OGH 10ObS266/02v

OGH10ObS266/02v22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Milorad B*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. Otto Wächter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1203 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. April 2002, GZ 8 Rs 55/02w-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12. Oktober 2001, GZ 25 Cgs 88/01s-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 28. 9. 1954 geborene Kläger erlitt am 20. 10. 1986 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich einen Außenknöchelbruch rechts peripher der tibiofibularen Dyndesmose und eine Hautabschürfung vor dem rechten Schienbein zuzog. Der Außenknöchelbruch wurde konservativ behandelt und ist ohne Fehlstellung und ohne radiologisch fassbare Unfallfolgen ausgeheilt. Eine Funktionseinschränkung ist nicht objektivierbar; eine mäßige Schwellung im Rist- und Knöchelbereich lässt subjektive Beschwerden plausibel erscheinen. Aus unfallchirurgischer Sicht liegt die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 18. 1. 2001 unter 10 vH.

Mit Bescheid vom 3. 4. 2001 hat die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 18. 1. 2001 auf Zuerkennung einer Versehrtenrente aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 20. 10. 1986 abgewiesen. Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage mit der Begründung ab, dass die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht das rentenbegründende Ausmaß von zumindest 20 vH erreiche. Hinsichtlich eines weiteren Arbeitsunfalls, den der Kläger am 20. 10. 2000 erlitten habe, liege der Zeitpunkt der Gesamtrentenbildung gemäß § 210 Abs 2 ASVG noch nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sah die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen Verletzung der Anleitungs- und Untersuchungspflicht nicht als gegeben an, übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und verneinte in seiner rechtlichen Beurteilung das Vorliegen eines Härtefalles. Die „Einbeziehung" des Arbeitsunfalls vom 20. 10. 2000 sei ausgeschlossen, da dies aufgrund der sukzessiven Kompetenz der Gerichte einen entsprechenden Bescheid und eine gegen diesen Bescheid gerichtete Klage vorausgesetzt hätte.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mangels rechtlicher Relevanz hat es das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt, die vom Kläger gewünschten ergänzenden Feststellungen zu treffen. Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist zunächst unabhängig vom tatsächlich ausgeübten Beruf abstrakt zu prüfen (SZ 69/234 = SSV-NF 10/107 uva; RIS-Justiz RS0088972 [T2]). Die sogenannte medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit, deren Feststellung eine Tatfrage darstellt (RIS-Justiz RS0043525, RS0086443, RS0088964 [T9]) und daher im Revisionsverfahren nicht überprüft werden kann (SSV-NF 3/19, SSV-NF 11/130 uva, zuletzt etwa 10 ObS 59/02b), bildet im Allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (RIS-Justiz RS0086443 [T4]), sofern nicht ein Abweichen unter besonderen Umständen geboten ist (SSV-NF 1/64 = SZ 60/262; SSV-NF 11/130; SSV-NF 11/154 ua; RIS-Justiz RS0088972 [T15]). Ein Abweichen kommt nur bei Vorliegen eines Härtefalls in Frage (SSV-NF 1/ 64 = SZ 60/262 ua).

Die Unmöglichkeit, den bisherigen Beruf weiterhin ausüben zu können, stellt für sich allein noch keinen solchen Härtefall dar (SSV-NF 3/128, 9/81 uva; RIS-Justiz RS0086439). Ein Härtefall liegt nach der Judikatur vor, wenn den Versicherten infolge der unfallbedingten Aufgabe oder erheblichen Einschränkung der bisherigen Tätigkeit beträchtliche Nachteile in finanziell-wirtschaftlicher Hinsicht treffen und eine Umstellung auf andere Tätigkeiten unmöglich ist oder ganz erheblich schwer fällt, wobei im Interesse der Vermeidung einer zu starken Annäherung an konkrete Schadensberechnung ein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0086442 [T1]; SSV-NF 9/81). Hinweise auf einen solchen Härtefall hat das Verfahren ebensowenig hervorgebracht wie Hinweise darauf, dass „auch in Zukunft Krankenstände in nicht unerheblichem Ausmaß zu erwarten" seien. Nach den Feststellungen ist der Außenknöchelbruch ohne Fehlstellung und radiologisch fassbare Unfallfolgen ausgeheilt. Eine Funktionseinschränkung ist nicht objektivierbar; eine mäßige Schwellung im Rist- und Knöchelbereich lässt subjektive Beschwerden plausibel erscheinen. Soweit aus der medizinischen Einschätzung mit unter 10 vH eine gewisse Minderung der Erwerbsfähigkeit hervorgeht, kann diese nur durch die subjektiven Beschwerden begründet sein. Im Übrigen berücksichtigen die bei der ärztlichen Begutachtung herangezogenen Tabellen die Verhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, sodass ein Härtefall nicht daraus entstehen kann, dass dem Kläger unfallbedingt jegliche Einsetzbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt genommen sein soll. Ein Ausschluss vom allgemeinen Arbeitsmarkt findet nämlich schon in der medizinischen Einschätzung ihren Niederschlag.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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