OGH 10ObS413/02m

OGH10ObS413/02m4.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Icko P*****, Schlosser, ***** vertreten durch Dr. Martin Benning, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Integritätsabgeltung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2002, GZ 7 Rs 314/02a-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4. Juni 2002, GZ 30 Cgs 70/00d-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger eine Integritätsabgeltung zu gewähren, besteht dem Grunde nach im Ausmaß von 40 vH der am 2. 8. 1999 geltenden doppelten Höchstbemessungsgrundlage gemäß § 178 Abs 2 ASVG (unter Berücksichtigung der Anpassung gemäß § 213a Abs 3 ASVG) zu Recht. Der beklagten Partei wird aufgetragen, dem Kläger eine vorläufige Zahlung von 36.300 EUR binnen 14 Tagen zu erbringen. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 1.229,69 EUR (darin 204,94 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit EUR 1.463,04 (darin 243,84 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen."

Text

Entscheidungsgründe:

Der als Schichtführer in einem Kunststoffverarbeitungsbetrieb beschäftigte Kläger erlitt am 2. 8. 1999 einen Arbeitsunfall, als er bei Reinigungsarbeiten an einem Granulatsilo in eine Förderschnecke geriet und dabei eine schwere Quetschverletzung der rechten Hand erlitt.

Mit Bescheid vom 21. 3. 2000 hat die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt die Gewährung einer Integritätsabgeltung mit der Begründung abgelehnt, dass der Arbeitsunfall nicht durch die grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursacht worden sei.

Das Erstgericht erledigte den Rechtsstreit dadurch, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, "dem Kläger eine Integritätsabgeltung im gesetzlichen Ausmaß für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 2. 8. 1999" zu leisten und bis zur Erlassung eines die Höhe der Integritätsabgeltung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 36.300 EUR zu erbringen. Es stellte fest, dass die Gesamt-MdE zum Dauerrententermin 1. 8. 2001 45 vH beträgt und dass beim Kläger eine schwere körperliche Verunstaltung besteht, die den Integritätsschaden um zusätzlich 10 vH erhöht. Weiters besteht beim Kläger eine mittlere seelische Störung, die sich aus den Phantomschmerzen und den damit verbundenen Unbilden ergibt, wodurch der Integritätsschaden nochmals um 5 vH erhöht wird. Der gesamte Integritätsschaden "aus allen Fachgebieten zusammen" wurde mit 60 vH festgestellt.

Hinsichtlich des Verschuldens ging das Erstgericht davon aus, dass sowohl ein Arbeitskollege des Klägers als auch der Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Klägers eine grobe Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu verantworten hätten. Nach § 3 Abs 1 der von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt gemäß § 213a Abs 4 ASVG erlassenen Richtlinien über die Leistung einer Integritätsabgeltung werde die Integritätsabgeltung als einmalige Leistung gewährt und betrage bei einem Grad des Integritätsschadens von 60 vH bis unter 70 vH 40 vH der im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles jeweils geltenden doppelten Höchstbemessungsgrundlage. Außerdem seien in § 3 Abs 2 der Richtlinien Zulagen zur Integritätsabgeltung geregelt. Das Urteil über die Gewährung einer Integritätsabgeltung müsse den Prozentsatz des Integritätsschadens nicht im Spruch enthalten (SSV-NF 12/30). Ein Verfahren über Integritätsabgeltung könne dadurch erledigt werden, dass das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und dem Versicherungsträger die Erbringung einer vorläufigen Zahlung aufgetragen werde (§ 89 Abs 2 ASGG). Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die Revision ließ es nicht zu, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von der im § 46 Abs 1 ASGG (idF vor der ZVN 2002) genannten Qualifikation abhänge.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung (Klarstellung), es möge ausgesprochen werden, dass der Anspruch des Klägers auf Integritätsabgeltung dem Grund nach im Ausmaß von 40 vH der am 2. 8. 1999 geltenden doppelten Höchstbemessungsgrundlage gemäß § 178 Abs 2 ASVG unter Berücksichtigung der Anpassung gemäß § 213a Abs 3 ASVG zu Recht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu sie als nicht berechtigt abzuweisen.

Die Revision ist - entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des

Berufungsgerichts - zulässig, da das Berufungsgericht von der

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, dass im

Grundurteil der Hundertsatz der in Betracht kommenden

Bemessungsgrundlage festzusetzen ist (10 ObS 304/02g = RS0115845 [T1]

= RS0109917 [T2]). Die Revision ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 17.9.2002, 10 ObS 304/02g, daran festgehalten, dass die gerichtliche Entscheidung auf Gewährung der Integritätsabgeltung nicht den Grad des Integritätsschadens im Spruch festzustellen hat (SSV-NF 12/30; ARD 5337/9/2002 = EvBl 2002/44). Weiters hat der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung auch keinen Anlass gesehen, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen, dass ein Rechtsstreit über eine Integritätsabgeltung nach § 89 Abs 2 ASGG erledigt werden kann (SSV-NF 9/9; ARD 5337/9/2002 = EvBl 2002/44; vgl auch SSV-NF 12/150). Eine betragsmäßige Fixierung der Integritätsabgeltung im Urteilsspruch ist daher nicht notwendig.

Anders als in der Vorentscheidung 10 ObS 178/01a (ARD 5337/9/2002 = EvBl 2002/44) wurde aber ausgesprochen, dass das über eine Integritätsabgeltung dem Grunde nach absprechende Urteil den Hundertsatz der in Betracht kommenden Bemessungsgrundlage festzusetzen hat (10 ObS 304/02g = RS0115845 [T1] = RS0109917 [T2]), weil ansonsten noch eine zweite Entscheidung "dem Grunde nach" ergehen könnte.

Nach § 3 Abs 1 der von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt gemäß § 213a Abs 4 ASVG erlassenen Richtlinien über die Leistung einer Integritätsabgeltung wird die Integritätsabgeltung als einmalige Leistung gewährt und beträgt bei einem Grad des Integritätsschadens von 60 vH bis unter 70 vH 40 vH der im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles jeweils geltenden doppelten Höchstbemessungsgrundlage gemäß § 178 Abs 2 ASVG unter Berücksichtigung der Anpassung gemäß § 213a Abs 3 ASVG. Die Festsetzung der Höhe der vorläufigen Zahlung erfolgt gemäß § 273 ZPO entsprechend dem Ersturteil, dies auch unter Bedachtnahme darauf, dass die vom Erstgericht festgesetzte Höhe nicht angefochten wurde. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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