OGH 7Ob215/02x

OGH7Ob215/02x30.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt I*****, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Thomas O*****, vertreten durch Mag. Karl-Heinz Voigt und Mag. Egon Lechner, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen Feststellung (Streitinteresse EUR 5.813,83) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Mai 2002, GZ 4 R 208/02w-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom 28. Jänner 2002, GZ 8 C 579/01z-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 468,18 (hierin enthalten EUR 78,03 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat zwar in Abänderung seines zunächst gegenteiligen Ausspruches die Revision gegen sein Urteil gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig erklärt, doch liegen die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes nicht vor. Die Erledigung des Rechtsmittels kann sich daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Mit der am 22. 8. 2001 eingebrachten Klage stellte die klagende Stadt I***** das Begehren, festzustellen, "dass der Beklagte keine wie immer gearteten Rechte auf Plakatierung der von der klagenden Partei im Stadtgebiet I***** aufgestellten Wertstoffcontainer, insbesonders Altpapiercontainer hat." Sie begründete dies damit, dass die klagende Stadt aufgrund des öffentlichen Auftrages zur Müllentsorgung in ihrem Stadtbereich Container aufstelle, welche immer wieder "Ziel wilder Plakatierung" seien, ua auch durch den Beklagten als Inhaber einer Plakatwerbefirma, wodurch auch wichtige Hinweistafeln auf den Containern (über deren Inhalt etwa) überklebt würden. In Ablehnung eines entsprechenden Ansuchens des Beklagten habe ihm die Klägerin keine Rechte zur Plakatierung dieser Container eingeräumt, trotzdem behaupte der Beklagte dies weiterhin. Die Klägerin habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sie das alleinige Verfügungsrecht an den Containern habe und der Beklagte nicht berechtigt sei, auf diesen Plakate anzubringen bzw ein Exklusivrecht zu behaupten, um selbst gegen andere Plakatwerber vorzugehen. Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, dass der Beklagte als Inhaber einer mit Plakatwerbung geschäftlich tätigen Firma mit der Firma A***** GmbH (kurz: A*****) vereinbart hat, dass es ihm (vorerst für fünf Jahre) gestattet ist, auf Containern im (auch entsprechend gekennzeichneten) Eigentum der Firma A*****, welche diese ihrerseits der klagenden Partei zum Aufstellen in I***** zur Verfügung stellt (ohne dass freilich die genaue Vertragsgrundlage hiefür feststellbar war), Veranstaltungsplakate bestimmter Größe in der Stadt I***** anzubringen, jedoch beginnend erst nach Genehmigung der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. Die klagende Partei hat dem Beklagten "bis dato" eine Plakatierung jedoch nicht genehmigt, sondern geradezu gegenteilig in einem umfangreichen Schriftverkehr ihn darauf hingewiesen, dass sie eine solche nicht dulde. Trotzdem hat der Beklagte auf diesen Containern plakatiert.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die bloße Vereinbarung des Beklagten mit der Firma A***** keinerlei Rechtswirkungen zu Lasten der klagenden Partei entfalten könne und diese auch keine (von der Firma A***** selbst abhängig gemachte) Genehmigung - schriftlich, mündlich oder konkludent - erteilt habe. Dafür bedürfe es auch keines ablehnenden Bescheides, weil es sich bei der Plakatierung von Containern nicht um eine Werbeeinrichtung im Sinne des § 45 der Tiroler Bauordnung (TBO) handle. Für das Verfügungsrecht, keine Plakatierung zu dulden, sei es auch nicht notwendig, dass sich die Container im Eigentum der Klägerin befänden, sondern genüge es, dass sie über diese Container insoweit verfügen könne, wo diese aufgestellt würden; schließlich stünden die Container auf öffentlichem Grund und seien "ebenso wie öffentliche Werbeflächen, Zäune, Hausmauern usw zu behandeln."

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Es übernahm die (einzig bekämpfte) Feststellung, wonach der Beklagte auch noch 2001 plakatiert habe, nicht jedoch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Der Klägerin mangle es nämlich am Feststellungsinteresse, weil sie zufolge der erwiesenen Rechtsverletzungen des Beklagten und damit auch zu bejahender Wiederholungsgefahr bereits mit Unterlassungsklage hätte vorgehen können und müssen. Von einer Vorgehensweise nach § 473a ZPO sei hiebei Abstand zu nehmen gewesen, weil die beklagte Partei ihre Berufung auf Feststellungen des Erstgerichtes gegründet habe, sodass allfällige Beweis- oder Mängelrügen von der Klägerin bereits in der Berufungsbeantwortung vorzunehmen gewesen wären.

Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000 übersteige, nicht jedoch EUR 20.000 und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen seien. Über Antrag der klagenden Partei gemäß § 508 ZPO änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch in der Folge dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte, weil die Revisionswerberin durch die Rüge, keinen weiteren Schriftsatz gemäß § 473a ZPO einbringen gekonnt zu haben, einen Mangel des Berufungsverfahrens releviere, der nicht Gegenstand des Ausspruches über die Revisionszulässigkeit gewesen sei und über dessen Bestehen das Berufungsgericht somit nicht zu befinden habe.

In der mit dem Abänderungsantrag verbundenen Revision werden die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend gemacht; beantragt wird die Abänderung des bekämpften Urteiles im Sinne einer Klagestattgebung, also Wiederherstellung des Ersturteils. Die beklagte Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher der Antrag gestellt wird, "den Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO dahingehend abzuändern, dass die Revision für nicht zulässig erklärt wird", in eventu, "den Revisionsantrag der klagenden Partei als unbegründet abzuweisen" und das Berufungsurteil zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - wie bereits einleitend ausgeführt - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Vorauszuschicken ist, dass die vom Berufungsgericht in seinem Abänderungsausspruch nach § 508 Abs 3 ZPO gewählte Begründung an sich eine Leerformel darstellt, weil nicht wirklich aufgezeigt wird, worin tatsächlich die erhebliche Rechtsfrage (im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO) gelegen sein soll. Der Umstand allein, dass ein Revisionswerber einen Verfahrensmangel des Berufungsgerichtes releviert, der somit grundsätzlich nie "Gegenstand des Ausspruches über die Revisionszulässigkeit" gewesen sein kann, würde nämlich bejahendenfalls stets die schrankenlose Anrufbarkeit des Höchstgerichtes eröffnen können, welche jedoch in den Fallkonstellationen des § 508 Abs 1 ZPO nach der Intention des Gesetzgebers (zum Novellenzweck der WGN 1997 ausführlich 1 Ob 41/99g = SZ 72/75) sowohl im materiell- wie auch im verfahrensrechtlichen Bereich in der pflichtgemäßen Entscheidungskognition des Gerichtes zweiter Instanz gelegen ist und nur bei tatsächlicher Bejahung einer solcherart erheblichen Rechtsfrage für eine Überwindung der in § 502 Abs 1 ZPO normierten Rechtsmittelbeschränkung ausreichen soll (und darf; zum Fall einer solchen Stichhaltigkeitsprüfung des Abänderungsantrages durch das Berufungsgericht selbst im Falle sogar einer behaupteten Nichtigkeit ausführlich 1 Ob 63/99t). Im Lichte dieser Ausführungen vermag aber die Unterlassung einer (im Übrigen vom Berufungsgericht sogar selbst schon in S 11 = AS 81 seiner Entscheidung ausdrücklich begründeten) Vorgangsweise nach § 473a ZPO schon deshalb keinen Verfahrensmangel (im Sinne des § 503 Z 2 ZPO - RIS-Justiz RS0111842), geschweige denn mit dem Gewicht einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO zu begründen, weil die Revisionswerberin selbst gar nicht ausführt (bzw zu nennen vermag), welche sie belastenden Feststellungen des Erstgerichtes (bzw diesem allenfalls zu ihren Lasten unterlaufene Verfahrensmängel erster Instanz) sie in diesem Schriftsatz für den Fall der Einräumung eines solchen zu rügen konkret beabsichtigt hätte, sondern vielmehr offenbar von der Vorstellung ausgeht, dies offenzulegen erst - nach Aufhebung des Berufungsurteils durch den Obersten Gerichtshof - verpflichtet zu sein. Dazu kommt, dass auch die von ihr gewählte Rechtsfragenformulierung (AS 88 unten bzw 89 oben), wonach das Berufungsgericht die ordentliche Revision "zulassen sollte, da keinerlei Rechtsprechung zur Frage vorliegt, ob gegen eine etwaige Verletzung der Mitteilungspflicht gemäß § 473a ZPO zulässig ist oder nicht", schon sprachlich missglückt ist und somit erst recht als inhaltlich verfehlt erachtet werden muss. Es kann daher der Hinweis genügen (§ 510 Abs 3 ZPO), dass dadurch, dass sich die beklagte Partei als Berufungswerberin in ihrer vormaligen Rechtsrüge ja in keinerlei Weise auf in anderen Urteilsabschnitten als dem (eigentlichen) Feststellungsteil des Ersturteils "verborgene" Feststellungen bezog bzw stützte, nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch keine Rügepflicht der Berufungsgegnerin nach § 468 Abs 2 iVm § 473a ZPO ausgelöst wurde (RIS-Justiz RS0112020; 2 Ob 72/02f).

Auch die in der Revision weiters (wenngleich nicht schwerpunktmäßig) enthaltenen Ausführungen zur Tauglichkeit des erhobenen Feststellungs- anstelle eines vom Berufungsgericht geforderten Unterlassungsbegehrens sind insoweit nicht stichhaltig, handelt es sich doch hiebei prioritär um die Auslegung des Vorbringens einer Prozesspartei, woraus die Revisionswerberin ihren nunmehrigen Standpunkt ableitet, der jedoch grundsätzlich stets einzelfallbezogen und daher (ebenfalls) nicht geeignet ist, eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu begründen (RIS-Justiz RS0042828). Ein Interesse an der Feststellungsklage ist zwar zu bejahen, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen (RIS-Justiz RS0038908). Der vom Berufungsgericht in Anwendung gebrachte Rechtssatz, dass die Feststellungsklage nicht zuzulassen ist, wenn durch einen bereits möglichen Leistungsanspruch auch bereits der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, hat hier jedoch schon deshalb zu gelten, weil weitere als durch ein solches Leistungs- (hier: Unterlassungs-)begehren gezogene Rechtsfolgen füglich nicht in Betracht kommen und auch von der Revisionswerberin letztlich nicht ersthaft ins Treffen geführt werden können (7 Ob 107/01p).

Die Revision releviert damit insgesamt keine Gründe, denen die Eigenschaft einer erheblichen Rechtsfrage zukommen; sie ist daher - trotz Zulässigkeitserklärung durch das Gericht zweiter Instanz - zurückzuweisen (6 Ob 2341/96z; 1 Ob 59/02m).

Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausreichend zutreffend hingewiesen, sodass ihr die Kosten der damit zweckentsprechenden Revisionsbeantwortung zuzusprechen sind (§§ 41, 50 ZPO).

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