OGH 1Ob29/03a

OGH1Ob29/03a24.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich S*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagte Partei Heinz S*****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Dr. Peter Zach und Mag. Reinhard Teubl, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen Feststellung (Streitwert EUR 908,41) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 9. August 2002, GZ 1 R 56/02f-28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 22. November 2001, GZ 3 C 870/99z-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren auf Feststellung der Haftung des Beklagten für den Ersatz aller Verbindlichkeiten des Klägers im Zusammenhang mit einem Leasingvertrag, das in der Klage mit S 12.500,-- bewertet wurde.

Das Berufungsgericht sprach in der angefochtenen Entscheidung aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 4.000 nicht übersteige und die Revision (daher) jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, (Entscheidungsgegenstand) an Geld oder Geldeswert insgesamt 4.000 EUR nicht übersteigt. Besteht der Entscheidungsgegenstand nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so hat das Berufungsgericht in seinem Urteil unter anderem auszusprechen (§ 500 Abs 2 Z 1 lit a ZPO), ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 4.000 EUR übersteigt oder nicht.

§ 500 Abs 3 Satz 2 ZPO ordnet an, dass der Ausspruch nach Abs 2 Z 2, also jener über die absolute Unzulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 2 ZPO, weder die Parteien noch die Gerichte bindet: daraus ist der Umkehrschluss zu ziehen, dass auch der Oberste Gerichtshof grundsätzlich an die Aussprüche nach Abs 2 Z 1, also den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts, gebunden ist (eingehend dazu SZ 63/117; weitere Nachweise bei Kodek in Rechberger2 Rz 3 zu § 500 ZPO), sofern dabei nicht zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden (RZ 1992/16; EFSlg 73.010; RZ 1995/56 ua) oder eine Bewertung überhaupt nicht vorzunehmen gewesen wäre. Davon kann im vorliegenden Fall schon deshalb keine Rede sein, weil insbesondere für Feststellungsklagen (§ 56 Abs 2 Satz 2 JN) keine gesetzliche Bewertungsregel besteht, sondern vielmehr der Kläger den Wert des Streitgegenstands in der Klage anzugeben hat (§ 56 Abs 2 Satz 1 JN).

Soweit der Kläger, der eine solche Bindung in Frage stellt, auf die Entscheidung SZ 59/198 verweist, übersieht er offenbar, dass dieser ein Fall einer (den Obersten Gerichtshof nicht bindenden) gesetzwidrigen Überbewertung durch das Berufungsgericht zugrunde lag: dieses hatte nicht darauf Bedacht genommen, dass der Gegenstand eines nicht in einer Geldforderung bestehenden Begehrens vom Kläger gemäß § 56 Abs 2 JN mit einer unter der Wertgrenze des § 501 ZPO liegenden Summe - und damit auch mit einem geringeren Betrag als dem Schwellenwert für die Revisionszulässigkeit - bewertet worden war. In dieser Entscheidung wurde eingehend dargelegt, dass in derartigen Fällen - also bei einem an Geld oder Geldeswert damals S 15.000 (nunmehr 2.000 EUR) nicht übersteigenden Streitgegenstand - § 501 ZPO den Rechtszug abschließend regle, sodass eine eigenständige Bewertung durch das Berufungsgericht gar nicht in Betracht komme, sofern eine offensichtliche Unterbewertung nicht vorliege. Daraus kann aber nicht auch abgeleitet werden, dass keine Bindung des Obersten Gerichtshofs bestünde, wenn das Berufungsgericht der vom Kläger vorgenommenen Bewertung folgt.

Zu Unrecht beruft sich der Revisionswerber auch zur Begründung seiner Auffassung, der Oberste Gerichtshof sei niemals an eine offensichtliche Unterbewertung gebunden, auf die in AnwBl 1992, 674 veröffentlichte höchstgerichtliche Entscheidung. Dort lag der Fall insoweit anders, als das Berufungsgericht von einem Bewertungsausspruch mit der Begründung überhaupt abgesehen hatte, dass (nach damaliger Rechtslage) bei einem S 15.000 nicht übersteigenden Streitgegenstand eine Revision ohnehin nicht in Betracht komme, weil das Rechtsmittelverfahren im § 501 ZPO abschließend geregelt sei. Dort hat der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht eine Behandlung der Berufung ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch § 501 ZPO aufgetragen, jedoch keine Aussage zu einer möglichen Unbeachtlichkeit eines Bewertungsausspruchs getroffen.

Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass ein Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz grundsätzlich unanfechtbar und bindend ist, wenn er nicht gegen zwingende Bewertungsvorschriften verstößt, wobei darunter Normen gemeint sind, die den Wert des Entscheidungsgegenstands unter Ausschaltung richterlichen Ermessens mit einem bestimmten Betrag festlegen oder starre Berechnungsmethoden vorgeben; eine Bewertung, die diesen Vorschriften nicht widerspricht und vom Gericht zweiter Instanz in Ausnützung eines Ermessensspielraums vorgenommen wurde, ist daher für den Obersten Gerichtshof unüberprüfbar (MietSlg 45.500 unter Berufung auf 5 Ob 54/93 und 5 Ob 58/93). Ähnlich wurde in MietSlg 50.776 formuliert, dass der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands den Obersten Gerichtshof nur ausnahmsweise dann nicht bindet, wenn bei sinngemäßer Anwendung die Bewertungsvorschriften der JN missachtet wurden, eine Bewertung überhaupt zu entfallen hatte oder aber "außerhalb eines Ermessensspielraumes" eine offenbare Unterbewertung vorgenommen wurde.

Im Sinne der dargestellten Judikatur kam dem Berufungsgericht bei seinem Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands zweifellos ein weiter Ermessensspielraum zu, weil das Gesetz für derartige Feststellungsklagen weder zwingende Bewertungsvorschriften noch starre Berechnungsmethoden vorgibt. So wurde etwa in einem Verfahren über die Feststellung der Angemessenheit des Mietzinses ausgesprochen, dass die Höhe zurückgeforderter Mietzinszahlungen keine bindende Richtschnur für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands bilde (MietSlg 45.500). Entsprechendes gilt im hier zu beurteilenden Fall für die Höhe der vom Kläger - im Rahmen einer (unzulässigen) Klageänderung - begehrten Schadenersatzbeträge.

Damit erweist sich der Ausspruch des Berufungsgerichts, die Revision sei jedenfalls unzulässig, als zutreffend.

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