtet. Er ist mit Schotter befestigt, etwa 3 m breit und fällt in Richtung Gasthof mit einem Gefälle von ca 10 % ab. Die Beklagten sind Halter dieses Weges; in diesen mündet ein durch den Wald führender Wanderweg ein. Im Bereich der Einmündung sowie im Bereich der Abzweigung des Weges von der Gemeindestraße ist jeweils ein Hinweis mit der Aufschrift "Gasthof Pension Waldhof M*****" und einem Richtungspfeil aufgestellt. Der Weg ist in den Naturpark P***** einbezogen und daher Naturparkweg. Für den Weg gibt es keinen Winterdienst, er wird nur gelegentlich geräumt, wenn sehr viel Schnee liegt, jedoch nicht gestreut. Die Klägerin und ihr Ehemann verbrachten das Silvesterwochenende 1995 in einem Ferienhaus in S*****. Am späteren Nachmittag des 31. 12. brachen sie in Richtung des von den Beklagten betriebenen Gasthofes auf, um dort zu essen. Ihr Vermieter hatte ihnen den Gasthof empfohlen und den Weg dorthin beschrieben. Bis dahin war den Eheleuten der Gasthof wie der Weg dorthin unbekannt. Beide trugen winterfestes Schuhwerk, die Klägerin überknöchelhohe Schnürschuhe mit Gummiprofilsohle. Sie wanderten zunächst durch den Wald und kamen dann auf den durch ein Hinweisschild gekennzeichneten Forstweg. Der Weg war geräumt, schneebedeckt und nicht gestreut. Unter der dünnen Schicht frischen Schnees war der Weg glatt und eisig. Beide gingen vorsichtig am Rand des Weges in einer Kurve. Einige hundert Meter vom Gasthof entfernt verlor die Klägerin den Halt, kam zu Sturz und verletzte sich am rechten Bein.

Das Erstgericht erörterte im Wesentlichen rechtlich, dass durch das Aufstellen der Hinweistafeln bzw Wegweiser zum Gasthof die Anbahnung eines geschäftlichen Kontaktes erfolgt sei, weshalb das Vorliegen vorvertraglicher Schutz- und Verkehrssicherungspflichten zu bejahen sei. Die Beklagten hafteten als Gastwirte für die Sicherheit des Zuganges für den Gasthof nach vertraglichen Grundsätzen und nicht bloß gemäß § 1319a ABGB für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Sie hätten den unter einer dünnen Schneeschicht glatten Weg entweder entsprechend räumen und streuen oder wenigstens einen Warnhinweis anbringen müssen und insbesondere wegen des Gefälles des Weges auf die fehlende Bestreuung im Winter und die mögliche Glätte aufmerksam machen müssen. Durch das Unterlassen jeglicher Sicherungsmaßnahmen hätten die Beklagten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Ein Mitverschulden der Klägerin liege nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Es bejahte ebenfalls das Bestehen einer vorvertraglichen Verkehrssicherungspflicht zwischen der Klägerin, die beabsichtigte, den Gasthof zu besuchen, und dem Beklagten. Daran ändere auch nichts, dass sich die Hinweistafeln in erheblicher Entfernung vom Gasthof befunden hätten. Die Verkehrssicherungspflicht beziehe sich nicht nur jedenfalls auf den Nahbereich des Gasthofes und diesen selbst; der Zugangsweg sei dann und soweit einzubeziehen, wenn er, wie hier, der Verfügungsgewalt des Gastwirtes unterliege und dem Kunden als Zugangsweg durch Hinweistafeln erkennbar offeriert werde. Die Beklagten hätten wegen dieser Hinweistafeln damit rechnen müssen, dass er von ihren ortsunkundigen künftigen Gästen benützt werde. Die den Beklagten zumutbare Verkehrssicherungspflicht werde auch nicht überspannt, weil statt der möglichen Räumung und Streuung ein geeigneter Warnhinweis genügt hätte. Ein Mitverschulden der früheren Klägerin sei nicht begründet.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden sei, ob durch das Bestehenlassen von Hinweistafeln zu einem Gasthof den Gastwirt vorvertragliche Verkehrssicherungspflichten bezogen auf den durch diese Tafel gewiesenen Privatweg, dessen Halter er sei, träfen.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revision die Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Revisionswerber verweisen darauf, dass es für sie unzumutbar wäre, einen 1,3 km langen Forstweg, der zu ihrem Gasthof führe, in der kalten Jahreszeit auf der ganzen Länge ständig zu räumen und zu streuen.

Richtig ist, dass jeder, der auf einem seiner Verfügung unterstehenden Grund und Boden einen Verkehr für Menschen eröffnet, für die Verkehrssicherheit zu sorgen hat (vgl RIS-Justiz RS0023487; ZVR 1995/130; JBl 1991, 48 mwN). Die Beklagten hatten daher, wie alle Geschäftsleute, die zum Zwecke der Erreichung ihres Unternehmens durch Kunden einen Verkehr eröffnen, an sich alles vorzukehren, um die Sicherheit des Betriebes und den damit im Zusammenhang stehenden Wegen und Flächen zu gewährleisten. Ob solche von vertraglichen an Verkehrssicherungspflichten auch auf der gesamten Länge eines 1,3 km langen Forstweges bestehen, an dessen Beginn der Hinweis auf den Betrieb am Ende des Weges aufgestellt ist, muss im vorliegenden Fall allerdings nicht beurteilt werden. Es besteht nämlich der allgemeine Grundsatz, dass der Verkehrssicherungspflichtige bloß die verkehrsübliche Aufmerksamkeit anzuwenden und die notwendige Sorgfalt zu beachten hat, dürfen doch die Sorgfaltspflichten nicht überspannt und die Grenzen des Zumutbaren nicht überschritten werden (RIS-Justiz RS0023487).

Nach den Feststellungen ereignete sich der Unfall einige hundert Meter vom Gasthof der Beklagten entfernt, weil in diesem Bereich der Forstweg eisglatt und schneebedeckt war. Es würde nun eine Überspannung der Sorgfaltspflichten bedeuten, den von den Beklagten gehaltenen Forstweg auf seiner ganzen Länge schnee- und eisfrei zu halten, zumal der Gasthof auch über eine gestreute Gemeindestraße erreichbar war. Der Hinweis des Berufungsgerichtes, dass die Beklagten ihrer Verkehrssicherungspflicht auch durch einen entsprechenden Warnhinweis betreffend die Unterlassung der Streuung nachkommen hätte können, geht jedenfalls seit der KSchG-Novelle 1997, BGBl I 1997/6, wonach die Haftung für Personenschäden nicht ausgeschlossen werden kann (§ 6 Abs 2 Z 9 KSchG), ins Leere. Die mangelnde Streuung des Forstweges war aber auch für die Klägerin deutlich erkennbar.

Da somit den Beklagten eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorzuwerfen war, war das Klagebegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Bei der Entscheidung über die Kosten erster Instanz war zu beachten, dass ein Kostenvorschuss von S 2.000 nicht verbraucht wurde.

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