Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz - hier die Unterlassung der Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen der Psychiatrie und Psychologie und der Vernehmung zweier Zeugen -, deren Vorliegen das Berufungsgericht bereits verneint hat, können im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (stRsp zB SZ 22/106; EFSlg 91.044). Im Übrigen wird mit den Ausführungen unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens die in dritter Instanz nicht überprüfbare Beweiswürdigung bekämpft. Schwere Eheverfehlungen müssen schuldhaft - vorsätzlich oder fahrlässig - gesetzt werden (EFSlg 29.484, 51.600, 63.354, 66.419 ua; Pichler in Rummel, ABGB2 II § 49 EheG Rz 1; Schwimann in Schwimann, ABGB2 I § 49 EheG Rz 5). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung zum Verschulden der Eheleute hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb grundsätzlich einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (6 Ob 188/00s; 10 Ob 94/01y ua). Selbst wenn der Beklagte seine von den Vorinstanzen festgestellten Verhaltensweisen, die objektiv betrachtet schwere Eheverfehlungen darstellen, für erlaubt angesehen haben sollte, weil ihm die Klägerin nie ehewidriges Verhalten vorgeworfen habe und mit ihm bis zu ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung intensiv geschlechtlich verkehrt habe, so wäre ihm doch zweifellos erkennbar gewesen, dass sein Verhalten der hier festgestellten Art (unter anderem wiederholte, nicht milieubedingte Beschimpfungen übelster Art, Drohungen mit schwersten Körperverletzungen auch vor den Kindern, die Bezeichnung der Klägerin als Sklavin und "verlängerter Putzfetzen", als sie Ende November 2000 etwas mehr Freiheit für sich forderte) den aus der Ehe entspringenden Pflichten widerspricht, sodass er jedenfalls fahrlässig handelte. Verzeihung im Sinn des § 56 EheG ist nur dann anzunehmen, wenn der gekränkte Ehegatte durch sein Gesamtverhalten zum Ausdruck bringt, dass er das als Eheverfehlung empfundene Fehlverhalten seines Ehepartners nicht mehr als solches betrachtet und daher vorbehaltlos bereit ist, mit ihm die Ehe fortzusetzen (stRsp zB 1 Ob 73/98m; 1 Ob 170/99b; RIS-Justiz RS0057069, RS0057075; Pichler aaO § 56 EheG Rz 2). Die erlittene Kränkung muss innerlich überwunden sein. Für die Verzeihung ist der Ehegatte beweispflichtig, der die Verfehlung(en) begangen hat (EFSlg 84.585 mwN ua). Ob Verzeihung anzunehmen ist, betrifft einen inneren Vorgang, der in erster Linie nach freier Beweiswürdigung festzustellen und somit dem vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenbereich zuzuordnen ist (RZ 1980/29; EFSlg 69.238 uva). In der Tatsache des Geschlechtsverkehrs allein kann noch keine Verzeihung erblickt werden, wenn nicht aus dem gesamten Verhalten des gekränkten Ehegatten hervorgeht, dass er dadurch unzweideutig zum Ausdruck bringen wollte, dass er die Eheverfehlungen des anderen Teils, wodurch er sich zuerst gekränkt erachtete, nun als solche nicht mehr empfinde und vorbehaltlos bereit sei, mit ihm die Ehe fortzusetzen (RZ 1978/51; 8 Ob 1577/92 ua; RIS-Justiz RS0057022). Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die festgestellte Abhängigkeit der Klägerin vom Beklagten und die Tatsache, dass die Klägerin noch an dem Tag des letzten Geschlechtsverkehrs, zu dem die Klägerin mitten in der Nacht, aus dem Schlaf gerissen, nur nach einem Schlag auf den Kopf bereit war, mit ihren Kindern in das Frauenhaus zog, den Umstand, dass die Streitteile bis zum Auszug regelmäßig sexuell verkehrten, zutreffend nicht als Verzeihung gedeutet, kann doch in diesem Fall aus der Tatsache des Geschlechtsverkehrs ein eindeutiger Wille der Klägerin, die Ehe vorbehaltlos fortzusetzen, nicht abgeleitet werden.
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