OGH 3Ob247/02y

OGH3Ob247/02y23.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der führenden betreibenden Partei P***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, und der beigetretenen betreibenden Partei C***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, wider die verpflichtete Partei W***** GmbH, zuletzt *****, vertreten durch den Zustellkurator Mag. Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in Breitenfurt, wegen 551.168,06 EUR sA und 236.186,71 EUR sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 30. Juli 2002, GZ 18 R 173/02y, 174/02w und 175/02t-39, womit die Rekurse der verpflichteten Partei gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Mödling vom 8. Juni 2001, GZ 5 E 67/01x-2, ergänzt mit Beschluss vom 12. Juni 2001, GZ 5 E 67/01x-5, und vom 19. Dezember 2001, GZ 5 E 67/01x-15, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen, soweit die Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 19. Dezember 2001 ON 15 angefochten wird.

2. Soweit die Zurückweisung des Rekurses gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluss vom 8. Juni 2001, ergänzt mit Beschluss vom 12. Juni 2001 ON 2 und 5 angefochten wird, wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben; insoweit wird der Beschluss des Rekursgerichts aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind insoweit weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 8. Juni 2001 ON 2, ergänzt mit Beschluss vom 12. Juni 2001 ON 3, bewilligte das Erstgericht auf Antrag der führenden betreibenden Gläubigerin die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft der verpflichteten GmbH.

Da die Exekutionsbewilligung und weitere Beschlüsse der verpflichteten Partei nicht zugestellt werden konnten, bestellte das Erstgericht auf Antrag der führenden betreibenden Partei mit Beschluss vom 19. Dezember 2001 ON 15 Rechtsanwalt Dr. Robert Hirschmann zu deren Kurator. Dieser Beschluss wurde gemeinsam mit der Exekutionsbewilligung dem Kurator am 2. Jänner 2002 zugestellt. Am 10. Jänner 2002 teilte die Erstrichterin dem Kurator anlässlich einer Besprechung mit, dass er mit heutigem Tag enthoben sei und nichts mehr weiter tun solle; ein Beschluss folge.

Der Beschluss auf Enthebung des Kurators vom 10. Jänner 2002 ON 19 wurde dem Kurator am 11. Jänner 2002 (per Fax) zugestellt.

Am 25. Jänner 2002 setzte die Erstrichterin Rechtsanwalt Dr. Hirschmann (laut AV AS 67) "telefonisch in Kenntnis, dass er wiederum eingesetzt werden wird".

Am 2. Februar 2002 gab die verpflichtete Partei, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hirschmann einen Rekurs gegen die "vorerst" mit Beschluss vom 19. Dezember 2001, später durch telefonische Mitteilung vom 25. Jänner 2002 erfolgte Kuratorbestellung zur Post. Ein schriftlicher Beschluss hierüber liege dem Kurator bisher nicht vor, sodass sich die verpflichtete Partei vorsichtsweise schon jetzt zum Rekurs veranlasst sehe, obwohl ihr eine Begründung für die Wiederbestellung nicht bekannt sei; dies für den Fall, dass gerichtlich die Auffassung vertreten werden sollte, ein telefonischer Widerruf der schriftlichen Enthebung wäre wirksam und ausreichend. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Annahme eines unbekannten Aufenthalts sei (noch) nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht fasste am 24. April 2002 den Beschluss ON 29 auf Bestellung des Rechtsanwalts Dr. Hirschmann als Zustellkurator gemäß § 116 ZPO für die verpflichtete Partei; gemeinsam mit diesem Beschluss wurde dem Zustellkurator am 2. Mai 2002 neuerlich die Exekutionsbewilligung zugestellt.

Die durch den Zustellkurator vertretene verpflichtete Partei erhob gegen diesen Beschluss und gegen die Exekutionsbewilligung am 16. Mai 2002 (Postaufgabe) Rekurs, wobei sie ausführte, sie ziehe vorsichtsweise ihren Rekurs vom 2. Februar 2002 nicht zurück, "und zwar für den (hoffentlich eher unwahrscheinlichen) Fall, dass sich im Instanzenzug herausstellen sollte, dass die telefonische Wiederbestellung unseres Kurators wirksam gewesen sein sollte". Zum Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung wurde nur ausgeführt, "vorrangig aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung" möge der Antrag auf Bewilligung der Zwangsversteigerung abgewiesen werden.

Das Rekursgericht wies den Rekurs ON 24 gegen den Beschluss vom 19. Dezember 2001 ON 15 zur Gänze und den Rekurs ON 34 insoweit zurück, als er sich gegen die Exekutionsbewilligung richtet; es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Den Beschluss ON 29 auf (neuerliche) Bestellung eines Zustellkurators für die verpflichtete Partei hob das Rekursgericht auf, ohne einen Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

Zur Begründung der Zurückweisung der Rekurse führte die zweite Instanz aus, die Rechtsmittel seien verspätet. Die bekämpften Beschlüsse ON 15 und ON 2 seien dem Zustellkurator am 2. Jänner 2002 zugestellt worden, der Beschluss über seine Enthebung am 11. Jänner 2002. Bei dem Beschluss auf Enthebung eines Kurators handle sich um einen sogenannten rechtsgestaltenden Beschluss, der seine Gestaltungswirkung grundsätzlich mit Wirksamkeit, also Zustellung der schriftlichen Ausfertigung an die Parteien, entfalte. Allerdings sei er erst durch den ungenutzten Ablauf der Rekursfrist formell rechtskräftig geworden. Da die Rechtskraft des Enthebungsbeschlusses erst nach Ablauf der Rekursfristen gegen die Beschlüsse ON 2 und ON 15 eingetreten sei, hätte der Kurator rechtzeitig Rechtsmittel nur innerhalb der bereits in Gang gesetzten Rechtsmittelfristen erheben können. Daran vermöge der Umstand, dass das Erstgericht die Exekutionsbewilligung ON 2 an den neuerlich bestellten Kurator neuerlich zugestellt habe, nichts zu ändern.

Rechtliche Beurteilung

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist nicht zulässig, soweit die Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluss ON 15 bekämpft wird.

Nach stRsp (E. Kodek in Rechberger², vor § 461 ZPO Rz 9 mwN) setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus. Das bloße Interesse des Rechtsmittelwerbers an der Klärung einer Rechtsfrage begründet aber keine Beschwer. Durch die Zurückweisung ihres Rekurses gegen die (erste) Bestellung des Kurators, der in der Zwischenzeit rechtskräftig enthoben wurde, ist die verpflichtete Partei in ihren Rechten nicht beeinträchtigt. Die Mitteilung einer in Aussicht genommenen neuerlichen Bestellung stellt - wie im Übrigen auch die verpflichtete Partei meint - keinen anfechtbaren Beschluss dar; die Voraussetzungen der neuerlich erfolgten Kuratorbestellung werden nach Aufhebung des betreffenden Beschlusses durch das Rekursgericht vom Erstgericht geprüft.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen die Zurückweisung ihres Rekurses gegen die Exekutionsbewilligung ist dagegen zulässig und berechtigt.

Bei der Zurückweisung dieses Rekurses als verspätet hat sich das Rekursgericht darauf gestützt, die Frist zur Erhebung des Rekurses gegen die Exekutionsbewilligung habe bereits mit der erstmaligen Zustellung der Exekutionsbewilligung zu laufen begonnen und der Zustellkurator sei bis zur Rechtskraft des Beschlusses auf seine Enthebung zur Einbringung eines Rekurses berechtigt gewesen. Da die Rechtskraft des Enthebungsbeschlusses erst nach Ablauf der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen die Exekutionsbewilligung eingetreten sei, hätte der Zustellkurator ein rechtzeitiges Rechtsmittel nur innerhalb der bereits mit der erstmaligen Zustellung der Exekutionsbewilligung in Gang gesetzten Rechtsmittelfrist erheben können.

Dieser Rechtsansicht, die auch durch die vom Rekursgericht zitierte E 10 Ob 2148/96x nicht gedeckt ist, kann nicht gefolgt werden.

Der Beschluss auf Enthebung des Zustellkurators wird als rechtsgestaltender Beschluss bereits mit seiner Zustellung - und nicht erst mit Eintritt der Rechtskraft - wirksam (Gitschthaler in Rechberger 2, § 116 - 118 ZPO Rz 15; vgl auch Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 272). Da im vorliegenden Fall zu diesem Zeitpunkt die Frist zur Erhebung des Rekurses gegen die Exekutionsbewilligung noch nicht abgelaufen war, begann sie mit der neuerlichen Bestellung dieses Kurators wieder zu laufen. Da die Wirksamkeit der Kuratorbestellung gemäß § 118 ZPO mit der Aushändigung des Bestellungsbeschlusses an den Kurator nach erfolgtem Anschlag an der Gerichtstafel eintritt, müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein. Die hier vor dem Anschlag an die Gerichtstafel, der am 7. Mai 2002 erfolgt ist (s AV vom 26. Juli 2002 AS 121), die Zustellung an den Kurator am 2. Mai 2002 vorgenommen wurde, ist Heilung gemäß § 7 ZustG (früher § 108 ZPO) eingetreten: Die Zustellung gibt als im Zeitpunkt des Anschlags wirksam vollzogen (Fasching II 626).

Das Rekursgericht hat somit den am 16. Mai 2002 zur Post gegebenen Rekurs der verpflichteten Partei zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen; es wird daher unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund in der Sache über den Rekurs zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, § 52 Abs 1 ZPO.

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