OGH 13Os105/02

OGH13Os105/0229.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Jänner 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Habl, Dr. Ratz und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Fritz R***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Mai 2002, GZ 124 Hv 30/02v-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dr. Fritz R***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er von 1993 bis 1998 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verfügungsberechtigte des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste bzw Angestellte Wien (im folgenden: AMS) durch Antragstellungen auf Leistung von Notstandshilfe, in welchen er die Fragen nach eigenem Einkommen verneinend beantwortete, sohin durch Täuschung über Tatsachen zur Zahlung bzw Unterlassung der Rückforderung von Bargeldbeträgen aus dem Titel der Notstandshilfe für den Zeitraum von 4. August 1993 bis 30. Juni 1998 in der Gesamthöhe von zumindest 45.159,27 EUR (= 621.405,15 S), sohin zu Handlungen verleitet, welche das AMS mit diesem Betrag an Vermögen schädigte, wobei der Schaden für die Kalenderjahre aufgeschlüsselt betrug:

1993: 33.408,88 S, 1994: 126.985,67 S, 1995: 124.209 S, 1996:

135.163,80 S, 1997: 134.794,50 S und 1998: 66.843,30 S.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrags auf Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei übersieht er aber, dass eine Verletzung der diesbezüglichen Bestimmung des § 229 Abs 2 StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht ist. Ebenso verfehlt dieser Einwand unter dem inhaltlich relevierten Aspekt der Z 4 sein Ziel, weil der Nichtigkeitswerber die Tat zur Gänze geleugnet hat und nicht einmal behauptet, es wäre zu erwarten gewesen, dass er sich bei Ausschluss der Öffentlichkeit anders verantwortet oder das Beweisverfahren diesfalls andere Ergebnisse erbracht hätte und damit der Schöffensenat allenfalls zu einem anderen Erkenntnis gekommen wäre (Mayerhofer StPO4 § 229 E 9). Das weitere Beschwerdevorbringen (Z 3) zeigt zwar zutreffend auf, dass der Zeuge Wolfgang B***** (als Sachbearbeiter in der den Angeklagten betreuenden Steuerberatungskanzlei) vor seiner Vernehmung über das ihm gemäß § 152 Abs 1 Z 4 iVm Abs 2 und 3 StPO zustehende Entschlagungsrecht (Mayerhofer aaO § 152 E 65b) nicht belehrt wurde (S 193/II), doch hat sich die Aussage dieses Zeugen nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Vorliegend findet sich auch - abgesehen von der bloßen namentlichen Anführung dieses Zeugen (US 15 dort: P*****) - in der Beweiswürdigung keinerlei Bezugnahme auf den Vernehmungsinhalt, was unterstreicht, dass die monierte Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss ausgeübt hat (§ 281 Abs 3 StPO). In seiner auf Z 4 gestützten Verfahrensrüge behauptet der Beschwerdeführer Unrechtmäßigkeit der Abweisung seines in der Hauptverhandlung "wiederholten" Antrages von 22. Mai 2002 (ON 64) auf Bestellung eines "zweiten (Ober-)Sachverständigen, auch aus dem Bereich Kardiologie und Diabetologie, um die Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten neuerlich bzw das Gutachten von Primarius Dr. S***** zu überprüfen, und auf Ablehnung des internistischen Sachverständigen Primarius Dr. S*****" und kritisiert in umfangreichen Erörterungen (S 3 bis 12 des Rechtsmittels) Vorgänge bei der Befundaufnahme, das angeblich fehlende Fachwissen des Sachverständigen und die vermeintliche Befangenheit des Primarius Dr. S*****.

Der relevierte Nichtigkeitsgrund liegt aber schon deshalb nicht vor, weil der schriftliche Beweisantrag in der Hauptverhandlung (laut insoweit ungerügt gebliebenem Protokoll) nicht wiederholt, sondern lediglich beantragt wurde, dass (auch) "über den Antrag vom 22. 5. 2002 entschieden wird" (S 161/II; Mayerhofer StPO4 E 1, 15; Ratz WK-StPO Rz 310 f jeweils zu § 281 Z 4). Im Übrigen steht dem Angeklagten das Recht auf Ablehnung eines Sachverständigen nicht zu; es kann vielmehr nur das Gericht bei erheblichen Einwänden einen anderen Sachverständigen beauftragen. Solche Einwände hätten jedoch (bei Kenntnis der Person des bestellten Sachverständigen) grundsätzlich schon vor Erstattung des Gutachtens erhoben werden müssen (Mayerhofer StPO4 § 120 E 2 f; Ratz WK-StPO § 281 Z 4 Rz 370 ff).

Hinsichtlich der relevierten Abweisungsentscheidung des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien über den Ablehnungsantrag des Angeklagten betreffend den Vorsitzenden des Schöffensenates (ON 65) fehlt es dem Beschwerdeführer an der erforderlichen Legitimation zur Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren.

Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Dr. Herbert J***** - von der AMS Landesgeschäftsstelle Wien (s ON 30 ff) - (S 229 f/II) war hingegen vom erkennenden Senat schon deshalb abzuweisen, weil er zwar Beweismittel und -thema, nicht aber jene Gründe anführte, weshalb erwartet werden könne, dass die Durchführung des beantragten Beweises auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 19). Eine solche Erklärung war aber umso eher erforderlich, weil seitens des AMS für den vorliegenden Fall als einzig Informierter Mag. Jörg B***** benannt wurde (s S 3 e ff), dieser daraufhin auch - als zuständiger Sachbearbeiter des AMS (für den Deliktsszeitraum) - als Zeuge vernommen (s ON 26, S 185 ff II) sich auf die in der Anzeige des AMS enthaltenen, den Beschwerdeführer belasteten Angaben berief und bei Antragstellung nicht dargetan wurde, warum Dr. J***** anders informiert sein sollte. Die gleichfalls bloß auf eine unzulässige Erkundung hinauslaufenden Anträge (S 231 ff/II) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Neuropharmakologie, auf "Vernehmung eines Obergutachters aus dem Universitätsbereich der Psychiatrie und Interne" und des Primariums Dr. Johann St***** sowie auf Einholung eines Gutachtens aus dem internen Bereich, die ohne Bezugnahme auf das bereits erstattete Sachverständigengutachten des Professor Dr. K***** gestellt wurden, sind demnach zu Recht der Abweisung verfallen (S 241 ff/II). Die im Rechtsmittel nachgetragenen (und somit verspäteten) Begründungen vermögen diesen Mangel nicht zu beheben (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41).

Entgegen der Beschwerde hat das Erstgericht ebenso den Antrag auf Vernehmung der für den Angeklagten als Hausverwalterin tätigen Waltraud M***** zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer zufolge notwendiger Reparaturarbeiten tatsächlich keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt und ihm jeglicher Betrugsvorsatz gefehlt habe (S 233 f/II), zutreffend abgelehnt, weil derartige - wenn auch nicht realisierte - Einnahmen jedenfalls auf die Notstandshilfe anzurechnen (vgl US 5 f) und die Zeugin über innere Vorgänge wie der subjektiven Tatseite ohnedies nicht zu vernehmen gewesen wäre (Mayerhofer StPO4 § 150 E 1 f).

In der Mängelrüge (Z 5) macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, die Erstrichter hätten jenen Teil des Verwaltungsgerichtshofserkenntnisses vom 12. Jänner 1993, Zahl 91/08/0167 nicht berücksichtigt, wonach es auf das tatsächliche Zufließen von Zahlungen ankomme; nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens könne jedoch nur von Anweisungen des Wohlfahrtsfonds, nicht aber vom Einlangen der Beträge gesprochen werden.

Abgesehen davon, dass - aufgrund der (formell unbedenklichen) Beweiswürdigung durch die Tatrichter - ohnedies der Gelderhalt im Urteil ausdrücklich festgestellt wurde (US 8), betrifft dieser Punkt keine schuldspruch- oder strafsatzentscheidende Tatsache, weil das Verschweigen von Einkünften auch nach der Antragstellung auf Notstandshilfe tatbildlich ist (vgl US 7; Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 23-25). Desgleichen sind die von der Beschwerde als mangelhaft begründet thematisierten Feststellungen zu Deliktszeiträumen, den einzelnen Schadensbeträgen und der (die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB deutlich übersteigenden) Gesamtschadenshöhe ebensowenig von entscheidender Relevanz. Außerdem ist dieser Beschwerdevorwurf im Hinblick auf die im Urteil enthaltenen zahlreichen Verweise, insbesonders auf die Beilagen zu ON 29 und 39 (US 15 f) nicht gerechtfertigt.

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen hat sich das Erstgericht sehr wohl mit den Einkommensteuerbescheiden und der Aufstellung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer auseinandergesetzt (US 16 ff); es ist allerdings zu anderen als vom Beschwerdeführer gewünschten Schlussfolgerungen gelangt und war infolge der als inhaltlich unrichtig festgestellten Einkommensteuerbescheide nicht dazu verhalten, näher auf die genannten Beweismittel einzugehen. Soweit die Beschwerde Unvollständigkeit der Begründung betreffend die Rückzahlungsbescheide des AMS moniert, übersieht sie, dass zu diesem Zeitpunkt der Schaden bereits eingetreten und somit das Tatbild des Betruges erfüllt war, weshalb die Rückforderungen keiner näheren Erörterung bedurften.

Der (ebenfalls unter Z 5 erhobene) Vorwurf, bei der Annahme der Verhandlungsfähigkeit seien nicht alle Beweisergebnisse (Befürchtung eines - tatsächlich nicht eingetretenen (s S 395 II) - Herzinfarktes, Bluthochdruck etc) berücksichtigt worden, geht schon deshalb ins Leere, weil es sich dabei um keine für den Schuldspruch oder den anzuwendenden Strafsatz maßgebliche Tatsache handelt, was auch für eine allenfalls gemeinte fehlende Prozessfähigkeit gilt (Ratz WK StPO § 281 Rz 634).

Unwesentlich ist auch das als aktenwidrig gerügte Detail, dass das Erstgericht (unrichtigerweise) davon ausging, der Angeklagte sei "Miteigentümer" von in Wien befindlichen vermieteten Liegenschaften (US 4), obgleich er nur zu einem Drittel Gesellschafter der Dr. Ludwig R***** OEG ist, die ihrerseits als Eigentümerin einer der genannten Liegenschaften aufscheint, und nicht alle Objekte vermietet sind; kommt es doch im vorliegenden Fall vielmehr auf die vom Beschwerdeführer festgestelltermaßen im Deliktszeitraum bezogenen gesamten Einkommen an.

Die weiteren Beschwerdeeinwände zu Z 5 zitieren unter dem Aspekt unvollständiger Begründung Urteilspassagen aus den Feststellungen und großteils aus der Beweiswürdigung, übergehen jedoch die dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgenden Erwägungen des Schöffensenates und versuchen bloß unter punktuellem Hervorheben isoliert betrachteter Umstände zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und zu den Einkommensteuerbescheiden die tatrichterliche Beweiswürdigung in einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Weise in Zweifel zu ziehen. Dabei lassen die Argumente des Nichtigkeitswerbers insbesondere außer Betracht, dass die Täuschung der Angestellten des Arbeitsmarktservices (und nicht von Beamten des Finanzamtes) auf einfachen verständlichen Formularen schuldspruchrelevant war. Die Behauptung widersprüchlicher Konstatierungen zum Jahr 1994 berücksichtigt wiederum nicht die Tatsache, wonach der Schuldspruch des Angeklagten auch das Unterlassen der Meldung jeder Änderung des Einkommens mitumfasst.

Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a), in welchem einige Kritikpunkte der Mängelrüge zusammenfassend wiederholt werden, bekämpft lediglich (auch zu diesem Nichtigkeitsgrund unzulässig) die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, ohne aus dem Akteninhalt erhebliche Bedenken an der Richtigkeit entscheidender Sachverhaltsfeststellungen zu erwecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wiederum entbehrt der prozessordnungsgemäßen Darstellung, weil sie lediglich aufgrund von zwei zitierten Teilsätzen unsubstantiiert behauptet, "die Feststellungen seien undeutlich und nicht geeignet, ein absichtliches Vorgehen zu begründen", und demnach nicht deutlich und bestimmt darlegt, ob sie sich auf den Täuschungs-, Schädigungs- oder Bereicherungsvorsatz bezieht. Sollte sich die Anfechtung aber gegen die angenommene gewerbsmäßige Tatbegehung (der Sache nach Z 10) richten, so lässt sie das gesamte Urteilssubstrat aus Spruch und Gründen (vgl insbesondere US 3 iVm 14, 17 f, 19 f) unbeachtet. Die Subsumtionsrüge (Z 10), die Feststellungen über Rückforderungsansprüche des Arbeitsmarktservice zu den Jahren 1994 bis 1997 vermisst und insoweit die Annahme des Versuchs statt der Vollendung des Betruges anstrebt, übergeht wiederum prozessordnungswidrig die konstatierten (den Schadenseintritt bereits bewirkenden) Auszahlungen von Notstandshilfe an den Beschwerdeführer. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht den Verfahrensvorschriften entsprechend in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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