OGH 1Ob232/02b

OGH1Ob232/02b28.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Hans M*****, und 2. Luise M*****, beide ***** vertreten durch Dr. Albin Ortner, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Franz Othmar M*****, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Dr. Wolfgang Flucher, Dr. Reinhard Köffler und Dr. Günther Clementschitsch, Rechtsanwälte in Villach, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit sowie Wiederherstellung (Gesamtstreitwert 6.903,92 EUR = 95.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 16. Mai 2002, GZ 2 R 96/02y-25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 27. Dezember 2001, GZ 6 C 1134/00x-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 549,34 EUR (darin 91,56 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, deren Gutsbestand aus einem Grundstück mit einem in den Jahren 1978 bis 1994 errichteten Haus samt Nebengebäude besteht. Der Beklagte ist Alleineigentümer einer Liegenschaft, zu deren Gutsbestand unter anderem ein Grundstück gehört, das das Grundstück der Kläger im Osten und Süden umschließt. Alle Grundstücke weisen eine Hanglage in Nord-Süd-Richtung auf. Auf dem Grundstück des Beklagten befindet sich südlich der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück der Kläger der Beginn eines offenen Wasserabzugsgrabens, der in Richtung Süden verläuft. Der Beklagte war den Klägern beim Bau des Hauses auf deren Grundstück behilflich. Auf diesem Grundstück befindet sich eine Quelle, die im Zuge des Hausbaus unterirdisch gefasst und in Richtung Süden abgeleitet wurde. Es wurde rund um das Haus unter Mithilfe des Beklagten eine Ringdrainagenleitung hergestellt, schließlich ein Graben entlang der Westgrenze des Grundstücks der Kläger und auf dem Grundstück des Beklagten bis zum Wassergraben gezogen, und es wurden Rohrleitungen zur Ableitung der auf dem Grundstück der Kläger anfallenden Regen-, Dach-, Quell- und Sickerwässer verlegt. Die Streitteile vereinbarten, dass die Kläger diese Wässer von ihrem Grundstück über das Grundstück des Beklagten bis zum Wassergraben leiten dürften, um sie dort zur Versickerung zu bringen. Diese Vereinbarung enthielt keine zeitliche Beschränkung. Über die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit wurde nicht gesprochen.

Im Jahre 1999 legte die Tochter des Beklagten in dessen Auftrag die über sein Grundstück führende Sammelleitung zum Wassergraben frei, schnitt sie ab und verstopfte sie. Seit dieser Zeit ist die Fortleitung der Wässer zum Wassergraben unterbunden.

Die Kläger begehrten die Feststellung, dass zu Lasten des Grundstücks des Beklagten und zu Gunsten ihres Grundstücks die Dienstbarkeit der Wasserableitung, beschränkt auf das auf ihrem Grundstück entspringende Quellwasser sowie die Dachabwässer von dem auf diesem Grundstück errichteten Wohnhaus und der daran anschließenden Garage in Form eines etwa 10 cm (starken) Polokalrohres sowie die im Süden ihres Grundstücks anfallenden Sickerwässer in Form zweier "8 cm Drainagerohre", alle beginnend von der nördlichen Grenze des Grundstücks des Beklagten ca 12 m bis zu einem auf der Nordseite dieses Grundstücks befindlichen Wassergraben, bestehe; weiters begehrten sie, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen; ferner forderten sie die Wiederherstellung des früheren Zustands dadurch, dass die Abdichtung der Polokalrohrleitung ca 1 m südlich der Grundgrenze ihres Grundstücks entfernt und an das vorhandene Rohrstück ein sachgemäßer Anschluss mit einem Polokalrohr von 10 cm Durchmesser hergestellt werde. Dieses Begehren stützten die Kläger darauf, dass der Beklagte die mit ihm getroffene Vereinbarung - wie oben dargestellt - zu erfüllen habe.

Der Beklagte wendete ein, er habe die behauptete Dienstbarkeit nicht eingeräumt. Den Klägern sei im Zuge der Erteilung der Baubewilligung im Jahre 1978 unter anderem aufgetragen worden, die gesammelten Dachabwässer auf Eigengrund abzuleiten und zur Versickerung zu bringen. Über bauliche Maßnahmen zur Sammlung oder Ableitung des aus dem Grundstück zutage tretenden Wassers sei nicht gesprochen worden. Für die von den Klägern hergestellte "Wasserentsorgungsanlage" existiere keine behördliche Bewilligung; eine solche sei aber Voraussetzung für die rechtsgültige Begründung einer Dienstbarkeit.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die vereinbarte Dienstbarkeit sei zu erfüllen und daher auch der frühere Zustand der Sammelleitung zum Wassergraben wiederherzustellen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach letztlich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Da ausdrücklich eine Servitut vereinbart worden sei, habe der Beklagte die Verpflichtung, in deren Einverleibung einzuwilligen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Beklagte geht nunmehr angesichts der Feststellungen der Vorinstanzen selbst von einer Vereinbarung der Streitteile aus, dass die Kläger die Regen-, Dach-, Quell- und Sickerwässer von ihrem Grundstück über das Grundstück des Beklagten bis zu dem dort befindlichen Wassergraben leiten dürfen, damit diese dort versickern. Er vertritt aber die Ansicht, diese Dienstbarkeit wäre nur wirksam, falls das eingeräumte Recht seitens der Bau- bzw Wasserrechtsbehörde bewilligt werde oder zumindest bewilligungsfähig sei. Bis dahin sei das zwischen den Streitteilen geschlossene Rechtsgeschäft "aufschiebend bedingt". Die Kläger hätten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aber gar nicht behauptet, dass die Vereinbarung bewilligt worden oder bewilligungsfähig sei. Vielmehr hätten sie entsprechend der bereits im Jahre 1978 bei Erteilung der Baubewilligung erteilten Auflage die Dachwässer gesammelt auf Eigengrund abzuleiten und zur Versickerung zu bringen.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Revision zum Erfolg zu verhelfen:

Gemäß § 9 Abs 2 WRG bedarf die Benutzung privater Tagwässer sowie die Errichtung oder Änderung der hiezu dienenden Anlagen (nur) dann einer Bewilligung durch die Wasserrechtsbehörde, wenn hiedurch auf fremde Rechte oder infolge eines Zusammenhangs mit öffentlichen Gewässern oder fremden Privatgewässern auf das Gefälle, auf den Lauf oder die Beschaffenheit des Wassers, namentlich in gesundheitsschädlicher Weise, oder auf die Höhe des Wasserstandes in diesen Gewässern Einfluss geübt oder eine Gefährdung der Ufer, eine Überschwemmung oder Versumpfung fremder Grundstücke herbeigeführt werden kann. Bei privaten Tagwässern sind gewisse den Gemeingebrauch übersteigende und nicht bewilligungspflichtige Benutzungen durch den Eigentümer oder mit dessen Bewilligung möglich. Anlagen (zB Quellfassungen, Erdkanäle für Drainagegewässer) sind nur dann nach § 9 bewilligungspflichtig, wenn sie der Gewässerbenutzung dienen. Die Fassung einer Quelle stellt die Benutzung eines Tagwassers dar. Würde die Bewilligungspflicht im Sinne von § 9 Abs 2 WRG nur durch die Berührung fremder Rechte begründet, und liegt insoweit eine Zustimmung des Trägers des betroffenen Rechts oder eine Vereinbarung mit diesem vor, so ist die Anlage nicht bewilligungspflichtig (zu all dem Raschauer, Wasserrecht § 9 WRG Rz 2, 7, 10, 11; Grabmayr/Rossmann, Das österreichische Wasserrecht2 Anm 13 zu § 9; vgl 1 Ob 40/94). Vorrichtungen und Anlagen, die die Niederschlags- und Abfallwässer von Hausrealitäten abzuführen bezwecken, fallen in die Kompetenz der Baubehörden (Grabmayr/Rossmann, aaO Anm 6 zu § 9). Aus all dem folgt, dass im vorliegenden Fall eine wasserrechtliche Bewilligung für die von den Klägern vorgenommene Ableitung der oben genannten Tagwässer nicht erforderlich ist. Die vom Beklagten geforderte wasserrechtliche Bewilligung kann daher auch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die von ihm eingeräumte Dienstbarkeit sein.

Ähnliches gilt für das Erfordernis einer baubehördlichen Bewilligung. Gemäß § 6 lit a der Kärntner Bauordnung (BO) bedarf die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen einer Baubewilligung. Unter baulicher Anlage wird nach ständiger Rechtsprechung des VwGH jede Anlage verstanden, zu deren Herstellung ein wesentliches (gewisses) Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht und wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet ist (Hauer, Kärntner Baurecht3 Anm 4 zu § 6 der Kärntner BO mwN). Nun ist schon von vornherein nicht zu erkennen, inwiefern durch die von den Klägern geschaffene Anlage zur Ableitung der oben genannten Tagwässer öffentliche Interessen berührt werden könnten, wird doch nur das Grundstück des Beklagten - auf Grund einer Vereinbarung - in Anspruch genommen. Des weiteren stellt aber die von den Klägern geschaffene Anlage keine "sonstige bauliche Anlage" im Sinne des § 6 der Kärntner BO dar, wofür eine Baubewilligung erforderlich wäre, sind und waren doch zu deren Herstellung keine wesentlichen bautechnischen Kenntnisse erforderlich. Die Anlage der Kläger zur Ableitung der Tagwässer unterliegt und unterlag daher keiner baubehördlichen Bewilligungspflicht.

Damit gehen aber sämtliche Einwände des Beklagten gegen die Wirksamkeit der festgestellten Vereinbarung über die von ihm eingeräumte Dienstbarkeit ins Leere, und die Vorinstanzen haben daher zu Recht das Bestehen der vereinbarten Dienstbarkeit festgestellt. Aus der Einräumung der Dienstbarkeit folgt aber die Verpflichtung des Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung dieses Rechts (MietSlg 35.045 mwN). Schließlich erweist sich demgemäß auch das Wiederherstellungsbegehren als berechtigt, zumal der Servitutsbesteller die Ausübung der Servitut zu ermöglichen, er dies aber nach den Feststellungen durch Abdichtung bzw Abtrennung der Leitung verhindert hat.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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