OGH 1Ob281/02h

OGH1Ob281/02h13.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei ***** B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Nikolaus Weselik, Rechtsanwalt in Wien, wegen 43.603,70 EUR s. A., über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 20. September 2002, GZ 4 R 106/02s-22, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Streitteile schlossen am 9. 10. 1998 in einem Rechtsstreit, in dem der Werklohn für von der klagenden Partei im Auftrag der beklagten Partei vorgenommene Bauarbeiten Streitgegenstand war, einen Vergleich, mit dem sich die beklagte Partei zur Zahlung von insgesamt 1,540.000 S verpflichtete. Ein Teilbetrag von S 600.000 sollte erst nach Erbringung einer Bankgarantie über diesen Betrag mit Laufzeit bis 30. 9. 2000 fällig werden, und die Bankgarantie hatte "den Erfordernissen einer Bankgarantie im Sinne der ÖNORM B 2110 zwecks Ablöse des Haftrücklassses zu entsprechen". Weiters wurde vereinbart, dass mit diesem Vergleich "sämtliche wechselseitigen Ansprüche mit Ausnahme jener Ansprüche bereinigt" seien, "für deren Abdeckung der Haftrücklass laut ÖNORM vorgesehen ist".

Der Haftungsrücklass ist nach Punkt 1.2.14 der ÖNORM B 2110 in der hier anzuwendenden Fassung vom 1. 3. 1995 eine Sicherstellung für den Fall, dass der Auftragnehmer die ihm aus der Gewährleistung obliegenden Pflichten nicht erfüllt. Demnach ist also der Haftungsrücklass für die Abdeckung der Gewährleistungsansprüche vorgesehen. Diese Ansprüche wurden nach der oben zitierten Vergleichsklausel nicht endgültig bereinigt, wogegen alle anderen Ansprüche der Parteien, also auch aus dem Titel des Schadenersatzes, nach dem Vergleichstext bereinigt sein sollten. Schon aufgrund dieses Vergleichs kann demnach die beklagte Partei Schadenersatzansprüche nicht zur Aufrechnung gegen die Klagsforderung einwenden.

Es ist daher unbeachtlich, ob die Unterlassung der Mängelrüge durch die beklagte Partei auch den Verlust von Schadenersatzansprüchen bewirken sollte und ob aufgrund des Entfalls der Schlussfeststellung nach Punkt 2.45.3 der ÖNORM B 2110 Schadenersatzansprüche ausgeschlossen sind. Ebenso bedeutungslos ist die Frage, ob der Haftungsrücklass generell auch der Abfindung der aus Mängeln resultierenden Schadenersatzansprüche dienen könnte, denn zumindest nach Punkt 1.2.14 der oben zitierten ÖNORM dient der Haftungsrücklass nur der Sicherung von Gewährleistungsansprüchen, und nur diese Ansprüche wurden daher im Vergleich vom 9. 10. 1998 nicht endgültig erledigt. Es mag sein, dass die beklagte Partei die klagende Partei nicht zur Mängelbehebung hätte auffordern müssen, um Schadenersatz geltend machen zu können; auf allfällige Schadenersatzansprüche hat sie aber im oben zitierten Vergleich endgültig verzichtet.

Dass der Haftungsrücklass im Sinne der ÖNORM B 2110 in der Fassung vom 1. 3. 1995 lediglich der Sicherstellung von Gewährleistungsansprüchen dient, ergibt sich auch aus den Punkten 2.47.3.2 und 2.47.3.3 der genannten ÖNORM, nach denen bei Verträgen, bei denen ihrer Natur nach keine Gewährleistungsansprüche gegeben sind, ein Haftungsrücklass nicht einzubehalten ist, und der Auftraggeber das Recht hat, sich aus dem Haftungsrücklass für seine Ansprüche aus der Gewährleistung schadlos zu halten. Mag sich aus den Bestimmungen über den Haftungsrücklass auch kein Verbot zur Aufrechnung mit anderen Forderungen, zB Schadenersatzforderungen, ergeben, so ändert das nichts daran, dass die beklagte Partei - wie schon erwähnt - auf die Ansprüche mit Ausnahme jener, für deren Abdeckung der Haftungsrücklass zufolge der "ÖNORM" - eben Gewährleistungsansprüche - vorgesehen ist, und sonst auch auf (auch konkurrierende) Schadenersatzansprüche verzichtet hat.

Die beklagte Partei zeigt sohin insgesamt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sine des § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb die Revision zurückzuweisen ist.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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