OGH 16Ok8/02

OGH16Ok8/0216.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in der Kartellrechtssache der Antragstellerin T***** GmbH, *****, vertreten durch Brandl & Talos, Rechtsanwälte-Kommanditpartnerschaft in Wien, wider die Antragsgegnerin G***** GmbH, *****, vertreten durch Neuhofer Griensteidl Hahnkampfer Stampf & Partner, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Untersagung der Durchführung einer vertikalen Vertriebsbindung, Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, Untersagung der Durchführung eines Kartells und Feststellung gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 15. April 2002, GZ 27 Kt 491/98, 27 Kt 120, 121/00-87,

1. gemäß § 89 Abs 1 Z 2 KartG durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horst Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Birgit Langer und Dr. Manfred Vogel sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Thomas Lachs als weitere Richter infolge Rekurses der antragstellenden Partei den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

2. gemäß § 92 Abs 2 KartG durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horst Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Birgit Langer und Dr. Manfred Vogel infolge Kostenrekurses der Antragsgegnerin den Beschluss

gefasst:

Dem Kostenrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Antragstellerin und Antragsgegnerin sind Gesellschaften mbH österreichischen Rechts und befassen sich mit der Rückerstattung von Verkehrssteuern (insbesondere der Umsatzsteuer) an Touristen mit dem Wohnsitz außerhalb der Europäischen Union, die Waren aus dem Gemeinschaftsgebiet ausführen. Beide bieten Einzelhändlern die Abwicklung der Rückerstattung der Umsatzsteuer bei sogenannten Touristenexporten, die der Einzelhändler bei einem Umsatzgeschäft von Touristen als Teil des Preises vereinnahmte, an. Sie schließen dazu Verträge mit Einzelhändlern ab. Dem Einzelhändler werden eigene Rückvergütungsformulare zur Verfügung gestellt. Tätigt der Einzelhändler mit einem Touristen aus einem Nicht-EU-Staat ein Umsatzgeschäft, so stellt er das Formular aus, in dem Kaufgegenstand und Rechnungsbetrag vermerkt sind. Der Tourist holt auf diesem Formular bei der Ausreise aus dem Gemeinschaftsgebiet die zollamtliche Ausfuhrbestätigung ein und leitet abschließend das Formular an den Rückvergüter weiter, der ihm den Umsatzsteuerbetrag (vermindert um eine Provision des Rückvergüters) erstattet. Der Tourist kann das Formular beim Rückvergüter im Postweg einreichen ("Mail Refund") und erhält den Betrag auf sein Konto überwiesen oder es wird ihm ein Scheck über den Betrag zugesandt. Der Tourist kann das Formular mit der zollamtlichen Ausfuhrbestätigung auch bei einer vom Rückvergüter an der Grenze unterhaltenen Auszahlungsstelle einreichen. Diese nimmt das Formular entgegen und zahlt den Rückerstattungsbetrag in bar aus. In beiden Fällen rechnet der Rückvergüter anschließend mit dem seinem System angeschlossenen Einzelhändler, allenfalls auch direkt mit dem Finanzamt ab. Die Antragstellerin ist Tochter der T***** B.V., die zur T*****-Gruppe mit Stammsitz in Irland gehört. Sie begann im April 1998 mit dem Aufbau ihres Systems in Österreich.

Die Antragsgegnerin hat auf dem österreichischen Markt der gewerblichen Umsatzsteuerrückvergütung einen Anteil von zumindest 90 %. Cirka 90 % aller Umsatzsteuerrückvergütungen der Antragsgegnerin erfolgen in bar, hievon cirka 25 % am Flughafen Wien-Schwechat. Die Antragsgegnerin traf 1988 mit dem ÖCI, der PSK und RB Schwechat Vereinbarungen über die Barauszahlung der Umsatzsteuerrückvergütung im Namen und auf Rechnung der Antragsgegnerin durch Geschäftsstellen dieser Kreditinstitute am Flughafen Wien-Schwechat. 1993 wurde eine entsprechende Vereinbarung mit der BA getroffen. Der Vertrag mit der PSK wurde 1992 beendet, weil die von ihr bezahlte Provision aus Sicht der PSK nicht zufriedenstellend war. In den Vertrag mit dem ÖCI ist an dessen Stelle die Erste getreten. In diesen Verträgen haben sich die Kreditinstitute verpflichtet, Umsatzsteuerrückvergütungen in bar nur für die Antragsgegnerin durchzuführen. Diese verpflichtete sich, nur mit diesen Banken am Flughafen Wien-Schwechat zusammen zu arbeiten und ausschließlich von diesen die Umsatzsteuerrückvergütungen durchführen zu lassen. Ferner wurde vereinbart, nur in Koordination und Zusammenarbeit mit diesen Banken vorzugehen, wenn die Antragsgegnerin eine eigene Auszahlungsstelle am Flughafen Wien-Schwechat einrichten wolle. Die Verträge wurden mit Kündigungsmöglichkeit zum Jahresende unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten abgeschlossen.

Die Erste lehnte vorerst den Abschluss einer Vereinbarung mit der Antragstellerin über die Auszahlung von Umsatzsteuerrückvergütungen in bar durch ihre Geschäftsstelle am Flughafen Wien-Schwechat mit der Begründung ab, es sei ihr aus vertraglichen Gründen nicht möglich, mit der Antragstellerin zusammen zu arbeiten. Ein Manager der BA teilte dem Geschäftsführer der Antragstellerin Gleichartiges mit; wenn die bestehende Vereinbarung abgelaufen sei, werde er sich wieder an die Antragstellerin wenden. Mit der RB Schwechat schloss die Antragstellerin eine Vereinbarung über die Auszahlung von Umsatzsteuer-Rückvergütungen für sie durch die Geschäftsstelle der RB Schwechat am Flughafen Wien-Schwechat ab. Die Antragsgegnerin, die hievon schon vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung erfahren hatte, wies die RB Schwechat auf die Exklusivvereinbarung und die Unüblichkeit der Zusammenarbeit mit mehreren Umsatzsteuerrückvergütern hin, worauf die RB Schwechat der Antragstellerin mitteilte, dass eine Zusammenarbeit aufgrund der Vereinbarung mit der Antragsgegnerin bis auf weiteres nicht möglich sei. Die Antragstellerin suchte auch vergeblich mit der Post und der PSK in Geschäftsverbindung zu kommen.

Im Februar 1999 richtete die Antragstellerin eine Auszahlungsstelle im Dutyfree-Shop der AUA am Flughafen Wien-Schwechat ein, löste sie jedoch nach drei Monaten wieder auf, weil sie infolge der Monatsmiete von damals S 30.000 und der Personalkosten für vier Mitarbeiter während der Öffnungszeiten von 18 Stunden je Tag nicht interessant erschien.

In der BA herrscht nunmehr die Auffassung vor, dass die in der mit der Antragsgegnerin geschlossenen Vereinbarung vom 7. 4. 1993 enthaltene Exklusivklausel EU-rechtswidrig und unwirksam sei, und bestätigte daher der Antragstellerin, dass keine aufrechte Exklusivverpflichtung bestehe. Die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin machte die BA von einer internen Entscheidung abhängig, trat deren Vorschlag jedoch letztlich aus Platzgründen (wegen der verfügbaren Kojengröße) und der erwarteten mangelnden Lukrativität einer Zusammenarbeit mit der Antragstellerin nicht näher.

Die Erste fühlte sich als Rechtsnachfolgerin des ÖCI unter anderem infolge der Kündbarkeit der Vereinbarung mit der Antragsgegnerin schon seit 1992 an eine Exklusivklausel ebenso wenig gebunden wie die Antragsgegnerin. Ein Vertragsschluss mit der Antragstellerin unterblieb aber ebenfalls aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Der RB Schwechat traf mit der Antragsgegnerin Anfang 1999 eine neue Vereinbarung über die Auszahlung von Umsatzsteuerrückvergütungen am Flughafen Wien-Schwechat, die Verträge mit anderen Umsatzsteuervergütern erlaubt. Einen Vertrag mit der Antragstellerin lehnte sie aus der Überlegung ab, dass sie mit der Antragsgegnerin schon zwölf Jahre erfolgreich zusammenarbeite, die Ertragsaussichten bei der erst seit einigen Monaten im Firmenbuch eingetragene Antragstellerin ungewiss erschienen und die räumliche Situation eine Zusammenarbeit mit einem anderen Umsatzsteuerrückvergüter nicht in Frage kommen lasse. Für die Neugestaltung des Vertragsverhältnisses Anfang 1999 war es auch maßgeblich, dass die RB Schwechat die bis dahin bestehende - durch Konventionalstrafe gesicherte - Exklusivklausel insbesondere im Hinblick auf die oben dargestellte Vereinbarung mit der Antragstellerin als bedrohlich empfand und eine Kündigung seitens der Antragsgegnerin abwenden wollte. Bereits vor Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Riegerbank fanden zwischen dieser und der Antragstellerin Gespräche über eine Kooperation im Bereich der Mehrwertsteuerrückvergütung statt, die am 18. 5. 1999 zum Abschluss eines Vertrags über die Bereitstellung eines Mehrwertsteuerrückerstattungsservices für Barrückzahlungen in inländischer Währung am Wiener Flughafen führten. Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit geschlossen. An eine Vertragsauflösung seitens des Masseverwalters ist nicht gedacht.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass die vor dem EU-Beitritt Österreichs in Verträge aufgenommenen Exklusivklauseln nunmehr rechtswidrig und ungültig seien, und besteht seither nicht mehr auf der Einhaltung der Exklusivvereinbarung. Dies gilt auch für Händlerverträge, die in älteren Fassungen bestimmen, dass der Händler nicht berechtigt sei, Umsatzsteuerrückerstattungen von oder mit anderen Unternehmen durchführen zu lassen. Neuere Verträge und die derzeit - insbesondere mittels der nun verwendeten Vertragsformulare - geschlossenen Verträge sehen Exklusivklauseln gegenüber Händlern nicht vor. Im April und Mai 2001 wies die Antragsgegnerin in den an ihre Händler gerichteten Rundschreiben darauf hin, dass mit dem Beitritt Österreichs zur EG manche Formulierungen in ihren Verträgen, insbesondere die Ausschließlichkeitsklausel, hinfällig geworden sei. Zur Klarstellung hielt sie fest, dass solche Vertragsklauseln seit 1. 1. 1995 keine Gültigkeit mehr hätten.

Nicht erwiesen ist der Verdacht, dass die Antragsgegnerin die Banken mit ihrem Rückzug vom Flughafen unter Druck setze, um einen Marktzugang der Antragstellerin zu verhindern, ebenso nicht die Behauptung, die Salzburger Sparkasse lehne (im Fall des Flughafen Salzburg) aufgrund einer Exklusivvereinbarung mit der Antragsgegnerin eine Zusammenarbeit mit der Antragstellerin ab. Nicht erwiesen ist auch, dass die Antragsgegnerin die Auszahlungsstellen am Flughafen (bzw die diese betreibenden Unternehmen) oder Händler faktisch zur Exklusivität zwinge oder zu einem solchem Verhalten beitrage. Insgesamt wurden von den Banken, mit denen die Antragsstellerin eine Zusammenarbeit anstrebt, überzeugend betriebswirtschaftliche Erwägungen und wirtschaftliche Erwartungen als Gründe für die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der Antragstellerin ins Treffen geführt.

Wenngleich mit dem Tätigwerden für die Antragstellerin eine Kostenbelastung nicht verbunden sein muss und die (angestrebte) Abwicklung der Umsatzsteuerrückvergütung im Wege der EDV wohl auch beim Tätigwerden für mehrere Umsatzsteuerrückvergüter die gewünschte Sicherheit und Vertraulichkeit von Informationen gewährleisten können müsste, versprechen sich die hier genannten Banken vom Tätigwerden auch für die Antragstellerin wirtschaftlich und aus organisatorischen Überlegungen nichts bzw sind die Anreize dafür zu gering. Mit ihrem verfahrenseinleitenden Schriftsatz im ersten Rechtsgang beantragte die Antragstellerin die Untersagung der Durchführung der in den Verträgen zwischen Antragsgegnerin einerseits und RB Schwechat, BA und Erste anderseits enthaltenen Vertriebsbindung derart, dass es diesen Banken untersagt sei, für andere Unternehmen die Refundierung von Verkehrssteuern vorzunehmen (§ 30c Abs 1 Z 1 und Z 2 KartG), mit der Begründung, die Antragsgegnerin sei - abgesehen von unbedeutenden Kleinanbietern - die einzige Anbieterin für Refundierungen von Verkehrssteuern auf dem österreichischen Markt und habe somit eine Monopolstellung. Da ein Großteil der Touristen aus Drittländern Österreich über den Flughafen Wien-Schwechat verlasse, sei dies der für die Auszahlung der Rückvergütung an die Kunden wichtigste Ort in Österreich. Die Antragstellerin werde durch die vertikale Vertriebsbindung durch die Antragsgegnerin vom örtlichen Teilmarkt Flughafen Wien-Schwechat gänzlich ausgeschlossen. Bei den mit den am Flughafen vertretenen Kreditinstituten getroffenen Exklusivvereinbarungen handle es sich um wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen iSd Art 85 Abs 1 EGV, die zur Abschottung dieses wesentlichen Teils des gemeinsamen Marktes führe. Die Verweigerung des Geschäftsabschlusses unter Berufung auf eine derartige nichtige Exklusivvereinbarung durch die drei allein am Flughafen Wien-Schwechat vertretenen Banken stelle auch einen kollektiven Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in einem wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes iSd Art 86 EGV dar. Die Exklusivbestimmungen würden den Marktzutritt für andere Wettbewerber wie die Antragstellerin ausschließen. Eine volkswirtschaftliche Rechtfertigung hiefür sei nicht gegeben.

Der mit diesem Antrag verbundene Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 52 Abs 1 KartG war mit Beschluss des Erstgerichts vom 17. 6. 1999 abgewiesen worden, weil dieses das Vorliegen einer vertikalen Vertriebsbindung verneint hatte. Dieser Beschluss wurde vom Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht mit Beschluss vom 20. 12. 1999, 16 Ok 6/99, infolge Bejahung des Vorliegens einer vertikalen Vertriebsbindung aufgehoben und die Kartellsache an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen, doch zog die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 4. 4. 2000 den Sicherungsantrag zurück.

In diesem Schriftsatz brachte die Antragstellerin ergänzend vor, selbst nach der von der Antragsgegnerin behaupteten einvernehmlichen Neuregelung der Verträge mit den Banken (Entfall der Exklusivbindung) werde die Exklusivität von der Antragstellerin und den am Flughafen Wien-Schwechat vertretenen Kreditinstituten insoweit "weitergelebt", als Wettbewerbern (insbesondere der Antragstellerin) weiterhin der Vertragsabschluss verweigert werde. Ferner sei vereinbart worden, dass bei Einrichtung einer Auszahlungsstelle durch die Antragsgegnerin die Auszahlung nur in Koordination und Zusammenarbeit mit den Banken durchgeführt werde, worin ein Absichtskartell iSd § 10 Abs 1 KartG liege. Soweit die Vertragspartner die inkriminierten Verbotsbestimmungen inzwischen beseitigt, die exklusive Zusammenarbeit jedoch weiter beibehalten hätten, liege ein verbotenes Verhaltenskartell iSd § 11 Abs 1 KartG vor. In der Folge stellte die Antragstellerin auch noch einen Feststellungsantrag bezüglich aller der oben genannten Begehren, sodass das Erstgericht über folgende Begehren zu entscheiden hatte:

a) Der Antragsgegnerin möge die Durchführung der in den Verträgen und Vereinbarungen zwischen der Antragsgegnerin und der RB Schwechat, BA und Erste enthaltenen Vertriebsbindung derart, dass es diesen Kreditinstituten untersagt ist, für andere Unternehmen die Refundierung von Verkehrssteuern vorzunehmen, untersagt werden;

b) der Antragsgegnerin möge aufgetragen werden, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Bestellung durch Abschluss von schriftlichen und/oder mündlichen Exklusivvereinbarungen, die es diesen Kreditinstituten untersagen, mit Wettbewerbern der Antragsgegnerin Verträge über die Erbringung von Umsatzsteuerrückvergütungsleistungen abzuschließen, mit den am Flughafen Wien-Schwechat vertretenen Kreditinstituten abzustellen;

c) der Antragsgegnerin möge die Durchführung des Kartells derart, dass sich die RB Schwechat, die BA und die Erste einerseits und die Antragsgegnerin andererseits wechselseitig verpflichtet haben, dass ausschließlich die genannten Kreditinstitute zur Durchführung von Umsatzsteuerrückvergütungen ausschließlich für die Antragstellerin am Flughafen Wien-Schwechat berechtigt sind, untersagt werden;

d) das Kartellgericht möge feststellen, dass die in den Verträgen zwischen der Antragsgegnerin und der Ersten, der RB Schwechat und der BA enthaltenen Exklusivvereinbarung, wonach es diesen Kreditinstituten nicht gestattet ist, für andere Umsatzsteuerrückvergüter Refundierungen vorzunehmen, eine unzulässige Vertriebsbindung sei (im Zeitpunkt der Antragstellung gewesen sei) und zum Zeitpunkt der Antragstellung einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dargestellt habe;

in eventu

e) das Kartellgericht möge feststellen, dass die Vereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und den genannten Kreditinstituten am Flughafen Wien-Schwechat, wonach es diesen Kreditinstituten untersagt ist, für andere Unternehmen die Refundierung von Verkehrssteuern vorzunehmen, gegen Art 81 EG-Vertrag verstoße;

f) das Kartellgericht möge feststellen, dass diese Vereinbarung gegen Art 82 EG-Vertrag verstoße.

Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab und ordnete an, dass gemäß § 45 Abs 2 KartG jede der Parteien die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen habe. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Antragstellerin sei der ihr obliegenden Beweislast betreffend die von ihr behaupteten Exklusivvereinbarungen oder ein danach ausgerichtetes Verhalten nicht nachgekommen. Die ehemals vorhandene Exklusivbindung sei weggefallen. Eine Feststellung, dass in der Vergangenheit ein kartellrechtlich relevanter Sachverhalt verwirklicht worden sei, sehe § 8a KartG nicht vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Hauptantrag auf Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht; hilfsweise stellt sie auch einen Abänderungsantrag im Sinn der Stattgebung ihrer Begehren.

Die Antragsgegnerin beantragte in ihrer Gegenäußerung, dem Rekurs nicht Folge zu geben, und erhob ihrerseits einen Kostenrekurs mit dem Antrag auf Zuspruch der Kosten des Verfahrens über den später zurückgezogenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Antragstellerin beantragte, dem Kostenrekurs nicht Folge zu geben.

Keine der Amtsparteien hat sich am Verfahren beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind nicht berechtigt.

1. Zum Rekurs der Antragstellerin:

Soweit die Antragstellerin behauptet, der Beschluss des Kartellgerichtes sei nichtig, weil die Vernehmung am 10. 2. 1999 vom damaligen Vorsitzenden des Senats allein, also ohne Anwesenheit der Beisitzer und nach Richterwechsel (neuer Vorsitzender) keine neue "Verhandlung" durchgeführt wurde, ist ihr zu entgegnen, dass - abgesehen davon, dass selbst in Verfahren nach der ZPO diese Frage uneinheitlich gelöst wird (vgl RIS-Justiz RS0036578; RS0041480) - das Kartellverfahren ein Außerstreitverfahren ist und dass es daher dort keine formellen Verhandlungen gibt; nach § 2 Abs 2 Z 2 AußStrG sind durch Parteien-, Zeugen- oder Sachverständigenvernehmung oder "auf andere schickliche Art Erkundigungen einzuziehen" (Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren Rz 42 und 48 mwN) und die Bestimmungen der ZPO nur sehr eingeschränkt anwendbar (vgl Konecny, Ermittlungsverfahren 162 mwN). Hinzu kommt, dass die beanstandete Vernehmung allein durch den Vorsitzenden bereits im "ersten Rechtsgang" im Verfahren über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattfand und dass sich die Antragstellerin in ihrem damaligen Rekurs gegen die Abweisung der beantragten einstweiligen Verfügung durch diesen Umstand nicht beschwert erachtete. Die Beweisaufnahmen im Hauptverfahren wurden nach einleitenden Vernehmungen durch den Senat am 19. 10. 2000 (ON 49) - einer jahrzehntelangen Tradition folgend - vom inzwischen abgeschafften Paritätischen Ausschuss (Art V Abs 1 letzter Satz iVm Abs 5 KartG Nov 2002, BGBl I 62/2002) durchgeführt. Es wurde nämlich als Aufgabe des Paritätischen Ausschusses angesehen, nicht nur zu der - vom Gesetzgeber zwingend vorgesehenen - Frage der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung Gutachten zu erstatten, sondern auch die kartellrechtlich relevanten Tatsachen zu ermitteln und darzustellen (Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht 137). Aus diesem Grund wurden die Vernehmungen in der Regel ganz oder teilweise durch den Paritätischen Ausschuss vorgenommen. Von diesen Prämissen ausgehend, liegt keine Nichtigkeit vor, hat wie vorliegendenfalls nach den Vernehmungen durch den Paritätischen Ausschuss ein teilweise abweichend besetzter Senat ohne neuerliche "Verhandlung" die Entscheidung gefällt.

Die umfangreiche Beweisrüge der Antragstellerin geht zur Gänze ins Leere. Eine Tatsachenüberprüfung durch den Obersten Gerichtshof scheidet auch in kartellrechtlichen Rekursverfahren, wie schon mehrfach (16 Ok 20/97 = ecolex 1998, 334; 16 Ok 5/98 = SZ 71/103 ua) ausführlich dargelegt wurde, aus, wenn die Feststellungen nicht nur aufgrund von Urkunden, sondern auch - und hier sogar schwerpunktmäßig - aufgrund von Zeugen- oder Parteienvernehmungen getroffen wurden. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor. Der Vorlage der ursprünglichen "Auszahlungsvereinbarungen" zwischen der Antragsgegnerin und den Banken kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil die Antragsgegnerin die Vereinbarung einer Exklusivklausel im damaligen Zeitraum ohnedies zugestanden hat. Zur Frage, ob die Exklusivklausel auch jetzt noch gilt bzw "noch gelebt wird", wurden zahlreiche Vernehmungen durchgeführt, aus denen allesamt hervorgeht, dass diese Klauseln nun nicht mehr gelten bzw nicht mehr angewandt/nicht mehr "gelebt" werden, weil sie für EG-widrig gehalten werden. Ob das Erstgericht formell über den Beweisantrag der Antragstellerin, die nunmehr aktuellen "Auszahlungsvereinbarungen" vorzulegen oder nicht, Beschluss gefasst hat ist schon deshalb unerheblich, weil das hier anzuwendende Außerstreitverfahren keine formellen Beweisbeschlüsse kennt (vgl Klicka/Oberhammer aaO), und überdies zwar unter Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse nicht diese "Auszahlungsvereinbarungen", wohl aber sonstige Korrespondenz vorgelegt wurde, aus der das Erstgericht zwanglos die Aufgabe des Exklusivstandpunkts durch die Antragsgegnerin über die Exklusivität erschließen konnte.

Zur - sowohl unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens als auch der unrichtigen rechtlichen Beurteilung - geltend gemachten Außerachtlassung des Untersuchungsgrundsatzes im kartellrechtlichen Verfahren und der Beweislastverteilung ist zu bemerken: Es ist zwar richtig, dass das außerstreitige Kartellverfahren vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird; dieser besagt aber nur, dass die notwendigen Beweise auch ohne Antrag von Amts wegen aufgenommen werden müssen, nicht aber, dass es keine Beweislast gibt. Wegen des genannten Untersuchungsgrundsatzes kennt zwar das Außerstreitverfahren keine subjektive Beweis-(führungs-)last, aber wie in jedem Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast, dazu Rechberger/Simotta Zivilprozessrecht4 Rz 584): Sie gibt an, wie der Richter zu entscheiden hat, wenn der maßgebliche Sachverhalt trotz Heranziehung aller zugänglichen Erkenntnisquellen nicht aufgeklärt und daher weder das Vorliegen noch das Nichtvorliegen der relevanten Tatsachen festgestellt werden kann (sog "non-liquet" Fall). Dann sind die Beweislastregeln, die für das streitige Verfahren entwickelt wurden, anzuwenden (dazu im Einzelnen Klicka, JAP 1991/92, 83 ff). In - wie hier - außerstreitigen kontradiktorischen Verfahren, in denen sich die Parteien in gegenläufigen Rollen gegenüber stehen, sind schon ganz allgemein die Behauptungs- und Beweislastregeln, die das streitige Verfahren beherrschen, heranzuziehen (Okt 7/93 = ÖBl 1993, 241 - Fiat-Vertriebsbindung; Barfuß/Wollmann, Tahedl aaO 137). Gerade im vorliegenden Verfahren hat sich der Paritätische Ausschuss in zahlreichen ausführlichen Vernehmungen sehr bemüht, den gesamten Sachverhalt zu erheben. Können die anspruchsbegründenden Feststellungen aber dennoch nicht getroffen werden, so geht dies auch in diesem außerstreitigen kontradiktorischen Verfahren zu Lasten derjenigen Partei, die dafür die objektive Beweislast trifft. Dies ist vorliegendenfalls die Antragstellerin: Sie ist für das Vorliegen der Voraussetzungen ihrer Untersagungs-, Unterlassungs- oder Feststellungsansprüche beweispflichtig.

In der Rechtsrüge macht die Antragstellerin geltend, zu Unrecht sein keine Feststellungen für die Vergangenheit getroffen worden; die vom Erstgericht zitierte Entscheidung betreffe nur einen Sachverhalt, der vor der Antragstellung verwirklicht worden sei; anders als dort begehre sie aber die Feststellung, dass kartellrechtlich relevante Sachverhalte im Zeitpunkt der Antragstellung noch verwirklicht gewesen seien; sie habe an diesen Feststellungen wegen der zivilrechtlichen Rechtsfolgen (insbesondere Schadenersatz) ein rechtliches Interesse.

Wie der erkennende Senat erst jüngst ausgesprochen hat, kann nur aktuelles, auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung andauerndes kartellrechtswidriges Verhalten Gegenstand eines Untersagungsauftrags gemäß § 25 Abs 1 KartG (Untersagung der Durchführung eines verbotenen Kartells) sein; ist das verbotswidrige Verhalten hingegen bereits endgültig beendet, mangelt es am Tatbestand eines Kartells, das für die Zukunft untersagt werden könnte (16 Ok 7/01 = ÖBl/LS 2002/99 - Landesnervenklinik). Gleiches gilt auch im Bereich der Marktmachtmissbrauchsaufsicht: Ein Auftrag gemäß § 35 KartG, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen, setzt denknotwendig ein Andauern des Missbrauchs im Entscheidungszeitpunkt voraus; ist der Missbrauch bereits abgestellt, ist ein solcher Auftrag unzulässig (Gugerbauer KartG2 § 35 Rz 4; ebenso Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB3 § 32 Rz 11, und Bornkamm in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht I9 § 32 GWB Rz 21, zur vergleichbaren Bestimmung der Untersagungsverfügung nach § 32 GWB im deutschen Kartellrecht; ebenso nunmehr 16 Ok 7/02 und 16 Ok 10/02).

Gleiches gilt auch für Feststellungsanträge nach § 8a KartG. Diese Bestimmung besagt, dass auf Antrag festzustellen ist, ob und inwieweit ein Sachverhalt dem Kartellgesetz unterliegt. Motiv für diese Bestimmung war nicht etwa schadenersatzrechtliche Vorfragen vom Kartellgericht klären zu lassen, sondern die Möglichkeit zu eröffnen, vorweg abzuklären, ob ein kartellrechtlich relevanter Sachverhalt vorliegt, was insbesondere deshalb als notwendig angesehen wurde, weil viele Kartelle ohne vorherige Genehmigung, aber auf Risiko der Kartellmitglieder durchgeführt werden dürfen (EB zur Kart-Nov 1993 [1096 Blg NR 18. GP]). Eine Feststellung dahin, dass ein (bestimmter) kartellrechtlich relevanter Sachverhalt vorlag, ist nicht vorgesehen; hiebei ist wie auch sonst nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern darauf abzustellen, ob der kartellrechtlich relevante Sachverhalt auch noch zur Zeit der Beschlussfassung besteht. Ob ein solcher zur Zeit der Antragstellung bestanden hat, ist nicht feststellungsfähig. Erlischt ein Anspruch während des Verfahrens, zB durch Erfüllung, so kann eine positive Entscheidung über ein Leistungs- oder Feststellungsbegehren nicht mehr ergehen. Der Antragsteller hat nur die Möglichkeit sein Begehren auf Kosten einzuschränken.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen, dass die ehemaligen Exklusivvereinbarungen nicht mehr gelten und auch nicht mehr "gelebt" werden und die Banken aus in ihrer Sphäre liegenden nachvollziehbaren organisatorischen und rentabilitätsbezogenen Erwägungen von der Antragstellerin gewünschte Vereinbarungen ablehnen, liegen plausible Gründe dafür vor, weshalb die Banken Abschlüsse mit der Antragstellerin nicht wünschen. Die Behauptung der Antragstellerin, die Weigerung sei mit technischen und betriebswirtschaftlichen Argumenten nicht erklärbar, geht daher nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Aus diesen Gründen ist auf ihr Vorbringen nicht weiter einzugehen, es bestehe ein Anschein zu Lasten der Antragsgegnerin, dass diese durch kollusive Absprachen mit den Banken ihre marktbeherrschende Stellung (weiterhin) missbräuchlich ausnütze, und es wäre daher darin Sache gewesen zu beweisen, dass das Verhalten der Banken nicht auf ihre Intervention, sondern auf andere Gründe zurückzuführen sei. Im Übrigen ist auf den von der Antragstellerin nunmehr erstmals im Rekursverfahren behaupteten Kontrahierungszwang für die Banken als unzulässige Neuerung nicht weiter einzugehen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Anträge der Antragstellerin auf der Grundlage der getroffenen Tatsachenfeststellungen allesamt unberechtigt sind.

2. Zum Kostenrekurs der Antragsgegnerin:

Die Antragsgegnerin geht offensichtlich davon aus, dass die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten für die einstweilige Verfügung grundsätzlich gemäß § 45 Abs 2 KartG von jeder Seite selbst zu tragen sind, wenn - wie hier - weder die Rechtsverfolgung noch die Rechtsverteidigung als mutwillig angesehen werden kann. Die Antragsgegnerin kann nicht plausibel darlegen, weshalb anderes gelten soll, wenn der Sicherungsantrag nicht endgültig abgewiesen, sondern - nach Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses - infolge Verstreichens längerer Zeit von der Antragstellerin nicht mehr als so dringend angesehen und daher im zweiten Rechtsgang zurückgezogen und gleich die Entscheidung in der Hauptsache begehrt wurde. Die Antragstellerin hat durch die Zurückziehung ihres Sicherungsantrages im Übrigen durchaus zweckmäßig gehandelt; die Vermeidung von Kosten für ein weiteres Sicherungsverfahren kann nicht dazu führen, dass der Antragstellerin die Kosten der Antragsgegnerin in diesem Verfahren zum Ersatz auferlegt werden könnten. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Abänderung der Kostenentscheidung dahin, dass ihr die Kosten des Provisorialverfahrens zugesprochen werden, ist daher abzuweisen.

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