Spruch:
Die Übertragung der Zuständigkeit vom Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz auf das Bezirksgericht Vöcklabruck wird nicht genehmigt.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Der Minderjährige ist österreichischer und amerikanischer Staatsbürger. Die Obsorge kommt nach der einvernehmlichen Scheidung seiner Eltern der Mutter allein zu. Bei Anfall des Pflegschaftsakts 1986 wohnten der Minderjährige und seine Mutter im Sprengel des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz.
Im Juli 2002 stellte der Minderjährige, der zwischenzeitig mit seiner Mutter in die USA übersiedelt ist, einen Antrag auf Unterhaltserhöhung (ON 16). Das Pflegschaftsgericht erhob, dass der sorgepflichtige Vater nunmehr im Sprengel des Bezirksgerichts Vöcklabruck wohnt ( 19) und übertrug seine Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache gemäß § 111 JN dem Bezirksgericht Vöcklabruck mit der Begründung, der einzige Inlandsbezug der Pflegschaftssache sei der Wohnsitz des Vaters (ON 21).
Das Bezirksgericht Vöcklabruck lehnte die Übernahme ab, weil dadurch weder die Interessen des Minderjährigen gefördert würden, noch pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen besser eingesetzt werden könnten.
Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz legte hierauf die Akten gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Dieser hat hierüber gemäß § 7 Abs 1 Z 4 OGHG in einem Dreiersenat zu entscheiden.
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der vormundschafts- oder kuratelsbehördlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit zur Gänze oder die Aufsicht und Fürsorge über die Person des Pflegebefohlenen oder die Ausübung der dem Gerichte in Ansehung der Vermögensangelegenheiten des Pflegebefohlenen zukommenden Obliegenheiten ganz oder zum Teile einem anderen Gerichte übertragen, wenn dies im Interesse eines Mündels oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint und namentlich wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten vormundschafts- oder kuratelsbehördlichen Schutzes voraussichtlich befördert wird. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Grundsatz der perpetuatio fori - wonach jedes Gericht in Rechtssachen, die rechtmäßigerweise bei ihm anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig bleibt, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten (§ 29 JN) - durchbrochen werden (EFSlg 79.096). Diese Bestimmung bezweckt die Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes (EFSlg 79.096; EFSlg 88.005). Eine Übertragung muss daher im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen sein (Fucik in Fasching, JN² § 111 Rz 2; stRsp ua EFSlg 85.181; EFSlg 88.003). Als Ausnahmebestimmung ist § 111 JN grundsätzlich einschränkend auszulegen (Mayr in Rechberger, ZPO² § 111 JN Rz 1; EFSlg 79.097).
Im vorliegenden Fall fördert eine Übertragung zwar möglicherweise die Interessen des (in einem anderen Sprengel als jenem des bisherigen Pflegschaftsgerichts wohnenden) Vaters, aber noch nicht jene des Minderjährigen, der sich mit seiner Mutter (der die Obsorge allein zusteht) ständig im Ausland aufhält. Es fehlen unter diesen Umständen die Voraussetzungen, den Übertragungsbeschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu genehmigen (so schon EFSlg 57.696).
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