OGH 11Os91/02

OGH11Os91/0218.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Miklau als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heimo K***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 19. Februar 2002, GZ 18 Hv 1139/01k-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heimo Günter Friedrich K***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Punkt I 1 des Urteilssatzes), der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (I 2) sowie der (tateinheitlich begangenen) Vergehen des Missbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II) und der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Klagenfurt und an anderen Orten (zu wiederholten Malen)

(zu I) an nicht mehr feststellbaren Tagen in der Zeit von Sommer 1997 bis zum 31. 8. 1998

1) außer dem Fall des § 206 StGB wiederholt dadurch, dass er die am 31. 8. 1984 geborene Nicole K***** oberhalb der Bekleidung und später ab ca Herbst/Winter 1997 auch unter der Bekleidung im Brust- und Genitalbereich bis zur ansatzweisen manuellen Penetration betastete, streichelte und eincremte sowie sie aufforderte, ihn mit der Hand durch Reiben am Penis zu befriedigen, welcher Aufforderung sie auch nachkam, eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen und von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen;

2) seine am 31. 8. 1984 geborene unmündige Tochter Nicole K***** wiederholt dadurch, dass er sie aufforderte, ihn oral zu befriedigen, welcher Aufforderung sie auch entsprach, zur Unzucht missbraucht;

II) an nicht mehr feststellbaren Tagen von Sommer 1997 bis Ende Jänner 2000 wiederholt seine minderjährige Tochter Nicole K***** durch die unter I) 1) und 2) angeführten, auch nach Vollendung ihres 14. Lebensjahres fortgesetzten Tathandlungen sowie durch die unter

III) dargestellten Handlungen zur Unzucht missbraucht;

III) an zumindest zwei nicht mehr feststellbaren Tagen vom 1. 9. 1998 bis Dezember 1999 versucht, mit seiner leiblichen Tochter Nicole K*****, mithin einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch und das Adhäsionserkenntnis ficht er mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Die als Verfahrensmangel (Z 4) relevierte Ablehnung des Antrages auf neuerliche Vernehmung der bereits im Vorverfahren kontradiktorisch vernommenen Zeugin Nicole K***** erfolgte im Hinblick auf ihr Entschlagungsrecht, welches sie nach ihrer schriftlichen Erklärung (ON 42a) in Anspruch nahm, zu Recht. Dass die Kenntnis späterer Verfahrensergebnisse (hier des Tagebuches des Tatopfers) eine differenziertere Befragung ermöglicht hätte, verschlägt nicht, hat doch der Gesetzgeber solche Verteidigungsdefizite im Opferschutzinteresse - im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte - bewusst in Kauf genommen.

Die kritisierte Abweisung des Antrages auf Ausforschung und Ladung des Zeugen Hermann E*****, dessen Relevanz der Beschwerdeführer durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. Friedrich begründet sieht, wonach Nicole K***** attestiert wird, in ihrer Aussage tatsächlich Erlebtes wiedergegeben zu haben, ohne eine mögliche Verlagerung vom eigentlichen Täter - als welcher E***** in Betracht zu ziehen sei - auf eine andere Täterpersönlichkeit, nämlich den Beschwerdeführer, zu erörtern, stellt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund schon deshalb nicht her, weil es sich beim angestrebten Beweis bloß um einen spekulativen und damit unzulässigen Erkundungsbeweis handelt. Ob ein Tagebuch Protokollcharakter hat oder nicht, betrifft zunächst keine entscheidende Tatsache, also eine solche, von deren Vorliegen oder Nichtvorliegen die rechtliche Entscheidung über Schuld oder Freispruch oder über die Unterstellung unter eine bestimmte Strafnorm abhängt. Die Auffassung des Schöffengerichtes, welches dem Tagebuch nicht den Wert eines Gedächtnisprotokolls zumaß (US 20), ist daher aus Z 5 nicht anfechtbar, davon abgesehen aber auch nicht aktenwidrig, weil es sich dabei ersichtlich auf die gleichlautenden Ausführungen des Sachverständigen (S 342) bezog, welche zu dessen späteren Depositionen (S 343) zudem nicht im Widerspruch stehen, sondern dadurch nur relativiert werden.

Der in der Tatsachenrüge (Z 5a) unternommene Versuch schließlich, durch eine Reihe von Argumenten Bedenken an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten Feststellungen zu erwecken, geht fehl. Dazu ist weder der Hinweis geeignet, es sei "dunkel", ob Nicole K*****, wie sie es darstellt und der Angeklagte bestreitet, ein Handy für sexuelle Dienste erhalten habe, noch ein unaufgeklärt gebliebener Zusammenhang zwischen Menstruation und Missbrauchhandlungen oder der Umstand, dass zur Schilderung des Mädchens, in der Badewanne von ihrem Vater gefilmt worden zu sein, kein entsprechender Videofilm gefunden wurde.

Mit den unter verschiedenen Gesichtspunkten erhobenen Einwendungen gegen die Gutachten der Sachverständigen Dr. Friedrich und Dr. Tschernutter, die primär zur Frage der Aussageehrlichkeit der Nicole K***** herangezogen wurden, werden keine Umstände ins Treffen geführt, welche zu Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsannahmen Anlass geben. Soweit Zeugen das Tatopfer - im nicht sexualbezogenen Zusammenhang - als lügenhaft und berechnend beschrieben, hat der Schöffensenat diese Charakterisierung bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin eingehend gewürdigt, sich aber auch mit den Aussagen jener Zeugen ausführlich auseinandergesetzt, welche ihre Überzeugung von von der Unschuld des Angeklagten zum Ausdruck brachten (US 15 f, 21). Unter Bedachtnahme auf diese nicht nur mängelfreien, sondern auch inhaltlich überzeugenden Beweiserwägungen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der rechtserheblichen Tatsachenfeststellungen zu zweifeln. Auch die weiteren Hinweise auf die Bemühungen des Angeklagten, seiner Tochter eine psychologische Betreuung zu ermöglichen, den Umstand, dass der Beschwerdeführer kein "pädophiles Triebleben führe", das Mädchen zahlreiche Sexualpartner gehabt habe, allenfalls auf die nunmehrige Lebensgefährtin ihres Vaters eifersüchtig gewesen sein könnte (worin nach Ansicht der Beschwerde ein Motiv für die belastenden Angaben gelegen sein könnte) und - vom Gericht berücksichtigte - Widersprüche im zeitlichen Bereich sind weder allein noch in ihrem Zusammenhang dazu angetan, Bedenken an der Beweiswürdigung der Tatrichter hervorzurufen. Wenn schließlich der Beschwerdeführer die Beurteilung dieser Umstände durch das Gericht als verfehlt und - ohne dies darzutun - gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßend bezeichnet, wird deutlich, dass sein Vorbringen letztlich darauf abzielt, die Konstatierungen des Schöffengerichtes nach Art einer auch bei Ausführung der Tatsachenrüge unzulässigen Schuldberufung zu kritisieren.

Abschließend zu bemerken ist, dass die mit Eingabe vom 12. September 2002 unter rechtsirriger Bezugnahme auf die nur für das Verfahren vor den Bezirksgerichten und (gemäß § 489 Abs 1 StPO) dem Einzelrichter beim Gerichtshof vorgesehene, zur Unterstützung einer nur dort zulässigen Schuldberufung gedachte Bestimmung des § 467 Abs 1 StPO (welche auf die Anzeige neuer Tatsachen und Beweise im Rahmen der Berufungsausführung Bezug nimmt) vorgelegten Unterlagen als dem im Nichtigkeitsverfahren geltenden Neuerungsverbot widersprechend keine Berücksichtigung finden können.

Aus den dargelegten Gründen war somit die Nichtigkeitsbeschwerde als offenbar unbegründet bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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