OGH 12Os101/02

OGH12Os101/025.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Dezember 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Roland W***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17. Juli 2002, GZ 29 Hv 50/02p-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Roland W***** wurde des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (I) und des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB (II) schuldig erkannt.

Demnach hat er

I) am 7. März 1997 in Mayrhofen die ihm durch Rechtsgeschäft

eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem er entgegen dem Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 1996, mit welchem die gemeinsame Vertretungsbefugnis mit Franz M***** festgelegt wurde, und entgegen der Vereinbarung der kollektiven Zeichnungsberechtigung auf dem Konto der Firma "W***** Gastronomie GesmbH" bei der Bank ***** als deren Geschäftsführer den Übertrag des gesamten Stammkapitals in Höhe von 1,125.000 S auf sein Privatkonto beim selben Bankinstitut mit der Konto-Nummer ***** veranlasste und der genannten Gesellschaft dadurch einen Vermögensnachteil in der zitierten Höhe zufügte; sowie II) in der Zeit zwischen 17. März 2000 und 22. Jänner 2001 in Innsbruck und anderen Orten Tirols im Verfahren AZ 5 Cg 40/00m des Landesgerichtes Innsbruck mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, den jeweils zuständigen Richter der Abteilung 5 Cg des Landesgerichtes Innsbruck durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die falsche Behauptung, es sei zwischen den Gesellschaftern vereinbart gewesen, dass das gesamte Stammkapital zur Abdeckung der von ihm erbrachten Vorleistungen zu verwenden sei, verbunden mit der (unbeeideten) Falschaussage als Partei am 15. Mai 2000, wonach es mit den anderen Gesellschaftern vereinbart gewesen sei, dass er den in das Lokal in Gerlos investierten Betrag zu einem Teil mit dem Stammkapital über 1,125.000 S abdecke, zu einer Handlung, nämlich zur Klagsabweisung, zu verleiten versucht, welche die klagende Partei W***** Gastronomie GesmbH in Liquidation um 1,125.000 S am Vermögen schädigen sollte. Vom weiteren "Prozessbetrugsvorwurf", fälschlicherweise von ihm geleistete Vorinvestitionen in der Höhe von 2,2 Mio S bis 2,4 Mio S behauptet zu haben, wurde der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche richtet sich eine auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, "9" und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der - aus dem Titel der Mängelrüge (Z 5) - Berechtigung zukommt. Voranzustellen ist zunächst, dass der Beschwerdeführer in seinen weitwendigen, undifferenziert auf Z 5 und 5a gestützten Ausführungen primär in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichts bekämpft, indem er seiner erstinstanzlich abgelehnten Verantwortung in Richtung vereinbarungsgemäßer Abdeckung seiner (Vor-)Investitionen durch das aufgebrachte Stammkapital zum Durchbruch verhelfen will. Im Ergebnis zutreffend zeigt die Beschwerde aber auf, dass der Schuldspruch wegen des Verbrechens der Untreue (I) insofern mangelhaft begründet ist, als die innere Tatseite vornehmlich nur aus dem äußeren Tatgeschehen erschlossen wird (US 12), welches allerdings im Wesentlichen auf Grund der eine derartige Vereinbarung negierenden Aussagen der weiteren Gesellschafter Franz M***** und Reinhold M***** konstatiert wurde (US 10).

Dazu ist vorerst festzuhalten, dass dem Umstand, dass der Angeklagte unbestrittenerweise entgegen der bloß kollektiv mit Franz M***** eingeräumten Zeichnungsberechtigung am Firmenkonto die Überweisung des Stammkapitals auf sein eigenes Kreditkonto veranlasste und dem Unternehmen damit liquide Mittel entzog, durchaus Indizwirkung in Richtung wissentlicher Missbrauchshandlung und vorsätzlicher Vermögensschädigung zukommen mag. Die Tatrichter haben aber unterlassen, bei ihrer "Zusammenschau sämtlicher Beweisergebnisse" (US 11) wesentliche Aussagen einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

So unterblieb eine Erörterung der Angaben des für die Gesellschaft in der Gründungsphase tätigen Steuerberaters Dkfm. Dr. Rolf K***** (S 77f/II; S 199ff im Verfahren 5 Cg 40/00m des Landesgerichtes Innsbruck iVm S 83/II), obwohl dessen Aussage mit der Verantwortung des Angeklagten in Bezug auf die Honorierung seiner Vorleistungen durchaus in Einklang zu bringen ist, hatte dieser doch deponiert, dem Beschwerdeführer zur Variante B) des Faxes vom 9. September 1996 (erliegend in der Beilagenmappe) geraten zu haben, demzufolge von seiten der (damals geplanten) Gesellschafter je 750.000 S plus 5 % Agio in die GesmbH einzuzahlen wären und W***** dieses Geld wieder abziehe. Hinsichtlich des handschriftlichen Vermerks "2,1 Mio" erklärte der genannte Zeuge, er gehe davon aus, dass jener in das Lokal investiert worden sei (S 203 im zitierten Zivilakt). Dazu ist festzuhalten, dass die Tatrichter den Angeklagten einerseits vom Vorwurf des "Prozessbetrugs" in Bezug auf falsch behauptete Investitionen von 2,2 bis 2,4 Mio S freisprachen, weil "auf Grund der in diesem Strafverfahren zahlreich gelegten Urkunden nicht festgestellt werden könne, ob Roland W***** höchstens bis zum Betrag von rund 1 Mio S in das Lokal investierte oder ob sich die von ihm getragenen Kosten auf 2,2 bis 2,4 Mio S beliefen". Schon mit Blick auf diese Negativfeststellung hätte es aber - wie das Rechtsmittel zutreffend aufzeigt - einer näheren Erörterung der in den Akten erliegenden Kostenaufstellungen und Rechnungen bedurft, zumal - ginge man von dem vom Beschwerdeführer genannten Investitionsvolumen aus - sehr wohl Rückschlüsse auf den Schädigungsvorsatz zu ziehen wären. Unerörtert blieb auch der (unbestrittene) Umstand, dass es auf Grund einer Weigerung des das Firmenbuch führenden Gerichts, die (noch im in Rede stehenden Überweisungsbeleg genannte) "A*****" GmbH einzutragen, was eine Umbenennung der Gesellschaft erforderte, zu einer zeitlichen Verzögerung in Bezug auf die Errichtung des letztlich relevanten Gesellschaftsvertrages kam, die praktisch bis zum Ende der Wintersaison reichte und damit den Mitgesellschaftern bereits die Gelegenheit eröffnete, den - schlechten - Geschäftsgang der Firma zu beobachten.

Den erstgerichtlichen Erörterungen in Bezug auf die unübliche Dotierung der Gesellschaft mit einem Stammkapital von gerade 1,125.000 S (US 11) fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den den Feststellungen zugrunde gelegten Aussagepassagen der drei Gesellschafter, für ohne Rechnung getätigte Investionen noch zusätzlich je 350.000 S aufgebracht zu haben (US 7), zumal eine Summierung der genannten Beträge exakt den behaupteten Vorinvestitionen des Angeklagten entspräche.

Schließlich hat auch der Zeuge Gernot K***** angegeben, er hätte, wäre er als Gesellschafter zum Zug gekommen, 750.000 S an Stammkapital aufbringen sollen, damit das Investitionsvolumen von ca 2,1 Mio S abgedeckt werde (S 293/I, 31ff/II).

Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer auf, dass die vom Erstgericht verkürzt dargestellte Aussage des den Gesellschaftsvertrag errichtenden Notars Dr. Hans S*****, "er habe sich nicht daran erinnern können, dass im Zusammenhang mit der Erhöhung des Stammkapitals von irgendwelchen Investitionsabdeckungen die Rede gewesen sei" (US 11), dessen Aussagen im Zivilverfahren widerspricht, es habe der Vorstellung Roland W*****s entsprochen, dass er beabsichtigte, seine Kosten mit der Gesellschaft abzurechnen (S 229 des Zivilakts).

Im Sinne des Beschwerdevorbringens trifft es weiters zu, dass einige (teils entlastende) Aussagen von den Tatrichtern vollständig übergangen wurden (wie etwa jene der Heidrun W***** und des Günter D*****), während Dr. Wolfgang W***** (mittelbar) auf die Informationen seines Mandanten Franz M***** angewiesen war. Da Gegenforderungen des Befugnisträgers gegen den Machtgeber für sich allein schon grundsätzlich nicht geeignet sind, eine Beurteilung von Befugnismissbrauch als strafbare Untreue auszuschließen, bleibt bei Fallkonstellationen der in Rede stehenden Art regelmäßig auch zu klären, ob der Befugnisträger mit Schädigungswillen handelte (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 153 Rz 40).

Im konkreten - erst durch eine Anzeige des erkennenden Zivilrichters vom 14. März 2001 (ON 27 des Zivilakts) initiierten - Fall erfordern die vom Beschwerdeführer demnach zutreffend aufgezeigten Begründungsmängel des Urteils eine Kassation nicht nur des Schuldspruchs wegen Untreue, sondern auch jenes wegen des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Betruges (II).

Hinsichtlich letzteren Faktums werden im erneuerten Verfahren die von Judikatur und Lehre entwickelten Grundsätze zum Prozessbetrug (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 38ff) zu beachten und mängelfreie Konstatierungen dazu zu treffen sein, ob das einer allfälligen Untreue nachfolgende Täuschungsverhalten im Zivilprozess bloß der Deckung der vorangegangenen Straftat dienen sollte, um abschließend beurteilen zu können, ob der vorliegend dem Angeklagten angelastete Betrug die Kriterien einer straflosen Nachtat zur vorangegangenen Untreue erfüllt (Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 66, Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 155).

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf weitere Beschwerdeargumente. Nur der Vollständigkeit halber sei der Argumentation der Rechtsrüge (Z 9 lit a) entgegengehalten, dass für das Merkmal des Befugnismissbrauchs beim Tatbestand der Untreue Mitentscheidungsbefugnis ausreicht (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153 Rz 18).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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