OGH 3Nd509/02

OGH3Nd509/0218.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Mariahilferstraße 81, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei S***** GmbH (bisher: D***** GmbH), ***** Bundesrepublik Deutschland, wegen 3.611,84 EUR (= 49.700 S) sA, infolge Antrags auf Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 28 JN, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Das mit Beschluss vom 22. März 2000, AZ 3 Nd 515/99, unterbrochene Verfahren wird fortgesetzt.

2. Der Antrag der klagenden Partei, für die beiliegende Klage aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten habe, in eventu, die beiliegende Klage an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht für Handelssachen Wien, in eventu, an das Bezirksgericht Floridsdorf zu überweisen, wird abgewiesen.

3. Der Antrag der klagenden Partei auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

In ihrer auf § 5j KSchG gestützten Klage bringt der klagende Verein im Wesentlichen vor, eine Verbraucherin habe bei der beklagten Partei diverse Waren bestellt und zugleich eine "Gewinnanforderung" eingesandt. Die beklagte Partei habe bei ihr am 5. Oktober 1999 in einer persönlich adressierten Zuschrift den Eindruck erweckt, es stehe für sie ein Bargeldguthaben von 49.700 S bereit. Beim Kläger handle es sich um einen Verband gemäß § 29 KSchG, die ursprüngliche Anspruchsinhaberin habe ihr den Anspruch abgetreten. Die klagende Partei stellte am 7. Dezember 1999 einen Ordinationsantrag und regte an, das Bezirksgericht für Handelssachen Wien, in eventu, das Bezirksgericht Floridsdorf als zuständig zu bestimmen.

Mit Beschluss vom 22. März 2000 unterbrach der Oberste Gerichtshof das Verfahren bis zur Erledigung des zu AZ 5 Nd 522/99 eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH).

Nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-96/00 (= ecolex 2002/226 [Klanser] = WBl 2000/236) brachte die klagende Partei einen ergänzenden Schriftsatz ein und regte die erneute Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens an. Demnach solle an den EuGH die Frage herangetragen werden, ob nach den (Übergangs-)Vorschriften der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I-Verordnung) ein Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts iS von § 28 JN ("Ordinationsantrag") eine "Klage" iS von Art 66 Abs 1 Brüssel I-Verordnung (EuGVVO) sei. Dazu vertrat die klagende Partei die Auffassung, die genannte Verordnung sei im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar, weil schon der Ordinationsantrag vom 7. Dezember 1999 als Klage iS von Art 66 Abs 1 EuGVVO zu betrachten sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat hiezu erwogen:

a) Zunächst ist festzuhalten, dass das Verfahren über den Ordinationsantrag fortzusetzen ist, nachdem infolge Vorliegen der obgenannten Entscheidung des EuGH der Unterbrechungsgrund weggefallen ist.

b) In der Frage des anzuwendenden Verfahrensrechts ist der klagenden Partei darin zuzustimmen, dass auf den bereits 1999 eingebrachten Antrag noch nicht die Bestimmungen der EuGVVO anzuwenden sind. Dies würde nämlich nach deren Art 66 Nr 1 voraussetzen, dass die Klage nach Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben worden wäre. Nun könnte zwar argumentiert werden, die Klage werde erst in dem Zeitpunkt eingebracht, in dem sie bei dem vom Obersten Gerichtshof nach Art 28 JN für zuständig erklärten Gericht einlangt. Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem dem Antrag eine mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehene vollständige Klage angeschlossen war, kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass schon mit Erhebung des Ordinationsantrags auch die Klage iSd Art 66 Nr 1 EuGVVO erhoben wurde. Folgte man nämlich der in der neueren Literatur zur EuGVVO vertretenen Ansicht, dass ungeachtet seines einschränkenden Einleitungssatzes Art 30 EuGVVO auch zur Auslegung des Art 66 EuGVVO herangezogen werden kann, also die Klagserhebung autonom zu beurteilen ist, könnte kein Zweifel bestehen, dass die mit dem Ordinationsantrag vorgelegte Klage als das verfahrenseinleitende Schriftstück anzusehen ist und - unter der Voraussetzung, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken - damit die Klage bereits iSd Art 66 leg cit erhoben wurde. Dies erscheint es dem erkennenden Senat klar, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Demnach ist auf den vorliegenden Antrag samt Klage noch das EuGVÜ anzuwenden. Zu diesem hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 11. Juli 2002 Rs-96/00 zwar die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob bei einem ganz vergleichbaren Sachverhalt betreffend die auch hier beklagte Partei Art 5 Z 1 Nr 1 (nach der Sprache des EuGH) des EuGVÜ anzuwenden wäre. Er hat jedoch eindeutig entschieden, dass der Anspruch auf einen Gewinn nach § 5j KSchG unter Art 13 Abs 1 Z 3 dieses Übereinkommens fällt, und auch eine untrennbare Verbindung zwischen der Gewinnzusage und der Warenbestellung bejaht. Daraus folgt aber, dass hier Gegenstand des Verfahrens ein Vertrag bzw ein Anspruch aus einem Vertrag iSd Art 5 Z 1 EuGVÜ ist.

c) Zu prüfen ist daher nur noch, ob auch der Erfüllungsort nach dieser Bestimmung in Österreich liegt, weil nur bei Fehlen der Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts eine Ordination stattzufinden hat (§ 28 Abs 1 JN). Es ist zu diesem Zweck das auf den hier behaupteten Vertrag anzuwendende Recht festzustellen und schließlich nach diesem zu prüfen, ob ein inländischer Erfüllungsort vorliegt (vgl 6 Ob 27/01s [insoweit unveröffentlicht]). Wie bereits dargelegt, wird von der klagenden Partei das Vorliegen des Kaufvertrags behauptet, weshalb darauf das UN-Kaufrechtsabkommen (UN-KR) anzuwenden ist, weil dessen Ausschluss im Vertrag weder behauptet wurde, noch hervorgekommen ist.

Damit erübrigt sich aber der Rückgriff auf das IPR (4 Ob 299/97t =

JBl 1998, 379 = EvBl 1998/57 = RZ 1999/9 = ZfRV 1998, 167 = ecolex

1998, 312 ua; zuletzt 6 Ob 27/01s). Das UN-KR enthält nun - ebensowenig wie für Schadenersatz- und Rückzahlungsansprüche (vgl dazu etwa Hager in Schlechtriem, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht³ Art 57 Rz 25) - keine ausdrückliche Regelung über den Erfüllungsort eines nach dem Vertrag bestehenden, hier von der klagenden Partei behaupteten Gewinnzahlungsanspruchs. Allerdings bestimmt Art 57 Abs 1 lit a UN-KR, dass Erfüllungsort der Kaufpreisschuld, die als Bringschuld beurteilt wird, der Sitz des Verkäufers ist. Es erscheint daher gerechtfertigt, dasselbe Prinzip auch auf sonstige Geldzahlungsansprüche analog mit der Wirkung anzuwenden, dass auch hier Erfüllungsort der Sitz des Gläubigers der Geldforderung ist (so zutreffend Hager, aaO; Witz in Witz/Salger/Lorenz, International Einheitliches Kaufrecht Art 57 UN-KR Rz 4; weitere Nachweise bei Schnyder/Straub in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht Art 57 Rz 31; aA allerdings die Genannten, aaO Rz 30). Nach der abweichenden Ansicht müsste der Zahlungsort aus der jeweils verletzten Verpflichtung respektive der die Zahlung anordnenden Bestimmung abgeleitet werden. Dass daraus für einen Anspruch wie den vorliegenden eine Qualifikation etwa als Holschuld folgen würde, ist allerdings ohnehin nicht erkennbar. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass Erfüllungsort des behaupteten Gewinnauszahlungsanspruchs der Wohnsitz des Vertragspartners der beklagten Partei, also der Verbraucherin - die ihren Anspruch an die klagende Partei abtrat - ist, der sich nach deren Behauptungen in Österreich befindet. Damit liegen aber die Voraussetzungen der Ordination nach § 28 JN nicht vor. Der Antrag ist daher abzuweisen.

Da die klagende Partei hier eine Klage eingebracht hat, die im streitigen Zivilverfahren zu behandeln ist, liegt eine streitige bürgerliche Rechtssache vor (§ 28 Abs 4 JN). Demnach kommt eine Überweisung nach § 44 JN, die dort nur für Außerstreitsachen, Exekutionssachen, Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen und das Konkursverfahren vorgesehen ist, nicht in Betracht. Ein Kostenersatz findet im einseitigen Ordinationsverfahren, dem die beklagte Partei nicht beigezogen wurde, nicht statt (10 Nd 502/01; 10 Nd 507/01 ua).

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