OGH 15Os158/02

OGH15Os158/0223.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Jänner 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Yildiray B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 24. September 2002, GZ 7 Hv 58/02f-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Yildiray B***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A) und des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt. Danach hat er in Wien

A) am 15. Juni 2002 außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Anna-Carina

T***** vorsätzlich mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er ihr gegen ihre ausdrückliche Ablehnung die Hose hinunterzog, sie sodann auf den Boden drückte, fest an den Handgelenken packte, sich auf sie legte und den Geschlechtsverkehr vollzog;

B) am 31. März 2002 an einer Schlägerei, die eine schwere

Körperverletzung des Musali Ö*****, nämlich einen Speichenbruch des linken Unterarmes, Prellungen und Abschürfungen im Schädel-, Nasen- und Brustkorbbereich sowie an beiden Schultern und Knien zur Folge hatte, tätlich teilgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch A gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Der Mängelrüge (Z 5) ist zunächst allgemein entgegen zu halten:

Gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO hat das Gericht in den Urteilsgründen mit Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen und aus welchen Gründen diese als erwiesen oder nicht erwiesen angenommen wurden sowie von welchen Erwägungen es bei Entscheidung der Rechtsfrage und bei Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde. Diese Gründe müssen den Grundsätzen logischen Denkens entsprechen. Es ist aber nicht verpflichtet, den vollständigen Inhalt der Aussagen von Angeklagten und Zeugen sowie sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin zu erörtern, wohl aber muss es in gedrängter Darstellung die entscheidungswesentlichen Umstände erfassen. Die Beweismittel hat es in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen, letztlich aber nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (vgl für viele EvBl 1972/17).

Soweit die Beschwerde das festgestellte unmittelbare Tatgeschehen als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet und ausgehend von zusätzlichen eigenen Spekulationen eine gewaltsame Nötigung in Abrede stellt, zeigt sie damit keinen Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO auf, sondern bekämpft nur die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung. Ob und wie heftig die Zeugin T***** Gegenwehr geleistet hat, ist nicht entscheidungswesentlich, weil der Angeklagte die Gewalt nur angewandt hat, um einen aufgrund der ablehnenden Worte erwarteten Widerstand hintanzuhalten (vgl US 5/6 iVm 8). Die Dauer des Geschlechtsverkehrs betrifft keine entscheidende Tatsache, die diesbezüglichen Feststellungen finden aber auch in der Verantwortung des Angeklagten Deckung (S 245).

Die zur Verwirklichung des Tatbestandes erforderliche Gewalt bedarf keiner spezifischen Intensität. Entscheidend ist vielmehr die Einwirkung einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft (Leukauf/Steininger Komm3 § 201 RN 19). Diese bestand nach den Urteilsfeststellungen darin, dass der Angeklagte sein Opfer zu Boden drückte, dessen Arme bei den Handgelenken erfasste und diese über dem Kopf fixierte (US 5). Damit hat er die vom Gesetz zur Verwirklichung der Strafbarkeit vorausgesetzte Gewalt ausgeübt.

Wenn der Beschwerdeführer in seinen weiteren Ausführungen einzelne Teile der Aussage der Zeugin T***** herausgreift und daraus eigene, ihm günstig erscheinende Schlüsse zieht, bekämpft er damit aufs neue unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes. Dieses hat jedoch die Aussage in ihrer Gesamtheit berücksichtigt, ist ihr aufgrund des in der Hauptverhandlung von der Zeugin gewonnenen persönlichen Eindruckes gefolgt und hat damit die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtet (US 7). Dass aus diesem Beweismittel auch andere Schlüsse möglich gewesen wären, vermag den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 147).

Die Tatsache, dass die Zeugin T***** dem Beschwerdeführer eine SMS gesandt hat, fand ohnedies Eingang in die Erwägungen des Erstgerichts (US 6). Auf wessen Anregung sie Anzeige erstattet hat, betrifft keinen entscheidungswesentlichen Umstand.

Ein formeller Begründungsmangel liegt somit nicht vor. Der Tatsachenrüge (Z 5a) ist zunächst zu erwidern, dass dieser unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihte Anfechtungstatbestand in seiner prozessualen Reichweite keineswegs einer Schuldberufung gleichkommt (Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 1). Vielmehr sind aus den Akten Umstände aufzuzeigen, aus denen sich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen ergeben.

Das Rechtsmittel verweist neuerlich nur auf einzelne Teile der Aussage des Tatopfers und stellt Spekulationen darüber an, was bei jungen Leuten üblich sei und durch welche Abwehrhandlungen die Tat hätte verhindert werden können. Darüber hinaus unterstellt der Beschwerdeführer in unsachlicher Weise, die Anzeige sei nur deshalb erfolgt, weil der Geschlechtsverkehr offenbar als nicht befriedigend empfunden worden war.

Umstände aus den Akten, welche die aufgezeigten erheblichen Bedenken erzeugen könnten, werden jedoch nicht dargetan.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Gegenstand eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes kann ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich der Berücksichtigung prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt sein (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Die Beschwerde übergeht die Konstatierungen, dass einerseits die Gewalt nicht nur im Festhalten der Hände, sondern auch in Zu-Boden-Drücken bestand (US 5 und 8) sowie dass andererseits die Gewalt nicht angewandt wurde, um einen Widerstand zu brechen, sondern einen aufgrund von ablehnenden Worten erwarteten Widerstand hintanzuhalten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO).

Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

Stichworte