Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses der erstbeklagten Partei wird der Beschluss des Rekursgerichtes ersatzlos aufgehoben und gleichzeitig der Rekurs der erstbeklagten Partei "gegen die Zustellverfügung" des Erstgerichtes vom 25. 7. 2002 als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die aus dem Kopf der Entscheidung ersichtlichen US-amerikanischen Kläger haben am 2. 11. 2002 beim Bezirksgericht der Vereinigten Staaten für den Bezirk Connecticut unter der Nummer (Aktenzeichen) 301 CV 2377 AWT eine Klage gegen die ebenfalls aus dem Kopf der Entscheidung ersichtlichen beklagten Parteien, darunter die in Österreich ansässige erstbeklagte Kapitalgesellschaft und nunmehrige Rechtsmittelwerberin (im Folgenden nur mehr: beklagte Partei), eingebracht. Gegenstand der Klage bilden Ansprüche der Kläger als Angehörige von sechs bei der Brandkatastrophe am 11. 11. 2000 in der Gletscherbahn von Kaprun getöteten Fahrgästen, bei welchem Unglück insgesamt 155 Personen umgekommen sind. Die beklagte Partei wird als Errichterin des Tunnels in Anspruch genommen, wobei ihr von den Klägern mehrfache Mängel und Unzulänglichkeiten bei der Konstruktion und beim nachfolgenden Bahnbetrieb vorgeworfen werden (im Einzelnen siehe hiezu insbesondere Punkte 36 ff der Klageschrift); ihr sei hiefür zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Neben Planungsmängeln habe die beklagte Partei es auch unterlassen, die Tunnelbenützer vor dessen gefährlichen Mängeln zu warnen; sie habe stattdessen die Sicherheit des Tunnels stillschweigend zugesichert. Das nicht ziffernmäßig konkretisierte Klagebegehren ist auf "ausgleichenden Schadensersatz (compensatory damages)" in einer Höhe, die im Prozess bestimmt wird, samt Zinsen, die seit dem 11. 11. 2000 auflaufen, sowie "besonderen, exemplarischen und/oder strafenden Schadensersatz (special, exemplary and/or punitive damages)" in einer Höhe, die ebenfalls erst im Prozess bestimmt wird ("to be determined at trial") gerichtet.
Am 1. 3. 2002 richtete das angerufene amerikanische Bezirksgericht ein Rechtshilfeersuchen an das zuständige österreichische Rechtshilfegericht mit dem Ersuchen, den Auftrag zur Erstattung einer "Antwort auf die Klageschrift" samt Ladung und Klagegleichschrift der beklagten Partei in Österreich zuzustellen. Dieses Rechtshilfeersuchen wurde dem Erstgericht am 5. 7. 2002 über das Bundesministerium für Justiz "zur weiteren Verfügung" weitergeleitet. Mit Verfügung einer "Sachbearbeiterin" des Vorstehers des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25. 7. 2002 wurde die Vollzugsabteilung dieses Gerichtes "ersucht", die Schriftstücke an die beklagte Partei zu eigenen Handen zuzustellen. Die Zustellung wurde am 31. 7. 2002 durch Übergabe der Schriftstücke an den Prokuristen der beklagten Partei vollzogen und die erfolgte Zustellung samt Anschluss des unterfertigten Zustellscheins vom Vorsteher des Bezirksgerichtes Innsbruck wiederum dem Bundesministerium für Justiz vorgelegt.
Gegen den "Beschluss" des Erstgerichtes vom 25. 7. 2002 erhob die beklagte Partei, die sich im Rechtsmittel als "Antragstellerin" und die Kläger als "Antragsgegner" bezeichnete, Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen "Beschluss" abzuändern und auszusprechen, dass dem Rechtshilfeersuchen des US-amerikanischen Gerichtes nicht entsprochen werde, in eventu zumindest hinsichtlich des Punktes c des Klagebegehrens, mit dem "besonderer, exemplarischer und/oder strafender Schadensersatz" in einer im Prozess zu bestimmenden Höhe gefordert wird, nicht entsprochen werde.
Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Es führte zunächst aus, dass die Gewährung von Zustellungsrechtshilfe einen Akt der Gerichtsbarkeit darstelle, sodass die (bekämpfte) Zustellverfügung des Erstgerichtes auch als Beschluss zu qualifizieren sei, gegen den grundsätzlich ein Rekurs zulässig sei. Zwischen Österreich und den USA bestünden keine zwischenstaatlichen Abkommen über die Zustellungsrechtshilfe in Zivilsachen. Ein Verweigerungsgrund im Sinne des § 38 Abs 2 JN liege hier nicht vor. Da im vorliegenden Fall nur die Zustellung einer Klageschrift, nicht aber die Frage der Anerkennung und Vollstreckung eines allenfalls darüber ergehenden amerikanischen Urteils zu beurteilen sei, und es sich hier auch um eine von mehreren Geschädigten eingebrachte Schadenersatzklage aus einem der beklagten Partei zumindest fahrlässig vorgeworfenen Katastrophenunglück handle, liege eine Zivilsache vor, deren Klagezustellung - auch wenn hierin (freilich unter Umständen nur hinsichtlich ihrer Vollstreckbarkeit) gegen den ordre public verstoßender Strafschadensersatz geltend gemacht werde - sohin keinem gesetzlichen (österreichischen) Verbot widerspreche. Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht habe bereits vor Jahren ausgesprochen, dass die bloße Zustellung einer Klageschrift, mit der solcher Strafschadensersatz geltend gemacht werde, keinen Verstoß gegen den (deutschen) ordre public darstelle. Dies habe auch für Österreich zu gelten. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass nach den maßgeblichen Vorschriften (etwa mangels einer Heilungsmöglichkeit) für die Rechtmäßigkeit der Zustellung vorausgesetzt sei, dass die Zustellungsrechtshilfe zu Recht geleistet worden sei, also kein Verweigerungstatbestand vorliege, sei der vorliegende Rekurs auch inhaltlich zu behandeln und nicht mangels Beschwer zurückzuweisen gewesen, auch wenn die Zustellung der Schriftstücke an die Zustellungsempfängerin bereits bewirkt worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung abzuändern und auszusprechen, dass dem Rechtshilfeersuchen nicht entsprochen werde, in eventu hinsichtlich des Punktes c des Klagebegehrens (gerichtet auf Strafschadensersatz) nicht entsprochen werde.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs nicht aus dem vom Rekursgericht genannten Grunde des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unzulässig. Nach dieser Gesetzesstelle ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist (unter welchen Ausnahmefall bloße verfahrenseinleitende Beschlüsse selbstredend nicht fallen: vgl 8 Ob 64/00m). Maßgeblich ist, ob beide Instanzen "in merito" gleichlautend entschieden haben (8 Ob 64/00m).
Das ist hier nicht der Fall:
Zustellung ist die rein faktische (freilich mit Rechtswirkungen verbundene und solche auslösende, daher auch an bestimmte gesetzliche Formen geknüpfte) Übermittlung von Geschäftsstücken; sie ist hoheitliche, rechtlich geregelte Tätigkeit mit dem Ziel, das hievon betroffene Geschäftsstück dem jeweiligen Adressaten zukommen zu lassen (1 Ob 667/86; Walter/Mayer, Zustellrecht 20; Fasching, Lehrbuch2 Rz 522, 523). Nichts anderes hat auch für die Zustellung in Durchführung eines Rechtshilfeersuchens zu gelten (8 ObA 201/00t), kann doch ein solches Rechtshilfeersuchen auf Ersuchen ausländischer Behörden auch und gerade zur Vornahme von Zustellungen (im Inland) erfolgen (§ 15 lit a, § 16 Rechtshilfeerlass für Zivilsachen 1997 JABl 1997/40). In allen diesen Fällen besteht die Zustellung aus zwei rechtlich zu unterscheidenden Akten, nämlich der Zustellverfügung und dem diese ausführenden eigentlichen Zustellvorgang (10 ObS 87/92; RIS-Justiz RS0083644). Wem ein Geschäftsstück zugestellt werden soll, aber auch den Weg und die Art der Zustellung bestimmt (auch im Falle der Gewährung von Rechtshilfe auf Ersuchen ausländischer Behörden nach österreichischen Recht: § 39 Abs 1 JN; § 12 ZustellG; Bajons in Fasching, Komm I² Rz 25 zu § 38 und Rz 1 zu § 39 JN) zwar grundsätzlich der Richter (in seinem Zuständigkeitsbereich auch der Rechtspfleger) "durch einen Beisatz zur Urschrift" der Entscheidung (§ 123 Abs 1 Geo.; § 89 Abs 1 ZPO; 1 Ob 667/86; 10 ObS 87/92; Gitschthaler in Rechberger, ZPO² Rz 1 zu § 89). Insoweit ist die Zustellverfügung auch ein Verfahrensakt des Entscheidungsorgans der hiefür in Frage kommenden Behörde (10 ObS 87/92), der im vorliegenden Fall (chronologisch und kompetenzmäßig) zweiaktig ablief:
Zunächst oblag die Anordnung betreffend Zustellung der gegenständlichen Klage dem Richter des amerikanischen Prozessgerichtes (nach dessen lex fori), der diese im Rechtshilfeweg via Bundesministerium für Justiz an das österreichische (wohn-)sitzmäßig zuständige Bezirksgericht anordnete (wie sie im Akt auch im Original dokumentiert ist). Davon unabhängig und daher auch rechtlich zu unterscheiden ist hingegen der hernach vom angerufenen Rechtshilfegericht gesetzte weitere Schritt, nämlich Zuweisung des Zustellstückes an die Vollzugsabteilung (§ 39 Abs 1, § 40 Abs 5, § 163 Abs 2 Geo.), als damit - so auch vom Rekursgericht grundsätzlich richtig qualifizierte - per definitionem weitere (nachgeordnete) Zustellverfügung. Anders als das Gericht zweiter Instanz vermeint der Oberste Gerichtshof allerdings nicht, dieser Zustellverfügung auch die Qualität eines gerichtlichen Beschlusses zuzuerkennen (insoweit zu allgemein Fasching, Lehrbuch² aaO Rz 523 aE). Dies erhellt schon daraus, dass es einer solchen ja in bürgerlichen Rechtssachen nach der ausdrücklichen Anordnung des § 129 Abs 1 Geo. gar nicht (stets und unbedingt) bedarf, "wenn mit Sicherheit erwartet werden kann, dass die Geschäftsstelle die dem Gesetz und den bestehenden Vorschriften entsprechenden Zustellungen ... auch ohne ausdrückliche Zustellverfügung oder Weisung ordnungsgemäß ausführen wird". Demgemäß ordnete schon das auf Erlassstufe des Bundesministeriums für Justiz stehende (JABl 1952/9) Dienstbuch zur Geo.³ an, dass "bei Erledigungen, die sich in gleichförmiger Weise wiederholen, in bürgerlichen Rechtssachen eine ZV regelmäßig entfallen kann" (abgedruckt auch in Danzl, Geo. Anm 4 zu § 129); "wenn er in Geschäften dieser Art hinlänglich Übung besitzt", kann der Leiter der Geschäftsabteilung nach § 129 Abs 3 erster Satz Geo. sogar "die Erledigung [gemeint: Zustellverfügung] auch selbst ergänzen" und so "dank seiner Erfahrungen ... den Richter hinsichtlich der ZV ... in wertvoller Weise unterstützen" (Dienstbuch, aaO, abgedruckt wiederum in Danzl, aaO Anm 12). Aus dem Umstand, dass nach Eintreffen der Rechtshilfestücke beim Rechtshilfegericht dessen Ausführungsverfügung, nämlich Weiterleitung an die Vollzugsabteilung, namens des Vorstehers (also eines Richters) dieses Gerichtes bloß von einer (nichtrichterlichen) Mitarbeiterin dessen Geschäftsstelle unterfertigt wurde, kann daher entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht abgeleitet werden, dass diese trotzdem als (richterlicher) "Beschluss" - und damit gerichtliche, der Anfechtung zugängliche Entscheidung - zu qualifizieren sei, sondern kann nur der Schluss gezogen werden, dass es sich hiebei - im Sinne der Diktion der Rechtsmittelwerberin - um einen bloß "technischen Vorgang" der Zustellung handelte, den anzuordnen und auszulösen es nach dem Vorgesagten keineswegs (zwingend) einer (besonderen) richterlichen Zustellverfügung (und damit Entscheidung im Sinne eines - auch anfechtbaren - Beschlusses) bedurfte.
Davon zu unterscheiden ist freilich die vom Rekursgericht zutreffend als "Akt der Gerichtsbarkeit" qualifizierte "Gewährung der Zustellungsrechtshilfe". Die Erledigung von Rechtshilfeersuchen fällt in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte und gehört somit zu jenen Agenden, die von ihnen in voller richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt werden (Bajons, aaO Rz 28 zu § 38). Dies betraf hier somit nicht die bloße Übermittlung des Rechtshilfeersuchens durch das Bundesministerium für Justiz als für die Abwicklung des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs mit den USA verantwortlicher Behörde, sondern die vom Gericht im Anschluss daran meritorisch zu behandelnde Erledigung des Rechtshilfeersuchens (Bajons, aaO Rz 30), welche es dem Gericht auch abverlangt, die im § 38 Abs 2 JN - mangels besonderer völkerrechtlicher zwischenstaatlicher Regelungen im Verhältnis zum ersuchenden Staat (vgl jüngst Czernich, Österreichisch-Amerikanisches Zivilprozessrecht, JBl 2002, 613 [615, 628]) - gesetzlich vorgegebenen Ablehnungsgründe zu prüfen und im Falle ihres Vorliegens das Rechtshilfeersuchen auch abzulehnen. Diese Entscheidung kann nicht an die Geschäftsstelle delegiert werden, sondern ist richterliche Entscheidung im eigentlichen Sinne. Waren solche Gründe nicht gegeben, so hat das Gericht die begehrte Rechtshilfe gemäß § 39 Abs 1 erster Satz JN "zu gewähren", also nach den "für das ersuchte Gericht verbindlichen Gesetzen" aus- und durchzuführen. Dies ist hier geschehen. Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst zu 7 Ob 42/02f (freilich in anderem Sachzusammenhang, aber vom Grundsätzlichen her auch hier anwendbar) ausführte, bedarf es - um eine Entscheidung mit Charakter eines anfechtbaren Beschlusses anzunehmen - einer Willenserklärung des Gerichtes, mit dem es unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Formen entweder eine verfahrensrechtliche Entscheidung oder in den vom Gesetz zugelassenen Fällen eine Entscheidung über ein Rechtsschutzbegehren trifft; fehlt einer Erklärung des Gerichtes der Charakter einer solchen Entscheidung, dann ist diese Vorgangsweise nicht mit Rekurs bekämpfbar, selbst wenn sie fälschlicherweise mit Beschluss bezeichnet worden wäre. Eine solche - gleichsam zweiaktige, in eine ausdrückliche beschlussmäßige Form gebundene - Entscheidungsfällung ist freilich im Falle der Zustellung mittels Rechtshilfegewährung (anders bei Rechtshilfeverweigerung) gerade nicht vorgesehen. Daraus folgt - zusammenfassend -, dass die Anordnung der im Rechtshilfeweg beantragten Zustellung kein anfechtbarer (§ 514 Abs 1 ZPO) Beschluss ist. Das Rekursgericht hätte daher bereits den hiegegen trotzdem erhobenen Rekurs als unzulässig zurückweisen müssen, was aus Anlass des an den Obersten Gerichtshof erhobenen Revisionsrekurses aufzugreifen war. Eine weitergehende Befugnis zur Sachentscheidung über die inhaltlichen Ausführungen der Rechtsmittelwerberin fehlt demnach dem Obersten Gerichtshof.
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