OGH 10ObS279/02f

OGH10ObS279/02f22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und DI Walter Holzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Otto K*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Mai 2002, GZ 8 Rs 80/02z-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. September 2001, GZ 34 Cgs 61/01s-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Antrag des Klägers auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend § 150 Abs 1 lit a sublit aa) und bb) GSVG gemäß Art 89 Abs 2 B-VG wird zurückgewiesen. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Der Revisionswerber stellt auch gar nicht in Abrede, dass er bei Anwendung des Richtsatzes für Alleinstehende (§ 150 Abs 1 lit a sublit bb) GSVG) seit 1. 2. 2001 keinen Anspruch auf die begehrte Ausgleichszulage zur Pension hat. Er vertritt jedoch die Ansicht, dass auch in seinem Fall der sogenannte Familienrichtsatz gemäß § 150 Abs 1 lit a sublit aa) GSVG Anwendung zu finden habe, da er an seine - getrennt lebende - Ehegattin einen monatlichen Unterhalt von S 3.300 zu leisten habe und deshalb weiterhin in einer wirtschaftlichen und finanziellen Interessengemeinschaft mit seiner Ehegattin stehe. Eine andere Gesetzesauslegung würde zu einem verfassungswidrigen Ergebnis führen, weshalb der Kläger auch die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend die Richtsatzbestimmung des § 150 Abs 1 lit a sublit aa) und bb) GSVG beim Verfassungsgerichtshof beantragt.

Dazu sieht sich der Oberste Gerichtshof aber weiterhin nicht veranlasst, weil solche verfassungsrechtlichen Bedenken aus den schon in den Entscheidungen SSV-NF 6/18, 7/84, 13/79 und zuletzt 10 ObS 105/01s dargelegten Gründen nicht bestehen. Danach ist der Umstand, dass der höhere sogenannte Familienrichtsatz nur für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung gilt, die mit ihrem Ehepartner im gemeinsamen Haushalt leben, nicht aber auch für Pensionsberechtigte, die von ihrem Ehepartner getrennt leben oder von ihm geschieden wurden, dadurch gerechtfertigt, dass zwischen den Ehegatten, die im gemeinsamen Haushalt leben, einerseits, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, aber auch bei geschiedenen Ehegatten andererseits wesentliche tatsächliche Unterschiede bestehen, die eine unterschiedliche gesetzliche Regelung rechtfertigen. Nur bei im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten besteht in der Regel eine so enge Wirtschaftsgemeinschaft, die bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage nicht nur den höheren sogenannten Familienrichtsatz rechtfertigt, sondern auch die Berücksichtigung des gesamten Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners (§ 149 Abs 2 GSVG). Der Familienrichtsatz soll damit die Einkommensverhältnisse der Wirtschaftsgemeinschaft berücksichtigen, in der der Pensionsberechtigte lebt. Er ist daher nach dem Ausgleichszulagenrecht auch nur dann anzuwenden, wenn der Pensionsberechtigte im gemeinsamen Haushalt mit dem Ehepartner lebt. Da die Ausgleichszulage fürsorgerechtlichen Charakter hat und anders als die Versicherungsleistungen nicht durch Beiträge, sondern aus Steuern finanziert wird, ist eine Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Wirtschaftsgemeinschaft, in der der Pensionsberechtigte lebt, durchaus sachgerecht. Es bestehen auch im Sozialhilferecht unterschiedliche Richtsätze für Alleinstehende und für gemeinsam in einem Haushalt lebende Personen. Liegt - wie im vorliegenden Fall - eine solche Wirtschaftsgemeinschaft nicht vor, ist für jeden der beiden Ehegatten - soweit die sonstigen Voraussetzungen zutreffen - zu prüfen, ob Anspruch auf Ausgleichszulage besteht.

Wollte man - wie es der Revisionswerber anstrebt - den sogenannten Familienrichtsatz auch auf solche verheirateten Pensionsberechtigten anwenden, die mit ihrem Ehepartner nicht im gemeinsamen Haushalt leben, aber auch auf geschiedene Pensionsberechtigte, die dem früheren Ehepartner Unterhalt zu leisten haben, dann müsste bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage - wie das § 149 Abs 2 GSVG für im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatten anordnet - auch das gesamte Nettoeinkommen des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartners berücksichtigt werden, was wiederum mangels Vorliegens einer Wirtschaftsgemeinschaft zwischen diesen Personen kaum sachgerecht wäre (SSV-NF 7/84). Zwischen dem Fall, in dem zwei Ehegatten im gemeinsamen Haushalt leben und dem Fall, in dem Ehegatten - aus welchen Gründen privater Lebensgestaltung auch immer - getrennt leben, bestehen wesentliche Unterschiede im Tatsächlichen, die eine unterschiedliche gesetzliche Regelung rechtfertigen. Allfällige Unterhaltsverpflichtungen des Pensionsberechtigten sind für die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes nach § 150 GSVG ohne Bedeutung. Weder für die Anwendung des sogenannten Familienrichtsatzes nach Abs 1 lit a sublit aa), noch für die Erhöhung des Richtsatzes für jedes Kind, dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nach Abs 1 letzter Satz der genannten Bestimmung nicht erreicht, kommt es darauf an, ob der Pensionist für den im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder das Kind Unterhalt zu leisten hat. Der sogenannte Familienrichtsatz gilt für ihn selbst dann, wenn er gegen seinen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten einen Unterhaltsanspruch hat (SSV-NF 7/84). Dass Pensionsberechtigten mit Geldunterhaltspflichten (bei getrenntem Haushalt) von ihrem Einkommen in der Regel weniger verbleibt als Pensionisten mit Naturalunterhaltspflichten (bei gemeinsamem Haushalt), ist eine Folge der weitgehend der Disposition der Ehegatten unterliegenden privaten Lebensgestaltung (vgl VfSlg 16.026 ua). Für eine vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang im Rahmen eines "Härteausgleiches" contra legem gewünschte Anwendung des Familienrichtsatzes besteht daher ebensowenig Veranlassung wie für die vom Kläger beantragte Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof. Deshalb war der Antrag des Revisionswerbers, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der Bestimmung des § 150 Abs 1 lit a sublit aa) und bb) GSVG einzuleiten, zurückzuweisen (SSV-NF 8/88 ua).

Ausgehend von der dargestellten Rechtslage, gegen die keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, kommt der Revision keine Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die vorliegende einheitliche Rechtsprechung sind besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens nicht erkennbar, sodass ein ausnahmsweiser Kostenzuspruch nach Billigkeit nicht gerechtfertigt ist.

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