OGH 15Os155/02

OGH15Os155/029.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Jänner 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Slavko S***** wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG, AZ 16 U 531/00w des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, über die vom Generalprokurator gegen verschiedene Vorgänge des genannten Bezirksgerichtes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Oshidari, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Slavko S***** wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG, AZ 16 U 531/00w des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, verletzen

1. die Durchführung der Hauptverhandlung (ON 28) und die Fällung des Urteils (ON 29) am 14. November 2001 in Abwesenheit des (damals) jungen Erwachsenen Slavko S***** sowie

2. die Unterlassung der Ladung des im Verfahren AZ 10 Vr 527/98, Hv 17/98, des Jugendgerichtshofs Wien bestellten Bewährungshelfers zu dieser Hauptverhandlung

§§ 32 Abs 1 und 40 iVm § 46a Abs 2 JGG.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden das bezeichnete Abwesenheitsurteil sowie sämtliche darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen - ausgenommen der Einziehungsausspruch gemäß § 26 Abs 1 StGB, § 34 SMG sowie die Anordnung der kommissionellen Vernichtung des sichergestellten Suchtgifts (Punkt 15. b der Endverfügung S 306) - aufgehoben.

Dem Jugendgerichtshof Wien wird die Erneuerung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Nach erfolglosem Versuch eines Vorgehens gemäß § 35 Abs 1 SMG (S 1 iVm ON 12) stellte die Staatsanwaltschaft Wien beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zum AZ 16 U 531/00w gegen den am 28. Juni 1981 geborenen Slavko S***** Anträge auf Bestrafung wegen der zwischen 25. Juli 2000 und 10. Juni 2001 begangenen Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (ON 14, 19 und 24). Das Bezirksgericht setzte als Termin für die Hauptverhandlung den 14. November 2001 fest. Obwohl schon aus den im Akt erliegenden Strafregisterauskünften (S 11, 45, 71, 101, 129, 171, 199, 245 und ON 22) die zum AZ 10 Vr 527/98, Hv 17/98 des Jugendgerichtshofs Wien erfolgte Bestellung eines Bewährungshelfers ersichtlich war, unterblieb dessen gemäß §§ 40, 46a Abs 2 JGG gebotene Verständigung von der Hauptverhandlung (S 3 b ff). Der Beschuldigte hatte zwar die Ladungen zur Hauptverhandlung eigenhändig übernommen (S 3 b und 3 c), blieb ihr jedoch unentschuldigt fern (S 287). Dessen ungeachtet wurde gemäß § 459 StPO die Hauptverhandlung in Abwesenheit des jungen Erwachsenen durchgeführt, ein Schuldspruch wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG gefällt und eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt, auf welche Vorhaftzeiten angerechnet wurden (S 295 und 307). Gemäß § 27 Abs 1 StGB, § 34 SMG wurden die sichergestellten Suchtmittel eingezogen. Gleichzeitig wurde - jedoch überflüssigerweise (vgl Jerabek in WK2 § 53 Rz 25 mwN) - gemäß § 494a Abs 2 StPO die Entscheidung über den Widerruf der mit Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 22. Dezember 1998, GZ 10 Vr 527/98-98, gewährten bedingten Nachsicht eines Strafteils diesem Gericht vorbehalten.

Entgegen der richterlichen Verfügung vom 17. Jänner 2002 (Punkt 8. der Endverfügung S 305) wurde dem Jugendgerichtshof Wien keine Ausfertigung des Abwesenheitsurteils, sondern lediglich ein Formular "StPO Form Bed V 5" mit dem unrichtigen Hinweis "Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht" und "keine Verlängerung der Probezeit und/oder nachträgliche Bestellung eines Bewährungshelfers" übermittelt (ON 32 a). Die Ersatzfreiheitsstrafe von 19 Tagen und 20 Stunden wird voraussichtlich zwischen 27. August und 16. September 2003 vollzogen werden (ON 33 und 36).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht die Vorgangsweise des Bezirksgerichtes mit dem Gesetz nicht im Einklang:

1. Gemäß § 32 Abs 1 iVm § 46a Abs 2 JGG ist im Strafverfahren gegen junge Erwachsene (wie vorliegend) § 459 zweiter und dritter Satz StPO nicht anzuwenden. Die Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien und die Urteilsfällung am 14. November 2001 in Abwesenheit des Beschuldigten (ON 28 und 29) waren daher nicht zulässig. Das Abwesenheitsurteil ist gemäß § 32 Abs 1 zweiter Halbsatz iVm § 46a Abs 2 JGG nichtig.

2. Nach § 40 iVm § 46a Abs 2 JGG hat ein dem jungen Erwachsenen bereits bestellter Bewährungshelfer das Recht, an der Verhandlung teilzunehmen und dort gehört zu werden. Entgegen dieser Vorschrift unterblieb die Verständigung des im Verfahren des Jugendgerichtshofs Wien zum AZ 10 Vr 527/98, Hv 17/98 bestellten Bewährungshelfers von der Hauptverhandlung am 14. November 2001.

Da nicht auszuschließen ist, dass sich die aufgezeigten Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt haben, waren diese nicht nur festzustellen, sondern war der Entscheidung auch konkrete Wirkung zuzuerkennen. Demnach war das bezeichnete Urteil und sämtliche darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen - ausgenommen der Ausspruch gemäß § 26 Abs 1 StGB, § 34 SMG sowie die Anordnung der kommissionellen Vernichtung des sichergestellten Suchtgifts - aufzuheben und dem nunmehr zuständigen (vgl Art IV Abs 3 zweiter Satz BGBl I 2001/19 iVm § 23 Z 1 lit b JGG) Jugendgerichtshof Wien die Erneuerung des Verfahrens aufzutragen.

Einer Aufhebung des Ausspruchs gemäß § 26 Abs 1 StGB, § 34 SMG über die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts bedarf es deswegen nicht, weil diese - unabhängig davon, ob eine bestimmte Person als Täter verurteilt wird - auch in einem freisprechenden Urteil oder in einem objektiven Verfahren möglich ist und ein solches auch gegen junge Erwachsene bei ordnungsgemäßer Ladung in deren Abwesenheit durchgeführt werden kann (§ 444 Abs 1 StPO; 11 Os 36/00; Foregger/Litzka/Matzka SMG § 34 Erl. VII.).

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