OGH 8Ob103/02h

OGH8Ob103/02h19.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache des ***** Matthias B***** und des ***** Stefan B*****, beide vertreten durch das Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge 19. Bezirk, Gatterburggasse 14, 1190 Wien, wegen Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen, infolge Revisionsrekurses des Vaters Roland B*****, vertreten durch Dr. Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in Wien, als Abwesenheitskurator, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Jänner 2002, GZ 43 R 15/02z und 43 R 16/02z-161, mit dem infolge Rekurses des Vaters die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Döbling vom 28. November 2001, GZ 10 P 1527/95i-153 und 154, bestätigt wurden, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit den Beschlüssen vom 28. 11. 2001 gewährte das Erstgericht beiden (im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährigen) Kindern Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1, § 18 UVG in Titelhöhe, und zwar von (richtig) monatlich S 3.000,-- bzw S 2.700,-- weiter (im rekursgerichtlichen Beschluss wurde statt dessen irrtümlich die Pauschalgebühr von S 1.500,-- und S 1.350,-- angeführt). Der durch den Abwesenheitskurator vertretene Vater erhob gegen die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse Rekurs unter Hinweis darauf, dass der den Beschlüssen auf Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen zugrundeliegende Unterhaltstitel infolge geänderter Judikatur rechtlich mangelhaft geworden sei. Da schon die Schaffung des Titels auf diesem Rechtsmangel beruhe, würde sich diese fehlerhafte Ansicht bei der Beschlussfassung auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse fortsetzen. Er beantragte in diesem Rekurs 1) den Unterhalt rückwirkend um je S 1.025,-- herabzusetzen und 2) die Beschlüsse auf Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen aufzuheben, die Unterhaltsvorschusssache an das Erstgericht zurückzuverweisen und die Weitergewährung unter Zugrundelegung der herabgesetzten Unterhaltstitel neu zu beschließen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Es sah sich nicht veranlasst, aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001, B 1285/00, bei den hier vorliegenden Verhältnissen unterhaltsmindernde Umstände zu berücksichtigen, ließ aber den Revisionsrekurs zu, weil nur eine bundeseinheitliche Lösung sinnvoll sei, um die Rechtseinheitlichkeit zu wahren.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit den bekannten Argumenten, die aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2001 abgeleitet werden können. Im konkreten Fall ging der Revisionsrekurswerber davon aus, dass dem verfassungskonformen Zustand Genüge geleistet würde, wenn der Unterhalt um monatlich S 1.025,-- je Kind herabgesetzt würde. Die unterhaltsberechtigten Kindern haben hiezu keine ihnen freigestellte Gegenäußerung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Zwar hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02 uva, die Worte "und mindert nicht den Unterhaltsanspruch" im § 12a FLAG als verfassungswidrig aufgehoben und sind kürzlich die ersten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zur Unterhaltsbemessung bei verfassungskonformer Auslegung des § 12a FLAG (neu) ergangen. Er kam dort zum Ergebnis, dass bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung nunmehr darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen bewirken soll (näheres siehe insbesondere die Entscheidung vom 19. 11. 2002, 4 Ob 52/02d ua und vom 26. 11. 2002, 1 Ob 97/02z).

§ 7 Abs 1 Z 1 UVG, der auch für den Fall der Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse gilt, erfasst auch die materielle Unrichtigkeit der titelmäßigen Unterhaltsfestsetzung infolge einer zwischenzeitigen Änderung der Verhältnisse (1 Ob 109/98f). Es müssen begründete Bedenken gegen das Weiterbestehen der Unterhaltsschuld im titelmäßigen Ausmaß nach materiellrechtlichen Kriterien bestehen (RIS-Justiz RS0076391, insbes EvBl 1993/34, zuletzt 1 Ob 38/02y; 9 Ob 157/02g).

Mit den angefochtenen Beschlüssen wurde über die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse ab 1. 12. 2001 abgesprochen. Die diesen Beschlüssen zu Grunde liegenden Titel datieren bezüglich des mj Matthias vom 7. 12. 1999, bezüglich des mj Stefan vom 27. 11. 1997 und basieren in beiden Fällen auf der Annahme eines vom unterhaltspflichtigen Vater erzielbaren durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens von S 15.000,-- monatlich. Ist aber der monatliche Nettobezug des Unterhaltspflichtigen unter Ausschaltung der Sonderzahlungen mit S 12.850,-- anzusetzen (siehe Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht SWK 2001, 799 [806]), dann kann ohne weitere Nachforschungen davon ausgegangen werden, dass das Brutto-Jahreseinkommen des Vaters zwischen S 100.000,-- und S 300.000,-- lag, sodass nach den in 1 Ob 97/02z dargelegten, aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. 6. 2002, G 7/02, erschlossenen Grundsätze der halbe Unterhalt - S 1.500,-- bzw S 1.350 monatlich - mit 25 % steuerlich zu entlasten ist, sohin um S 375,-- bzw S 337,50. Diese Entlastung erfolgt vorerst durch den dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil zukommenden Unterhaltsabsetzbetrag im Sinne des § 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG und erst dann, sofern dieser Unterhaltsabsetzbetrag nicht ausreicht, durch Berücksichtigung des dem das Kind betreuenden Elternteil zukommenden Unterhaltsabsetzbetrages und der Familienbeihilfe. Zieht man von den Beträgen, die einer steuerlichen Entlastung zuzuführen sind (S 375,-- bzw S 337,50) die dem Vater zustehenden Unterhaltsabsetzbeträge von S 525,-- (oder EUR 38,20) und S 350,-- (oder EUR 25,50) ab, dann verbleibt kein weiterer Betrag, der im Wege der steuerlichen Entlastung von dem nach unterhaltsrechtlichen Aspekten ermittelten Kindesunterhalt abzuziehen wäre.

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