OGH 2Ob43/03t

OGH2Ob43/03t27.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Ingo Schreiber und Mag. Manfred Sommerbauer, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 14.034,32 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. November 2002, GZ 2 R 156/02d-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. Mai 2002, GZ 33 Cg 85/01a-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 812,52 (hierin enthalten EUR 135,42 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile stehen schon seit zumindest 1996 in ständiger Geschäftsbeziehung. Geschäftsgegenstand war dabei jeweils die Herstellung und Lieferung diverser Bücher durch die klagende Partei, welche ihren Anboten und Rechnungen jeweils die "Ihnen bekannten" bzw "Ihnen bereits übermittelten" Liefer- und Zahlungsbedingungen zugrunde legte. Dieser Vermerk findet sich auch im Anbot der klagenden Partei vom 21. (im Ersturteil unrichtig: 31.) 3. 2000 samt nachfolgender Auftragsbestätigung vom 27. 3. 2000 betreffend die nunmehr verfahrensgegenständliche Lieferung. Am 15. 5. 2000 stellte die Klägerin die bestellten Druckwerke - abermals unter Hinweis auf die "Ihnen bekannten Liefer- und Zahlungsbedingungen" - mit S 293.116,45 (EUR 21.301,60), zahlbar binnen 60 Tagen netto, in Rechnung, worauf die beklagte Partei am 13. 12. 2000 lediglich eine Anzahlung von S 100.000 (EUR 7.267,28) leistete. Der Restbetrag von EUR 14.034,32 bildet den Gegenstand dieses Verfahrens.

Die beklagte Partei verweigert die Zahlung dieses Restes im Wesentlichen mit der Begründung, dass ihr durch die Nichtzurückstellung zur Verfügung gestellter Filme und Druckunterlagen seitens der klagenden Partei ein die Klagsforderung übersteigender Schaden entstanden sei, den sie kompensando einwendete und mit S 1,375.000 (= EUR 99.925,15) bezifferte.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit EUR 14.034,32 zu Recht bestehe, der Antrag auf Aufrechnung mit der Gegenforderung abgewiesen werde und die beklagte Partei daher schuldig sei, den Klagsbetrag zuzüglich 5 % Zinsen aus EUR 21.301,60 vom 15. 7. bis 13. 12. 2000 und aus EUR 14.034,32 seit 14. 12. 2000 zu bezahlen. Ein Zinsenmehrbegehren wurde - unangefochten und damit rechtskräftig - abgewiesen.

Das Erstgericht stellte über den eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, dass sämtliche Geschäftsfälle zwischen den Streitteilen seit 1996 immer auf Grundlage der klägerischen Liefer- und Zahlungsbedingungen erfolgt seien, wobei lediglich die zugehörigen Lieferscheine jeweils an die tatsächlichen Warenempfänger, nicht aber die beklagte Partei (als Auftraggeber) gerichtet gewesen seien. Dieser Usus sei stets gleichbleibend beibehalten worden. Nach Punkt 2. Abs 6 dieser auf der Rückseite der (demnach jeweils nicht auch an die beklagte Partei adressierten) Lieferscheine abgedruckten Bedingungen steht dem Auftraggeber (= beklagte Partei) "wegen etwaiger eigener Ansprüche, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, ein Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrecht nicht zu...".

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, dass ein derartiges Kompensationsverbot - zumal unter Kaufleuten - nicht ungewöhnlich sei und wirksam vereinbart werden könne. Wenn Geschäftsleute im Rahmen einer bereits länger andauernden Geschäftsbeziehung in ihren Geschäftspapieren auf die Geltung von AGB hinweisen, dieser Hinweis unbeanstandet bleibe, diese auch nur Handelsübliches enthalten, könnten sie jedenfalls auch schlüssig Vertragsinhalt zwischen den Vertragsparteien werden. Die beklagte Partei habe die Hinweise der Klägerin in sämtlichen Schriftstücken auf die Geltung ihrer Liefer- und Zahlungsbedingungen niemals beanstandet. Die beklagte Partei habe zweifelsohne die Möglichkeit gehabt, von diesen AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu erlangen, selbst wenn diese sich aus den Lieferscheinen ergebenden Bedingungen nicht an die beklagte Partei direkt adressiert gewesen seien. Zufolge des somit rechtswirksam vereinbarten Kompensationsausschlusses sei auf die Gegenforderung nicht weiter einzugehen, sondern diese spruchmäßig abzuweisen gewesen.

Das lediglich von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht gab deren Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht - zusammengefasst - aus, dass die Klägerin ihren Wunsch nach Geltung ihrer Liefer- und Zahlungsbedingungen in den vorangegangenen Geschäftsfällen und insbesondere auch in dem dem klagegegenständlichen Auftrag zugrunde liegenden Anbot sowie in der Auftragsbestätigung deutlich zum Ausdruck gebracht habe; dass der Wortlaut derselben nicht auch mitgeteilt worden sei, könne nicht verhindern, ihre Geltung anzunehmen, weil aufgrund der (ständigen) Verwendung derselben am Geschäftspapier der Klägerin jedenfalls von der Möglichkeit zur Kenntnisnahme seitens der beklagten Partei ausgegangen werden müsse, sodass es an dieser gelegen wäre, zu behaupten und unter Beweis zu stellen, dass es ihr trotz eines entsprechenden Versuches nicht gelungen wäre, die maßgeblichen AGB zu erlangen oder ihren maßgeblichen Inhalt zu erfahren.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil - soweit ersichtlich - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Erfordernissen der Möglichkeit der Kenntnisnahme vom Inhalt von AGB bei Unternehmen außerhalb des Massenverkehrs und zur entsprechenden Behauptungs- und Beweislast nicht bestehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer vollständigen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels (wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage), in eventu diesem keine Folge zu geben, beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil zur formulierten Rechtsfrage bereits ausreichende und einhellige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann es hiebei genügen, die Zurückweisungsgründe kurz darzustellen.

Die Ausführungen der Vorinstanzen über die wirksame Einbeziehung der AGB in den (Werk-)Vertrag zwischen den Streitteilen samt damit rechtswirksam vereinbarten Kompensationsausschluss für die beklagtenseits eingewendete Gegenforderung sind zu billigen. Allgemeine Geschäftsbedingungen bedürfen nach ständiger Rechtsprechung, soweit keine besondere gesetzliche Regelung ihrer Geltung durch Gesetz oder Verordnung besteht, zu ihrer Geltung der Einbeziehung in den Vertrag und sind anzuwenden, wenn sie durch einen entsprechenden Hinweis im Vertragstext oder zumindest stillschweigend zum Vertragsinhalt gemacht wurden (1 Ob 145/99a; 1 Ob 1/00d; 7 Ob 265/00x; RIS-Justiz RS0014506; Rummel in Rummel, ABGB³ Rz 2 ff zu § 864a; Apathy in Schwimann, ABGB² Rz 1 ff zu § 864a). Ob der Hinweis auf die AGB vom Vertragspartner ausdrücklich zur Kenntnis genommen wurde oder diese ihm vor Vertragsschluss ausgehändigt wurden, ist nicht entscheidend; maßgeblich ist nur, dass der Vertragspartner die Möglichkeit hatte, von deren Inhalt Kenntnis zu erlangen (4 Ob 562/79; 1 Ob 145/99a; 1 Ob 1/00d; 7 Ob 265/00x; in diesem Sinne auch schon F. Bydlinski, Zur Anordnung der allgemeinen Geschäftsbedingungen in Vertragsrecht, FS Kastner [1972], 45 [57]). Diese Möglichkeit bestand aber für die beklagte Partei; insoweit kann auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Die Streitteile standen seit rund einem halben Jahrzehnt in ständiger Geschäftsbeziehung, die klagende Partei hat in sämtlichen ihrer Korrespondenzen und vertragsrelevanten Urkunden (Anbote, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine und Rechnungen) auf ihre AGB in deutlicher und eindeutiger Weise Bezug genommen und hingewiesen und die beklagte Partei hat dies nie - Gegenteiliges wird selbst in der Revision nicht behauptet - beanstandet. Es ist daher davon auszugehen, dass es nicht schadet, dass die Klägerin ihre AGB nicht den der gegenständlichen Lieferung vorangehenden Vertragsurkunden (Anbot und Auftragsbestätigung) - gesondert - anschloss (7 Ob 265/00x). Anderes wäre nur unter Umständen anzunehmen, wenn die Lieferscheine - welche nach den jahrelangen Usancen der Streitteile einvernehmlich und stets nicht an die auftraggebende Beklagte, sondern den jeweiligen Warenempfänger direkt übersandt wurden - allenfalls das Anbot und den bereits geschlossenen Vertrag abändernde Bedingungen enthalten hätten bzw einer der Vertragsteile erst nach Abschluss des Vertrages die Anwendung seiner Geschäftsbedingungen verlangt hätte, was grundsätzlich wirkungslos wäre (1 Ob 278/98h) - welcher Fall hier jedoch nicht vorliegt. Insoweit handelte es sich bei den AGB am Lieferschein gerade nicht um neue, wirkungslose (den Vertragsinhalt abändernde) Vertragsanbote (so etwa EvBl 1994/113 zu erst in Rechnungen aufgenommenen und insoweit wirkungslosen AGB, welcher Fall hier ebenfalls nicht vorliegt, ausführlich RIS-Justiz RS0014148). Der beklagten Partei war aufgrund der festgestellten Usancen, wie sie auch in den Vertragsurkunden Niederschlag fanden, sohin eindeutig erkennbar, dass die klagende Partei nur zu ihren AGB abschließen wolle und werde; dadurch, dass sie sich hiegegen nie ausgesprochen hat, sondern auf diese Geschäftsgrundlage unbeanstandet einließ, konnte und durfte die klagende Partei eine zumindest stillschweigende Unterwerfung ihrer Kundin annehmen (RIS-Justiz RS0014506). Ob eine solche schlüssige Unterwerfung im konkreten Fall anzunehmen ist, stellt überdies eine typische Einzelfallbeurteilung dar. Damit ist aber von der Geltung des Aufrechnungsausschlusses zwischen den Streitteilen im Sinne des festgestellten Punktes 2 Abs 6 der zwischen diesen als vereinbart zu unterstellenden Geschäftsbedingungen auszugehen; ein solches vertragliches Aufrechnungsverbot ist grundsätzlich zulässig und nicht sittenwidrig (JBl 1993, 319; RIS-Justiz RS0018102, RS0033884).

Eine erhebliche Rechtsfrage liegt damit nicht vor. Eine solche wird auch nicht unter dem (weiteren) Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens releviert, weil hierin ausschließlich die bereits vom Berufungsgericht verworfene Nichtaufnahme einzelner Beweismittel zur behaupteten Gegenforderung neuerlich moniert wird (RIS-Justiz RS0043061; Kodek in Rechberger, ZPO² Rz 3 zu § 503).

Gegen die Höhe der Klageforderung wird im Rechtsmittel nichts vorgebracht.

Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.

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