OGH 12Os96/02

OGH12Os96/027.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Novica R***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 4. April 2002, GZ 40 Hv 1/02h-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Stögerer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, gemäß § 290 Abs 1 StPO in der Beurteilung der zum Schuldspruch 2 erfassten Teilakte als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß §§ 288 Abs 1 Z 3, 290 Abs 1 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Novica R***** wird für die Verbrechen der (durch die Teilakte laut Punkt 2 des angefochtenen Schuldspruchs aggravierten) Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (l) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (3) nach § 201 Abs 2 StGB unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 43a Abs 3 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren verurteilt, wovon ein Strafteil von 16 (sechzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Novica R***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (l), des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (2) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 (zu ergänzen:) Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (3) schuldig erkannt.

Danach hat er am 16. Juli 2001 in Lauterach Sonja A*****

1. außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Körperverletzung zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden (gemeint:) geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie unter Anwendung von Körperkraft festhielt, ihr kurzfristig ein Messer an den Hals setzte, sich auf sie legte und in der Folge mit einem Finger in ihre Scheide eindrang;

2. außer dem Fall des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie unter Anwendung von Körperkraft festhielt, sich auf sie legte, sie an ihren Brüsten sowie im Genitalbereich betastete und ihre Brüste küsste;

3. mit Gewalt zur Duldung der Herstellung von Polaroid-Fotos genötigt, indem er ihr mehrfach ihre Beine auseinander drückte bis sie es - "unter dem Eindruck ihrer aussichtslosen Situation mit seiner körperlichen Übermacht" - geschehen ließ und sodann Fotos von ihrem Genitalbereich anfertigte, wobei er besonders wichtige Interessen der Genötigten, nämlich ihr sexuelles Selbstbestimmungsrecht bzw ihre sexuelle Integrität verletzte.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher jedoch keine Berechtigung zukommt. Durch die Ablehnung der Vernehmung der Zeugin Ljiljana R***** zum Beweis dafür, "dass Novica R***** die Mutter der Sonja A***** niemals traf und erst Mitte der 70-er Jahre flüchtig kennenlernte, sodass die Behauptung des Vaters A***** über die versuchte Vergewaltigung an der Mutter der Zeugin Sonja A***** frei erfunden ist" (S 107/II), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) nicht verletzt. Abgesehen davon, dass der erste Teil des Beweisthemas dem zweiten widerspricht, wurde - weil von selbst nicht einsichtig - prozessordnungswidrig nicht dargelegt, weshalb die beantragte Zeugin in der Lage sein sollte, jegliche Gelegenheit des Angeklagten zur Vergewaltigung der Mutter des nunmehrigen Opfers auszuschließen.

Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens der Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine - geschweige denn erhebliche - Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen, zumal objektive Beweisergebnisse wie ein beim Angeklagten sichergestellter Schlüssel und eine von der Brust des Opfers abgenommene molekularbiologische Mischspur mit dem Merkmalmuster (auch) des Angeklagten die detailreiche Schilderung der Zeugin Sonja A***** bestätigten und den Beschwerdeführer jeweils zu einer Änderung seiner - im Sinn der Urteilserwägungen dadurch problematisierten - Verantwortung veranlassten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, dass dem Schuldspruch wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (2) der vom Beschwerdeführer nicht gerügte materielle Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet, der gemäß § 290 Abs 1 StPO amtswegig wahrzunehmen ist. Denn mehrere geschlechtliche Handlungen, die nicht im Beischlaf bestehen oder diesem gleichzusetzen sind, die aber einem einheitlichen, auf die Erzwingung eines geschlechtlichen Missbrauchs gerichteten Tätervorsatz entspringen und in einem nahen zeitlichen Zusammenhang an dem selben Opfer begangen werden, gehen im Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 oder Abs 2 StGB auf (vgl Foregger/Fabrizy StGB7 § 201 Rz 9; Schick in WK2 § 201 Rz 60). Vorliegend stellten die geschlechtlichen Handlungen ein einziges, von einheitlichem Tätervorsatz getragenes Geschehen dar, weshalb die gesonderte Zurechnung der gewaltsamen Nötigung der Sonja A***** zur Duldung des Betastens ihrer Brüste und ihres Genitalbereiches sowie des Küssens ihrer Brüste rechtlich verfehlt und durch ersatzlose Ausschaltung des Schuldspruchs wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (2) zu korrigieren war.

Bei der dadurch notwendigen Strafneubemessung waren die Verwirklichung zweier Verbrechen, die Ausnützung des Vertrauens des Opfers und dessen Alter nahe der Unmündigkeit erschwerend, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten. Die im Hinblick auf diese Strafzumessungsgründe in der Dauer von zwei Jahren angemessene Freiheitsstrafe ist infolge der durch die Taten sichtbar gewordenen kriminellen Energie des Angeklagten, sohin aus spezialpräventiven Gründen, mit Rücksicht auf die Steigerung des gesellschaftlichen Störwerts der Tat, die aus der Tatbegehung an einem der Unmündigkeit erst knapp entwachsenen Mädchen folgt, aber auch aus generalpräventiver Sicht (§ 43 Abs 1 StGB) in dem bei Anwendung des § 43a StGB maximal zulässigen Teil unbedingt zu vollziehen.

Der gegen das Adhäsionserkenntnis gerichteten Berufung zuwider ist der Zuspruch von 2.000 EUR an die tatbetroffene Privatbeteiligte für deren erlittene Demütigung in dieser Höhe jedenfalls gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

Stichworte