Spruch:
Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei hat mit Bescheiden vom 8. 11. 2000 (Erstklägerin Erna B*****), 30. 11. 2000 (Zweitklägerin Elfriede E*****) und 27. 12. 2000 (Drittklägerin Maria F*****) die Anträge der im Zeitpunkt der Antragstellung im 56. bzw 57. Lebensjahr stehenden Klägerinnen vom 2. 11. 2000 (Erstklägerin), 23. 11. 2000 (Zweitklägerin) und 19. 12. 2000 (Drittklägerin) auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit mit der Begründung abgelehnt, § 122c BSVG sei gemäß § 274 Abs 2 BSVG idF des Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes (SVÄG) 2000, BGBl I Nr 43/2000, mit Ablauf des 30. 6. 2000 außer Kraft getreten, sodass ein Leistungsanspruch zu den hier in Betracht kommenden Stichtagen nicht mehr festgestellt werden könne.
Das Erstgericht wies die von den Klägerinnen dagegen erhobenen, auf die Zuerkennung der beantragten Leistung gerichteten Klagebegehren ab. Hinsichtlich der Drittklägerin wurde das weitere Begehren, ihr bereits ab 1. 11. 2000 die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, auf Grund der erst am 19. 12. 2000 erfolgten Pensionsantragstellung (rechtskräftig) zurückgewiesen. Nach den Rechtsausführungen des Erstgerichtes sei die Bestimmung über die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 122c BSVG) gemäß § 274 Abs 2 BSVG idF SVÄG 2000 mit Ablauf des 30. Juni 2000 außer Kraft getreten. Es habe daher zu den im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Stichtagen (1. 12. 2000 bzw 1. 1. 2001) ein solcher Leistungsanspruch nicht mehr bestanden. Im Hinblick darauf, dass § 122c BSVG mit Ablauf des 30. 6. 2000 außer Kraft gesetzt worden sei, bestehe auch für die Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG kein Anwendungsbereich mehr. Die Klagebegehren seien daher nicht berechtigt, weshalb sich eine Beweisaufnahme über die von der Erstklägerin behauptete, von der beklagten Partei aber ausdrücklich bestrittene Betriebsaufgabe erübrige.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass das Klagebegehren hinsichtlich der Zweitklägerin ab 1. 12. 2000 und hinsichtlich der Drittklägerin ab 1. 1. 2001 als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und der beklagten Partei die Leistung einer vorläufigen Zahlung aufgetragen wurde. Hinsichtlich der Erstklägerin wurde das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Berufungsgericht vertrat mit ausführlicher Begründung die Auffassung, dass entgegen der Ansicht des Erstgerichtes die Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG trotz der mit Ablauf des 30. 6. 2000 erfolgten Aufhebung des § 122c BSVG durch § 274 Abs 2 BSVG idF SVÄG 2000, BGBl I Nr 43/2000, weiterhin in Geltung geblieben sei und sich kein zwingender Anhaltspunkt für ein dem Gesetzgeber insoweit unterlaufenes Redaktionsversehen biete. Somit sei die Berechtigung des geltend gemachten Anspruches nach § 255 Abs 21 iVm § 122c BSVG zu prüfen. Das Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit (§ 111 BSVG in der am 31. August 1996 geltenden Fassung) sowie das Vorliegen von 72 Beitragsmonaten der Pflichtversicherung innerhalb der letzten 180 Kalendermonate (§ 122c Abs 1 Z 2 BSVG) erscheine nach dem Anstaltsakt gegeben und von der beklagten Partei auch schlüssig zugestanden (§ 267 ZPO). Unstrittig sei ferner das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 122c Abs 1 Z 2 BSVG und ausgenommen bei der Erstklägerin, dass zumindest am Stichtag von der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen sei.
Das Berufungsgericht gab daher dem Begehren der Zweit- und Drittklägerinnen dem Grunde nach statt und hob das Ersturteil hinsichtlich der Erstklägerin auf, weil noch geklärt werden müsse, ob diese eine Erwerbstätigkeit ausübe, die das Entstehen eines Anspruches gemäß § 122 Abs 1 Z 4 BSVG ausschließen würde, sodass die Wegfallsbestimmung des § 122c Abs 2 BSVG zur Anwendung käme. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision und der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung der Klagebegehren. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerinnen haben sich am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Beide Rechtsmittel sind nicht berechtigt.
Wie der erkennende Senat bereits in den Entscheidungen 10 ObS 219/01f und 10 ObS 220/01b vom 30. 7. 2001 sowie in weiteren Entscheidungen in vergleichbaren Fällen (vgl die Judikaturnachweise in RIS-Justiz RS011590) in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Berufungsgerichtes näher begründet hat, ist die Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG trotz der mit Ablauf des 30. Juni 2000 erfolgten Aufhebung des § 122c BSVG durch § 274 Abs 2 BSVG idF SVÄG 2000, BGBl I Nr 43/2000, vorerst weiterhin in Geltung geblieben. Erst durch § 280 Abs 2 Z 1 BSVG idF der 24. BSVG-Novelle, BGBl I Nr 101/2001, kundgemacht am 7. August 2001, wurde § 255 Abs 21 BSVG rückwirkend mit Ablauf des 30. Juni 2000 aufgehoben. Da diese Rechtsänderung im Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen ist, der erkennende Senat gegen diese rückwirkende Aufhebung jedoch verfassungsrechtliche Bedenken hatte, stellte er mit Beschluss vom 29. Jänner 2002 beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 280 Abs 2 Z 1 BSVG idF der 24. BSVG-Novelle (BGBl I Nr 101/2001) als verfassungswidrig aufzuheben. Mit dem auch andere gleichlautende Aufhebungsanträge erledigenden Erkenntnis vom 10. Oktober 2002, G 42/02 ua, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Wortfolge "rückwirkend mit Ablauf des 30. Juni 2000" in § 280 Abs 2 Z 1 BSVG idF der 24. BSVG-Novelle, BGBl I Nr 101/2001, als verfassungswidrig aufgehoben wird. Der Verfassungsgerichtshof erkannte in seiner Begründung die gegen die Rückwirkung der Aufhebung vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken für berechtigt. An diesen Spruch des Verfassungsgerichtshofes sind nach Art 140 Abs 7 Satz 1 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden gebunden.
Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes war das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Auf Grund dieses Erkenntnisses steht fest, dass für die Klägerinnen zu dem für sie maßgebenden Stichtag 1. 12. 2000 (Erst- und Zweitklägerin) bzw 1. 1. 2001 (Drittklägerin) die Bestimmung des § 255 Abs 21 BSVG noch in Geltung stand und damit eine taugliche Rechtsgrundlage für den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit bildet. Dass die Zweit- und Drittklägerin die Anspruchsvoraussetzungen für die beantragte Leistung zum genannten jeweiligen Stichtag erfüllen, wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Die von der beklagten Partei gegen die hinsichtlich der Zweit- und Drittklägerin klagsstattgebende Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision erweist sich daher als nicht berechtigt.
Auch hinsichtlich der Erstklägerin ist davon auszugehen, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen für die beantragte Leistung zu dem für sie maßgebenden Stichtag 1. 12. 2000 erfüllt. Strittig ist hinsichtlich der Erstklägerin lediglich die Frage, ob und wann sie ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hat. So wurde das Vorbringen der Klägerin in ihrer Klage, sie habe mit 31. 10. 2000 die Erwerbstätigkeit aufgegeben, von der beklagten Partei in ihrer Klagebeantwortung mit der Behauptung, die Erstklägerin übe weiterhin eine selbständige Erwerbstätigkeit mit einem Einheitswert von S 87.700 aus, ausdrücklich bestritten. Auch das weitere Vorbringen der Klägerin in der Tagsatzung vom 8. 2. 2001, sie habe die Erwerbstätigkeit tatsächlich mit 1. 1. 2001 aufgegeben, wurde von der beklagten Partei ausdrücklich bestritten.
Zutreffend verweist die beklagte Partei in ihrem Rekurs gegen den die Erstklägerin betreffenden Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes darauf, dass die Aufgabe der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit (§ 122 Abs 1 Z 4 BSVG) keine Voraussetzung für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 122c Abs 1 BSVG war, dass diese Pension jedoch mit dem Tag wegfiel, an dem die Versicherte eine Erwerbstätigkeit ausübte (§ 122c Abs 2 BSVG). Wird also zum Pensionsanfall dieser Leistung auch eine Erwerbstätigkeit ausgeübt und daraus ein Erwerbseinkommen erzielt, das die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, ist gleichzeitig mit der Zuerkennung der Pension ein Wegfall auszusprechen (SSV-NF 9/28; 12/53; 10 ObS 129/99i ua; RIS-Justiz RS0109683).
Da es sich bei dem dargestellten Wegfall der Pension infolge einer Ausübung einer Erwerbstätigkeit um einen die Pensionsauszahlung hemmenden Umstand handelt, ist er nicht von Amts wegen, sondern nur über Einwendung der beklagten Partei wahrzunehmen (SSV-NF 12/53; 14/118 mwN). Auch wenn es dem Versicherungsträger nicht verwehrt ist, den Wegfall der durch ein Grundurteil im Sinn des § 89 Abs 2 ASGG zuerkannten Leistung auch noch anlässlich der notwendig werdenden bescheidmäßigen Festsetzung der endgültigen Höhe der Leistung auszusprechen, selbst wenn er es unterlassen hat, in dem durch das Grundurteil beendeten Rechtsstreit die den Wegfall begründenden Tatsachen mit Einwendung geltend zu machen (vgl 10 ObS 65/02k), so hat die beklagte Partei diese Einwendung bereits in ihrem Prozessvorbringen in erster Instanz ausdrücklich erhoben und es ist daher diese Einwendung auch im gegenständlichen Verfahren bereits zu beachten (vgl 10 ObS 127/01a). Damit erweist sich auch der hinsichtlich der Erstklägerin ergangene Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes als zutreffend.
Diese Erwägungen führen zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung in allen Punkten.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)