OGH 5Ob281/02p

OGH5Ob281/02p17.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in 1090 Wien, gegen die beklagte Partei E***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, unter Beteiligung des Nebenintervenienten Dr. Peter SCHULYOK, Rechtsanwalt in 1070 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der T***** AG, vertreten durch Schulyok Unger & Partner, Rechtsanwälte OEG in 1070 Wien, wegen EUR 128,49 s. A. (Streitwert nach § 55 Abs 4 JN EUR 4.360,37), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 24. Juni 2002, GZ 1 R 60/02-10, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 23. November 2001, GZ 6 C 1366/01b-6, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Johannes D***** - ein Verbraucher iSd § 1 Abs 1 Z 2 KSchG - hatte bei der T***** Bank AG ein Sparbuch mit einer Einlage von S 200.000,--, die zufolge einer am 12. 2. 1999 eingegangenen Bindung auf 36 Monate mit 4 % per anno zu verzinsen war. Für die Jahre 1999 und 2000 wurden ihm diese Zinsen auf dem Sparbuch auch gutgeschrieben. Am 15. 2. 2001 wurde über das Vermögen der T***** Bank AG zu AZ 44 S 43/01x des HG Wien der Konkurs eröffnet. Am 20. 3. 2001 hat daraufhin Johannes D***** von der beklagten Partei als der gewährleistungspflichtigen Sicherungseinrichtung iSd § 93 BWG die Auszahlung der Einlage verlangt. Diese anerkannte den Sicherungsanspruch und überwies Johann D***** am 15. 6. 2001 S 210.941,29.

Wegen der Auszahlung des Sparguthabens vor Ablauf der Bindungsfrist waren dabei Johann D***** gemäß § 32 Abs 8 BWG Vorschusszinsen berechnet worden, die den Auszahlungsbetrag um S 1.768,08 gemindert hatten. Abrechnungszeitpunkt war der 15. 2. 2001; für die Zeit nachher wurden keine Habenzinsen mehr gutgeschrieben. Johann D*****, der meint, die Vorschusszinsen seien ihm zu Unrecht von seinem Sparguthaben abgezogen worden, hat den diesbezüglichen Auszahlungsanspruch zum Inkasso und zur Klagsführung an die klagende Partei (einer in § 29 Abs 1 KSchG angeführten Kammer) abgetreten. Mit der seit 17. 7. 2001 gerichtsanhängigen Klage begehrt nunmehr die klagende Partei von der beklagten Partei die Zahlung von S 1.768,06 (EUR 128,49) samt 4 % Zinsen seit 16. 5. 2001. Ihre über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehenden Klagsangaben erschöpfen sich in Rechtsausführungen, auf die ohnehin im Rahmen der rechtlichen Beurteilung einzugehen sein wird.

Die beklagte Partei hat - ebenfalls aus noch zu erörternden rechtlichen Erwägungen - die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens beantragt. In der Sache brachte sie noch vor, dass der Masseverwalter (bisher) die eingeklagte Forderung nicht anerkannt habe und sie dementsprechend auch nicht (als Konkursforderung) festgestellt worden sei. Durch die Konkurseröffnung sei überdies die Geschäftsgrundlage einer längerfristigen Bindung und dementsprechend höheren Verzinsung des Sparguthabens weggefallen.

Darauf replizierte die klagende Partei, dass sich die beklagte Partei nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen könne, weil die Insolvenz der Trigon Bank AG ihre Sphäre zuzurechnen sei. Die mangelnde Anerkennung der eingeklagten Forderung durch den Masseverwalter bzw deren Feststellung im Konkurs wurde nicht substanziert bestritten.

Der Nebenintervenient trat dem Antrag der beklagten Partei bei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat den Standpunkt, dass dem Bankwesengesetz nicht zu entnehmen sei, dass der Betrag, den die Einlagensicherung auszuzahlen hat, jener sei, den der Masseverwalter (nach Maßgabe seines Anerkenntnisses) der Einlagensicherung bekannt gibt. § 93 Abs 3 BWG statuiere nur, dass die Sicherungseinrichtungen für den Fall der Eröffnung des Konkurses über ein Mitgliedsinstitut zu gewährleisten haben, dass die Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von EUR 20.000,-- pro Einleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ausbezahlt werden. Faktische Schwierigkeiten der Abrechnung seien kein Grund, die Auszahlung zu verweigern. Auch das Argument, dass die Einlagensicherung eine Regressforderung im Konkurs nur in jenem Ausmaß geltend machen könne, wie sie vom Masseverwalter anerkannt wurde, greife nicht. Eine analoge Anwendung des § 93 Abs 3a BWG, wonach Höhe und Berechtigung der Forderung (stets, also auch im Fall von Forderungen aus Einlagen) festzustellen seien, komme nicht in Frage. Die Notwendigkeit eines Analogieschlusses sei nicht erkennbar; es sei nicht ersichtlich, inwiefern in § 93 Abs 3 BWG eine planwidrige Lücke vorliegen solle. Dem Einleger sei jene Einlage auszuzahlen, die sich guthabensmäßig bis zum Datum der Konkurseröffnung auf seinem Konto angesammelt hat. Gemäß § 32 Abs 8 BWG seien bei vor Fälligkeit gebundener Spareinlagen geleisteter Zahlungen Vorschusszinsen in Höhe von einem Promille pro vollem Monat für die nicht eingehaltene Bindungsdauer zu bezahlen. Diese Vorschusszinsen stellten Strafzinsen bei vorzeitiger Abhebung durch den Kunden dar. Sinn und Zweck der Regelung könne nur sein, dass der Einleger dem Kreditinstitut dafür, dass dieses eine kürzere als die vorgesehene Zeit mit seinem Geld zu arbeiten in der Lage sei, eine Art gesetzlicher Vertragsstrafe zu zahlen habe. Dies sei insbesondere daraus zu ersehen, dass sich § 32 BWG mit Einzahlungen, Auszahlungen und Verzinsungen beschäftige, allesamt Vorgänge unter aufrechtem Geschäftsbetrieb des Kreditinstitutes. Nicht darunter könnten nach dem Sinn der Regelung solche Beträge fallen, die eine Forderung (insbesondere eine besonders gesicherte Forderung) des Einlegers betreffen, wenn keine (normale) Auszahlung vorliegt, sondern einer finalisierenden Abrechnung eines Guthabens oder gar eine Generalbereinigung sämtlicher Kundenforderungen im Konkurs. Der Einleger könne gar nicht verhindern, dass die Fälligkeit eintritt, weshalb auch nicht ersichtlich sei, warum für seine Gelder eine Abzinsung erfolgen sollte. Er bleibe ja grundsätzlich bindungsbereit, das Kreditunternehmen gehe in Konkurs. Der Umstand, dass § 14 Abs 2 KO lediglich eine Fälligkeit fingiere, die materiell-rechtliche Fälligkeit somit nicht berühre, habe keinen Einfluss auf § 32 Abs 8 BWG, da es sich in diesem Fall nicht um eine Zahlung im Sinne dieser Bestimmung handle. Die Berechnung von Vorschusszinsen sei sohin nicht gerechtfertigt. Ebenso sei nicht ersichtlich, wieso bis zur Konkurseröffnung der Zinssatz von 4 % nicht zur Anwendung gelangen sollte; bis zur Konkurseröffnung stünden dem Einleger jedenfalls Zinsen zu. Letztlich komme der von der beklagten Partei eingewendete Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Frage, da die Insolvenz des Kreditunternehmens ihrer Sphäre zuzurechnen sei.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht wies hingegen das Klagebegehren ab. Es ging dabei von folgenden Erwägungen aus:

Eingangs der Berufung habe die Berufungswerberin erklärt (was wiederum in der Berufungsbeantwortung unwidersprochen geblieben sei), dass die dem Einleger bis zur Konkurseröffnung zustehenden Zinsen ohnehin verrechnet wurden, indem zunächst die Zinsen vom 1. 1. 2001 bis 15. 2. 2001 gutgeschrieben, dann aber Vorschusszinsen für die nicht eingehaltene Bindungsdauer berechnet und um diesen Betrag die Guthabenszinsen vermindert wurden. Mit dem Gang des Verfahrens erster Instanz lasse sich das aber nicht in Einklang bringen. Die klagende Partei habe in ihrer Mahnklage einerseits S 794,72 an Zinsen für den Zeitraum 1. 1. 2001 bis 15. 2. 2001 und andererseits die in Abrechnung gebrachten Vorschusszinsen von S 973,34 begehrt, was die beklagten Partei nur dem Grunde nach bestritten habe. Ihr damit im Widerspruch stehendes Vorbringen, sie habe der klagenden Partei die Zinsen für den Zeitraum 1. 1. 2001 bis 15. 2. 2001 sozusagen im Verrechnungsweg gutgeschrieben, sei daher, da es gegen das Neuerungsverbot gemäß § 482 ZPO verstoße, nicht zu berücksichtigen. Im übrigen würden sich Ausführungen zur Höhe des Klagebegehrens aber aus rechtlichen Gründen ohnehin erübrigen.

Soweit die beklagte Partei geltend mache, dass es ihr unmöglich sei, Auszahlungen über das von der Gemeinschuldnerin im Zusammenwirken mit dem Masseverwalter festgestellte Ausmaß vorzunehmen, und zwar einerseits auf praktischen Gründen, andererseits deshalb, weil die Einlagensicherung in analoger Anwendung des § 93 Abs 3a BWG nur in jenem Ausmaß eine Regressforderung im Konkurs geltend machen könne, in dem sie vom Masseverwalter anerkannt wurde (wobei der Masseverwalter verpflichtet sei, der Sicherungseinrichtung alle für deren Tätigwerden notwendigen Informationen zu geben), sei ihrer Argumentation nicht zu folgen. Die praktischen Schwierigkeiten (dass es nicht möglich sei, die Zinsen ohne Vorschusszinsen automationsunterstützt zu berechnen) stellen keinen rechtlichen Grund dar, die Auszahlung von (weiteren) Zinsen zu verweigern. Es treffe auch nicht zu, dass die Einlagensicherung nur in jenem Ausmaß eine Regressforderung im Konkurs geltend machen könne, wie sie vom Masseverwalter anerkannt wurde. Der Hinweis auf § 93 Abs 3a BWG versage, weil im konkreten Fall nicht diese Bestimmung, sondern § 93 Abs 3 BWG anzuwenden sei und sich die beiden Bestimmungen schon nach dem Gesetzestext voneinander unterschieden. Es sei weder die Notwendigkeit eines Analogieschlusses erkennbar noch lasse sich der Schluss ziehen, dass § 93 Abs 3 BWG im Verhältnis zu § 93 Abs 3a BWG eine planwidrige Lücke aufweist. § 93 Abs 3 BWG habe den Schutz von Einlagen zum Inhalt, Abs 3a der zitierten Bestimmung befasse sich hingegen mit den Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen.

Beide Gesetzesbestimmungen seien infolge von Richtlinien ergangen, nämlich der Richtlinie 94/19/EG vom 30. 5. 1994 über Einlagensicherungssysteme und der Richtlinie 97/9/EG vom 3. 3. 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger. Nach Art 10 der erstangeführten Richtlinie hätten die Einlagensicherungssysteme - was durch § 93 Abs 3 BWG sichergestellt werde - Vorkehrungen zu treffen, um Forderungen der Einleger in Bezug auf nicht verfügbare Einlagen binnen drei Monaten ab dem Zeitpunkt zahlen zu können, zu dem die zuständigen Behörden die Feststellung nach Art 1 Nr. 3 Z 1 getroffen haben oder das Gericht die Entscheidung nach Art 1 Nr. 3 Z 11 getroffen hat. Art 1 Nr. 3 definiere den Begriff der nicht verfügbaren Einlage ("die gemäß den für sie geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zwar fällig und von einem Kreditinstitut zu zahlen ist, jedoch noch nicht gezahlt wurde"), wobei als weitere Voraussetzung vorliegen müsse, dass entweder die jeweils zuständigen Behörden festgestellt haben, dass ihrer Auffassung nach das Kreditinstitut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, die Einlage zurückzuzahlen und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Rückzahlung besteht oder ein Gericht aus Gründen, die mit der Finanzlage des Kreditinstituts unmittelbar zusammenhängen, eine Entscheidung getroffen haben, die ein Ruhen der Forderungen der Einleger gegen das Institut bewirkt, sofern diese Entscheidung vor der Feststellung nach Z 1 erfolgt ist. Von einer Prüfung der Forderung in Bezug auf deren Berechtigung und Höhe sei in dieser Richtlinie nicht die Rede - ganz im Gegensatz zur zweitzitierten Richtlinie aus dem Jahr 1997. Nach deren Art 9 Abs 2 müsse das System in der Lage sein, die Forderungen der Anleger möglichst bald, spätestens aber drei Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem die Berechtigung und die Höhe der Forderung festgestellt wurden, zu erfüllen. Eine dem Art 1 Nr. 3 Z 1 und Z 11 der Richtlinie aus 1994 vergleichbare Bestimmung enthalte Art 1 der Richtlinie aus dem Jahr 1997 nicht. Das könne aber nur den Sinn und Zweck haben, dass es Absicht des Gesetzgebers war, den Schutz im Bereich der Einlagensicherung nicht völlig ident mit jenem betreffend Wertpapierdienstleistungen zu regeln; möglicherweise spiele hier der Umstand eine Rolle, dass die Feststellung von Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen dem Grunde und der Höhe nach schwieriger und langwieriger ist als die bloße Abrechnung einer Spareinlage. Ungeachtet dessen stehe der klagenden Partei bzw dem Einleger kein Anspruch auf Zahlung der strittigen Vorschusszinsen aus seiner Einlage zu. Als Einlage sei im Sinn des § 93 Abs 2 Z 2 BWG bzw Art 1 Punkt 1. der Richtlinie 94/19/EG ein Guthaben anzusehen, das sich aus auf einem Konto verbliebenen Beträgen oder aus Zwischenpositionen im Rahmen von normalen Bankgeschäften ergibt und vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen ist. Der Kläger habe bei der T***** Bank AG unstrittigerweise ein Guthaben gehabt; zu prüfen sei allerdings, welchen Betrag er nach den zitierten geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückerhält. Diesbezüglich sei zunächst auf § 14 Abs 2 KO Bedacht zu nehmen, wonach betagte, also befristete Forderungen im Konkurs als fällig gelten. Die Fälligkeit sei jedoch nur soweit als vorhanden anzusehen, als es zum Zweck der Geltendmachung im Konkurs erforderlich ist, also zur Feststellung der Forderungen, zur Teilnahme an Abstimmungen und Verteilungen, zur Vornahme der Aufrechnung. Der Gläubiger habe das Recht, bei Verteilungen auch auf seine noch nicht fällige Forderung den Teil zu fordern, der auf sie entfiele, wäre sie fällig (Bartsch/Pollak/Buchegger, Österr. Insolvenzrecht4, Rz 13 zu § 14 unter Verweis auf Petschek/Reimer/Schiemer 115). Dies bedeute, dass die konkursspezifische Fälligstellung der Forderung auf eine rasche Bereinigung ziele und keine materiellrechtlichen Folgen habe; beispielsweise bleibe der in Aussicht genommene Leistungstermin weiterhin maßgeblich für allfällige Verzugsfolgen (JBl 1981, 99). Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeute dies, dass der Einleger zwar berechtigt war, seine befristete Forderung auf Grund des Konkurses geltend zu machen, weil sie als fällig angesehen wird; materiell-rechtlich habe sich jedoch an der Fälligkeit nichts geändert. Unstrittiger Weise sei die klagsgegenständliche Spareinlage bis 12. 2. 2002 gebunden worden, die materiellrechtliche Fälligkeit somit am Tag der Konkurseröffnung der Trigon Bank AG, am 15. 2. 2001, noch nicht gegeben gewesen. Wird nun aber die Auszahlung einer Spareinlage, die auf eine bestimmte Laufzeit gebunden ist, vor Fälligkeit begehrt, so sei § 32 Abs 8 BWG heranzuziehen. Demnach könnten Spareinlagen auf eine bestimmte Laufzeit gebunden werden. Vor Fälligkeit geleistete Zahlungen seien als Vorschüsse zu behandeln und zu verzinsen. Für diese Vorschüsse sei ein von 1.000 pro vollem Monat für die nicht eingehaltene Bindungsdauer zu berechnen. Die Bestimmung stelle nicht darauf ab, aus welchem Grund eine Auszahlung vor Fälligkeit erfolgt; selbst wenn man daher darauf Bedacht nimmt, dass sich diese Bestimmung primär an den Einleger richtet, der mit dieser Norm verpflichtet wird, seine Einlage nicht vor Ablauf der Bindungsfrist abzuheben, will er nicht eine Zinseneinbuße erleiden, so ändere dies auf Grund der Formulierung der zitierten Gesetzesbestimmung (Sonderbestimmungen dazu existierten nicht, ebenso fehlten Anhaltspunkte, dass es hier eine planwidrige Gesetzeslücke geben sollte), nichts daran, dass bei einer Spareinlage, die vor ihrer materiellrechtlichen Fälligkeit ausgezahlt werden soll, eine Abzinsung zu erfolgen hat. Dies habe zur Folge, dass der Einleger eine Abrechnung von Vorschusszinsen hinzunehmen hat. Dem Argument, der Anleger sei außer Stande, den Eintritt der Fälligkeit zu verhindern, weshalb nicht ersichtlich sei, warum für seine Gelder eine Abzinsung erfolgen solle, er somit auf Grund eines Umstandes, der nicht in seiner Sphäre lag, eine Minderung hinnehmen sollte, könne Folgendes entgegengehalten werden:

Richtig sei zwar, dass der Nichteintritt der Fälligkeit im Fall der Konkurseröffnung über die Bank, bei der sich die Spareinlage befindet, nicht verhindert werden kann. Dem Anleger stehe es aber frei, von der Einlagensicherungseinrichtung die Auszahlung der Einlage zu begehren und den daraufhin ausgezahlten Betrag neuerlich (gebunden) anlegen. Würde man nun dem Einleger in einem solchen Fall die gesamten Zinsen der Spareinlage, nämlich bis zum ursprünglich vorgesehenen Ende der Laufzeit, auszahlen, so wäre der Anleger damit letztlich bereichert. Er erhielte nämlich nicht nur eine Gesamtauszahlung, die jener entspricht, die er erhalten würde, wenn er seine Einlage für die vertraglich vereinbarte Zeit bei einer Bank liegen lässt, sondern weitere Zinsen, möglicherweise in der selben Höhe, was dadurch möglich wird, dass ihm die Spareinlage schon vorzeitig, also vor Ablauf der Laufzeit, ausbezahlt und neuerliche vertraglich gebunden wird. Wenn nun auch ein Ziel der erwähnten EG-Richtlinie der Schutz der Sparer ist, so sei damit zwar beabsichtigt, dass der Anleger in Fällen wie diesem innerhalb kürzester Zeit eine Entschädigung aus der Einlagensicherung erhält (siehe dazu die Ausführungen in der Präambel der Richtlinie); Sinn und Zweck könne es wohl aber nicht sein, dass der Anleger letztlich besser gestellt wird bzw bei entsprechender Reaktion seinerseits gestellt werden kann, wenn ein Fall wie der gegenständliche eintritt. Der Zweck der Richtlinie und auch des darauf aufbauenden Bankwesengesetzes, nämlich sicherzustellen, dass die Sicherheit von Spareinlagen auch durch den Insolvenzfall einer Kreditunternehmung nicht beeinträchtigt wird, werde durch die Auszahlung der ursprünglichen Einlage sowie durch die Zuerkennung von Zinsen (wenn auch nicht im Ausmaß der gesamten Laufzeit) jedenfalls erfüllt. Was den Zeitraum zwischen der Konkurseröffnung und der Auszahlung der (abgezinsten) Einlage betreffe, könnte ein allfälliger Schadenersatzanspruch des Anlegers nach § 21 KO im Raum stehen. Ein solcher Anspruch, der anstelle jenes auf restliche Vertragserfüllung tritt, sei kein Schadenersatzanspruch im Sinne der §§ 1293 f ABGB, weil er an kein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten geknüpft ist (WBl 1991, 403). Derartige Ansprüche stellten ihrem Inhalt nach Differenzansprüche wegen Nichterfüllung des Vertrages dar (RdW 1984, 206). Solche Schadenersatzansprüche richteten sich allerdings gegen den Gemeinschuldner bzw den für ihn handelnden Massenverwalter, nicht aber gegen die beklagte Partei. Eine abschließende Klärung dieser Frage könne daher für das vorliegende Verfahren dahinstehen. Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur verfahrensgegenständlichen Frage der Abzinsung von Spareinlagen bei Auszahlung vor Fälligkeit infolge Konkurseröffnung der Kreditunternehmung fehle nämlich, soweit ersichtlich, eine Rechtsprechung des OGH. Es handle sich hiebei - vor allem im Hinblick auf die beispielhafte Wirkung für andere Anleger - um eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.

Mit der jetzt vorliegenden Revision strebt die klagende Partei die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Die beklagte Partei hat dagegen in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei mangels Erfüllung der in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen für die Anrufung des OGH zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der Revisionswerberin ist beizupflichten, dass die vom Berufungsgericht für die Abweisung des Klagebegehrens ins Treffen geführten Argumente insoweit nicht stichhältig sind, als sie von der Annahme ausgehen, die Vorschusszinsen für die vorfällige Auszahlung des Sparguthabens seien auch mit Habenzinsen verrechnet worden, die nach dem 15. 2. 2001 - dem Tag der Eröffnung des Konkurses über die T***** Bank AG - aufgelaufen sind bzw aufgelaufen wären. Tatsächlich war es so, dass Einlagezinsen nur bis zum 15. 2. 2001 abgerechnet wurden. Der daraus resultierende Betrag und dazu noch ein Teil der für das Jahr 2000 gutgeschriebenen Zinsen wurde allerdings durch die nach Ansicht der beklagten Partei geschuldeten Vorschusszinsen aufgezehrt, woraus sich - der Höhe nach unstrittig - ein Abzug von S 1.768,08 vom Sparguthaben zum 15. 2. 2001 inklusive 4 % Zinsen bis zu diesem Tag ergab. Demnach versagt auch das Argument, die von der klagenden Partei geforderte Auslegung des § 32 Abs 8 BWG könnte dazu führen, dass Johannes D***** die Zinsen für seine Spareinlage im Zeitraum zwischen der Auszahlung und dem Ablauf der Bindungsfrist am 12. 2. 2002 zweimal lukriert, indem er den ausgezahlten Betrag sofort wieder veranlagt. Eine derartige Bereicherung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil Zinsengutschriften nur für ein tatsächlich veranlagtes Vermögen gebühren.

Den sonstigen Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes ist jedoch zu folgen.

Ihnen hält die Revisionswerberin im Wesentlichen entgegen, dass es sich bei den in § 32 Abs 8 BWG geregelten Vorschusszinsen um Strafzinsen nach Art des Reuegelds handle, die dann zu zahlen sind, wenn der Anleger von seinem Versprechen einer längerfristigen Bindung des der Bank zur Verfügung gestellten Kapitals zurücktritt. Sie auch im Fall der Insolvenz der Bank zu verlangen, würde dem Wesen der Anlegerentschädigung widersprechen, da die Insolvenz der Bank nicht der Sphäre des Anlegers zugerechnet werden könne. Dieser habe keinerlei Einfluss auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung, der aber nach § 32 Abs 8 BWG für die Höhe der verrechenbaren Vorschusszinsen maßgeblich wäre. Im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers, die Entschädigung der durch eine Insolvenz der Bank betroffenen Anleger möglichst rasch abzuwickeln, wäre es auch widersinnig, den Anleger mit der Antragstellung auf Auszahlung der Einlage bis zum Ablauf der Bindungsfrist zuwarten zu lassen, um so allenfalls die Verrechnung von Vorschusszinsen zu verhindern. Zu bedenken sei in diesem Zusammenhang auch, dass der Anleger ja ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung bis zur Auszahlung durch das die Einlagen sichernde Institut wegen des Konkurses keine Zinsen bekommt, sodass ihm durch das Zuwarten und die dadurch nicht mögliche Wiederveranlagung ein noch größerer Zinsenschaden als im Fall der Verrechnung von Vorschusszinsen für diesen Zeitraum entstehen würde.

Dazu wurde erwogen:

Gemäß § 93 Abs 3 BWG haben Sicherungseinrichtungen zu gewährleisten, dass (ua) im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Mitgliedsinstituts Einlagen bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 Euro pro Einleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von 3 Monaten ausbezahlt werden. Einzustehen haben die Sicherungseinrichtungen also (bis zum genannten Höchstbetrag) für die Einlageschuld der insolventen Bank. Dass diese Schuld auch die zugesagten Zinsen umfasst, ist unstrittig.

Gemäß § 32 Abs 8 BWG können Spareinlagen - wie im gegenständlichen Fall geschehen - auf eine bestimmte Laufzeit gebunden werden. Vor Fälligkeit geleistete Zahlungen sind diesfalls als Vorschüsse zu behandeln und zu verzinsen, wobei 1 vT pro vollem Monat für die nicht eingehaltene Bindungsdauer zu berechnen sind.

Mangels gegenteiliger Vereinbarung gilt dies auch für den hier zu beurteilenden Fall. Es ist daher zu prüfen, ob die Auszahlung der Einlage durch die beklagte Partei auf Verlangen des Johannes D***** rund 1 Jahr vor Ablauf der Bindungsfrist "vor Fälligkeit" erfolgte. Die klagende Partei verneint dies mit dem Argument, dass gemäß § 14 Abs 2 KO betagte Forderungen im Konkurs als fällig gelten. Zu Recht hat jedoch schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass damit nur der Teilnahmeanspruch des Konkursgläubigers definiert wird. Die Fälligkeit einer betagten Forderung ist nur so weit als vorhanden anzusehen, als es zum Zweck der Geltendmachung im Konkurs erforderlich ist. Materiellrechtlich ändert sich jedoch die Fälligkeit nicht. Außerhalb des Konkurses, also insbesondere im Hinblick auf Dritte, kann die Forderung nur geltend gemacht werden, wenn die Fälligkeit bereits gekommen ist (Apathy in Österreichisches Insolvenzrecht4, Rz 13 f zu § 14 KO mwN).

Es ist daher zu untersuchen, ob im Rahmen der Einlagensicherung, die zweifellos durch Dritte erfolgt, mit der betraglichen Beschränkung auf Euro 20.000 nur für die Konkursforderung des Einlegers gegen die insolvente Bank einzustehen ist oder ob es sich um eine eigene, von den Sondervorschriften über die Teilnahmeansprüche am Konkurs losgelöste Forderung gegen das zur Einlagensicherung berufene Institut handelt.

Letzteres trifft zu.

Schon aus § 93 Abs 3 BWG ergibt sich die Eigenständigkeit des Sicherungsanspruchs, weil der Konkurs der Bank (Z 1 leg cit) nur ein Anlassfall neben anderen (Z 2 bis 4 leg cit) für die mit 20.000 Euro limitierte Einlagenrückgewähr ist. Dabei sind alle Gewährleistungsfälle (von hier nicht relevanten Besonderheiten abgesehen) gleich zu behandeln. In einigen kommt die Anwendung des formellen und materiellen Insolvenzrechts gar nicht in Frage. Anderseits gilt auch im Fall des Konkurses, dass gefährdete Einlagen auf Verlangen und nach Legitimierung des jeweiligen Einlegers idR innerhalb von drei Monaten auszuzahlen sind, was mit der Anmeldung und Prüfung der Forderung im Konkurs kaum zu verwirklichen wäre. Verstärkt wird die in § 93 Abs 3 BWG zum Ausdruck kommende Abkehr von konkursrechtlichen Vorstellungen durch die Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme, die - wie dies auch das Berufungsgericht getan hat - zur Auslegung des § 93 Abs 3 BWG herangezogen werden kann, weil diese Gesetzesbestimmung ja den Anspruch erhebt, richtlinienkonform zu sein. In der Präambel der zitierten Richtlinie heißt es, dass die Einlagensicherungssysteme tätig werden müssen, sobald Einlagen nicht verfügbar werden (womit keinesfalls nur der Konkurs des betroffenen Kreditinstituts gemeint ist) und die Zahlung der Mindestdeckung innerhalb kürzester Frist gewährleistet werden soll. Schließlich wurde eine Harmonisierung der Einlagensicherung in allen Mitgliedstaaten angestrebt, die nicht auf insolvenzrechtliches Partikularrecht Rücksicht nehmen kann.

Aus dieser Eigenständigkeit des Einlagensicherungsanspruchs folgt, dass er nicht am Maßstab eines Konkursteilnahmeanspruchs zu messen ist. Für den Anspruch auf Auszahlung einer nicht verfügbar gewordenen Einlage gilt daher auch nicht die Vorverlegung der Fälligkeit auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung, wie sie § 14 Abs 2 KO für Konkursforderungen anordnet. Der durch die Einlagensicherung dennoch herbeigeführte Effekt einer dem Anleger "aufgedrängten" vorzeitigen Abberufung seiner längerfristig gebundenen Einlage ist aber für sich kein Argument, das sich aus § 32 Abs 8 MRG ergebende Recht der Bank bzw des die Einlage sichernden Instituts zur Einbehaltung von Vorschusszinsen in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass die Auszahlung der Einlage im Rahmen des Sicherungssystems ein formelles "Verlangen" des Anlegers voraussetzt, ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber einen die Einlagesicherung in Anspruch nehmenden Anleger anders behandeln wollte als jenen, der in Befürchtung einer drohenden Insolvenz der Bank seine längerfristig gebundene Einlage kurz vor der Konkurseröffnung abzieht.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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