OGH 3Ob299/02w

OGH3Ob299/02w18.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Wohnungseigentümergemeinschaft ***** P*****, vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichteten Parteien 1. Igor T*****, und 2. Erika T*****, wegen 734,61 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 29. August 2002, GZ 17 R 267/02i-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 8. Juli 2002, GZ 7 E 3/02y-19, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte am 1. Februar 2002 der betreibenden Partei gegen die Verpflichteten auf Grund deren Antrags vom 30. Jänner 2002 die Zwangsversteigerung von Liegenschaftsanteilen. Das Erstgericht gab mit Beschluss vom 4. Juni 2002 (ON 17) den Schätzwert bekannt. Die dagegen erhobenen Einwendungen wies das Erstgericht mit Beschluss zurück.

Dem Rekurs der betreibenden Partei gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss Folge und hob den erstinstanzlichen Beschluss ersatzlos auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach der hier anzuwendenden Fassung der EO nach der EO-Novelle 2000 sei über die Einwendungen gegen den Schätzwert auch dann nicht beschlussmäßig zu entscheiden, wenn sie der Richter als unzulässig oder unberechtigt ansehe. Demnach sei der erstinstanzliche Beschluss, der ja die betreibende Partei beschwere, weil es sich dabei nicht um eine bloß prozessleitende Verfügung handle, zu beheben. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage, ob über Einwendungen gegen Schätzwert beschlussmäßig zu entscheiden sei, zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der betreibenden Partei ist wegen Fehlens ihrer Beschwer unzulässig.

Zutreffend wurden vom Rekursgericht im vorliegenden Fall die §§ 144, 145 EO idF der EO-Nov 2000 angewendet, weil der Exekutionsantrag nach dem 30. September 2000 beim Erstgericht eingelangt ist (Art III Abs 1 EO-Nov 2000).

Zur Frage einer Beschlussfassung über Einwendungen gegen den Schätzwert nach der neuen Rechtslage hat der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2002, 3 Ob 236/02f, ausgeführt:

"Nach den Gesetzesmaterialien zu § 144 EO idF EO-Nov 2000 (RV, 93 BlgNR 21. GP) wird zur Beschleunigung des Verfahrens vorgesehen, dass - wie im Fahrnisexekutionsverfahrens - der Schätzwert nicht mehr beschlussmäßig festgesetzt wird; er ist nach allfälliger Ergänzung, Richtigstellung und Verbesserung (vgl. § 145) dem Zwangsversteigerungsverfahren zugrunde zu legen. Nach wie vor ist dem Verpflichteten, dem betreibenden Gläubiger sowie den dinglich Berechtigten der Schätzwert bekannt zu geben. Diese können binnen der zu setzenden Frist Einwendungen gegen das Gutachten erheben, auf Grund derer allenfalls nach § 145 EO vorzugehen ist. Diese Bekanntgabe des Schätzwertes erfolgt zwar gemäß § 62 letzter Halbsatz EO in Form eines Beschlusses (so zutreffend Angst in Angst, EO, § 144 Rz 1), die Parteien des Exekutionsverfahrens und die in § 144 EO genannten Buchberechtigten haben jedoch kein Rekursrecht, sondern nur die Möglichkeit, gegen den ihnen bekannt gegebenen Schätzwert Einwendungen zu erheben (Angst aaO § 144 Rz 2; Neumayr in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 144 Rz 2 f).

Gemäß § 145 EO hat das Exekutionsgericht spätestens nach Ablauf der Frist zur Erstattung von Einwendungen gegen den Schätzwert alle nötigen Ergänzungen, Richtigstellungen und Verbesserungen des Schätzungsgutachtens von Amts wegen zu erlassen. Selbst wenn also Einwendungen gemäß § 144 EO erhoben wurden, ist die beschlussmäßige Festsetzung des Schätzwertes nicht vorgesehen; es ist über die Einwendungen auch dann nicht beschlussmäßig zu entscheiden, wenn sie der Richter als unzulässig oder unberechtigt ansieht. Dies ergibt sich daraus, dass das Gesetz solche Beschlüsse nicht erwähnt und dass dies offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers entspricht, weil sonst die von ihm angestrebte Beschleunigung des Verfahrens gefährdet wäre. Hält der Richter Einwendungen für unzulässig oder unberechtigt, hat er daher hierüber nicht zu entscheiden. Aber auch wenn der Richter Einwendungen als berechtigt ansieht, führt dies nicht zur Erlassung eines Beschlusses, sondern erforderlichenfalls zur Einvernahme des Sachverständigen; dem Verfahren ist dann ohne weiteres der letzte vom Sachverständigen allenfalls nach Ergänzung, Richtigstellung oder Verbesserung seines Gutachtens ermittelte Schätzwert zugrunde zu legen (Angst aaO § 145 Rz 1). Dies gilt auch, wenn für den Schätzwert strittige Umstände, wie das Bestehen von Bestandverträgen, maßgebend sind. Die Betroffenen haben daher mangels einer anfechtbaren Entscheidung keine Möglichkeit, sich mit einem Rechtsmittel gegen die entsprechende Annahme des Exekutionsgerichts zur Wehr zu setzen; es ist Sache der Bietinteressenten, die wahre Sach- und Rechtslage abzuschätzen. Diese Verminderung des Rechtsschutzes gegenüber der Rechtslage vor der EO-Nov 2000 hat der Gesetzgeber im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens und der darauf gegründeten Beseitigung des Beschlusses über die Festsetzung des Schätzwerts ganz offensichtlich in Kauf genommen (Angst aaO § 145 Rz 2). Die Sachverständigenhaftung nach § 1299 ABGB soll für den Entfall der Rekursmöglichkeit Ersatz bieten (vgl. Rechberger/Oberhammer, Exekutionsrecht3 Rz 275 f).

Mini (Die neue Zwangsversteigerung von Liegenschaften 80 ff [2000]), übt an dieser Regelung Kritik und meint, dass eine Richtigstellung des Schätzwerts dem Inhalt nach ein Beschluss sei. Dieser Ansicht kann, was die in § 145 EO geregelte Ergänzung der Schätzung betrifft, nicht gefolgt werden. In diesem Fall ist gerade keine Beschlussfassung im Gesetz vorgesehen; der vom Gericht als richtig angesehen Schätzwert ist vielmehr dem Verfahren nur einfach zugrunde zu legen."

Die betreibende Partei kann sich nun nicht dadurch beschwert erachten, dass das Rekursgericht entgegen der dargestellten Rechtsansicht des erkennenden Senats ihren Rekurs nicht zurückgewiesen, sondern die erstinstanzliche Entscheidung, die allein über ihre in erster Instanz erhobenen Einwendungen gegen den Schätzwert absprach, ersatzlos aufgehoben hat. Ihr Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen, ohne dass auf die darin angeschnittenen Fragen der Schätzwertermittlung eingegangen werden könnte.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte