OGH 1Ob149/02x

OGH1Ob149/02x30.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Mag. Kurt S*****, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 1 Mio S (= 72.672,83 EUR) infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. März 2002, GZ 43 R 183/01g-23, womit infolge Rekurses des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. Feber 2001, GZ 8 Nc 164/00g-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen. Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Der Antragsteller - ein österreichischer Staatsbürger - begehrte in seinem am 20. 10. 2000 eingelangten verfahrenseinleitenden Antrag den Zuspruch eines "vom Gericht zu ermittelnden Entschädigungsbetrags" von zumindest 1 Mio S (= 72.672,83 EUR) wegen einer "(Quasi)Enteignung". Er brachte vor, er sei am 6. 11. 1952 im Alter von zwanzig Jahren von Soldaten der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und in das sowjetische Militärgefängnis in Baden bei Wien verbracht worden. Dort sei er "unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert und schweren Repressalien ausgesetzt" gewesen. Am 16. 12. 1952 habe ihn das Militärtribunal des Truppenteils 28.990 - gestützt auf eine Bestimmung des sowjetischen Strafgesetzes - wegen Spionage gegen die Sowjetunion zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt. Überdies sei sein anlässlich der Verhaftung beschlagnahmtes Eigentum konfisziert worden. Danach sei er verschleppt und - nach Anhaltungen in den Schublagern von Lemberg, Kiev und Moskau - in ein Spezialgefängnis der UdSSR in Wladimir überstellt worden. Dort sei er bis zu seiner Befreiung am 25. 6. 1955 festgehalten worden. Mit Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 5. 8. 1997 sei er nach § 3 deren Gesetzes vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression rehabilitiert worden. Die Antragsgegnerin habe gemäß Art 24 StV 1955 im Namen aller österreichischen Staatsangehörigen auf Ansprüche gegen die Alliierten verzichtet. Die Republik Österreich sei jedoch "wegen dieser, einer Enteignung gleichkommenden Vorgangsweise" für die ihm "(durch die UdSSR als Rechtsvorgänger[in] der heutigen Russischen Föderation) zugefügten Nachteile unmittelbar und im selben Ausmaß verwantwortlich, wie es die Russische Föderation wäre". Er sei ab seiner Verschleppung 962 Tage seiner Freiheit unter unmenschlichen Bedingungen unrechtmäßig beraubt gewesen. Dafür sei ein Ersatzbetrag von zumindest 1 Mio S angemessen. Die Geltendmachung eines höheren Betrags und "sonstiger Ansprüche" bleibe vorbehalten.

Die Antragsgegnerin wendete in Zusammenfassung ihrer Rechtsausführungen ein, dass es für den geltend gemachten Anspruch "keine wie auch immer geartete Rechtsgrundlage" gebe. Ein allfälliger Anspruch des Antragstellers wäre überdies verjährt.

Das Erstgericht wies den Entschädigungsantrag ab. Nach dessen Ansicht verzichtete die Antragsgegnerin gemäß Art 24 StV 1955 (auch) auf alle Ansprüche österreichischer Staatsangehöriger, die auf das Verhalten der Besatzungsmächte hätten gestützt werden können. Dieser Verzicht beziehe sich auch auf den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch. Die Antragsgegnerin habe sich nach Art 24 StV 1955 allerdings zur Gewährung von Entschädigungen an Personen verpflichtet, denen Ansprüche aus Nichtkampfschäden gegen die Besatzungsmächte zugestanden wären. Deshalb sei das Besatzungsschädengesetz, BGBl 1958/126, erlassen worden. Dieses sehe jedoch einen immateriellen Schadenersatz nicht vor.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf. Es verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach dessen Erwägungen ist nicht zweifelhaft, dass der Verzicht der Antragsgegnerin nach Art 24 Z 1 StV 1955 unmittelbar zu Lasten des Antragstellers gewirkt habe. Zu prüfen sei, ob dieser ohne den Verzicht der Antragsgegnerin einen Ersatzanspruch gegen die Sowjetunion aufgrund deren Maßnahmen als Besatzungsmacht in Österreich erfolgreich hätte geltend machen können. Bei Bejahung dessen bedürfe es keiner Klärung, ob die Russische Föderation Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion und als solche für einen derartigen Ersatzanspruch passiv legitimiert wäre. Der Zerfall der Sowjetunion sei völkerrechtlich als dismembratio zu beurteilen, sei doch das Völkerrechtssubjekt Sowjetunion untergegangen und deren Territorium auf mehrere, von Österreich anerkannte Nachfolgestaaten aufgeteilt worden. Nach Völkergewohnheitsrecht sei das Staatsvermögen samt den Schulden nach dem Grundsatz der "equity" aufzuteilen. Nach Art 35 der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Staatsvermögen, -archive und -schulden 1983 hätten die Nachfolgestaaten einen gerechten Anteil der Staatsschulden zu übernehmen. In diesem Kontext sei für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs nicht von Bedeutung, inwieweit die Russische Föderation Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion sei, weil Wiedergutmachungspflichten "höchstpersönliche des Gebietsvorgängers" seien, die nach einem römisch-rechtlichen Grundsatz ("actio personalis moritur cum persona") nicht auf den Gebietsnachfolger übergingen. Danach habe ein allfälliger Wiedergutmachungsanspruch des Antragstellers gegen die Sowjetunion "nicht von selbst" auf die Russische Föderation übergehen können. Ein solcher Anspruch gegen die Russische Föderation bedürfe vielmehr einer spezifischen Stütze in deren Rechtsordnung als Grundlage eines originären Ersatzanspruchs. Eine solche Stütze könnte in der die Rehabilitation des Antragstellers dokumentierenden Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation oder in deren Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression vom 18. 10. 1991 oder in einer anderen gesetzlichen Bestimmung liegen. Im Grundsätzlichen sei daher zu unterscheiden, ob der Antragsteller den behaupteten Anspruch ohne den Verzicht der Antragsgegnerin "bereits gegen die Sowjetunion oder erst (allenfalls auch erst) gegen die Russische Föderation" hätte geltend machen können. Wäre ein Wiedergutmachungsanspruch erst durch einen Rechtsakt der Russischen Föderation entstanden, so wirkte sich der Verzicht der Antragsgegnerin nach Art 24 Z 1 StV 1955 solange zu Lasten des Antragstellers aus, als die Russische Föderation einen solchen Anspruch nicht "ausdrücklich unabhängig" vom erörterten Verzicht gewähre. Das betreffe auch den Fall, dass die Russische Föderation insofern zumindest konkludent eine Wiedergutmachungspflicht als Teilrechtsnachfolgerin der Sowjetunion übernommen haben sollte, mit der sie nach allgemeinem Völkerrecht nicht belastet wäre. Ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller wegen des Verzichts gemäß Art 24 Z 1 StV 1955 nach den für einen enteignungsgleichen Eingriff maßgebenden Kriterien dem Grunde nach hafte, sei danach zu beurteilen, ob letzterem durch die Haftungsverneinung ein Sonderopfer abverlangt würde. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs dürfe einem einzelnen, aber auch einer kleinen Personengruppe ein entschädigungspflichtiges Sonderopfer im Interesse der Allgemeinheit auferlegt werden. Es mangle allerdings an einer allgemeinen Entschädigungsregelung mit der Verpflichtung zur Interessenabwägung. Der Verfassungsgerichtshof habe allerdings in den sogenannten "Wohnsiedlungs-Erkenntnissen" (VfSlg 7.234; VfSlg 6.884) die Normierung entschädigungsloser Abtretungsverpflichtungen, die bestimmte Personengruppen in völlig unterschiedlichem Ausmaß träfen, als Verletzung des Gleichheitssatzes beurteilt, wenn aus solchen Abtretungen alle in Betracht kommenden Personengruppen Vorteile zögen. Hier sei davon auszugehen, dass Art 24 StV 1955 eine "gleichheitswidrige Kategorisierung" von Personen geschaffen habe. Einer Personengruppe seien "Ansprüche gegen die alliierten und assoziierten Mächte" (gemeint offenkundig: wegen der Maßnahmen der alliierten und assoziierten Mächte als Besatzungsmächte in Österreich) zugebilligt worden, einer anderen Personengruppe seien solche Ansprüche dagegen verwehrt. Darin liege ein Sonderopfer der letzteren Gruppe. Diese unterschiedliche Behandlung sei daher sachlich nur dann gerechtfertigt, wenn ein solches Sonderopfer durch eine Entschädigung ausgeglichen werde. Die Höhe des Ersatzanspruchs richte sich nach den für den Schädigungszeitpunkt maßgebenden Bestimmungen. Die Verjährungseinrede sei nicht gerechtfertigt. Der Antragsteller habe keinen Anspruch nach dem Besatzungsschädengesetz geltend gemacht. Hätte ein Wiedergutmachungsanspruch gegen die Sowjetunion nach deren Rechtsordnung an sich bestanden, so sei deren Rechtspraxis in den Prüfungsrahmen miteinzubeziehen und zu klären, "inwieweit ein derartiges Verfahren nicht offenbar" aussichtslos gewesen wäre. Nur ab dem Zeitpunkt, ab dem der Antragsteller einen Wiedergutmachungsanspruch gegen die Sowjetunion mit Aussicht auf Erfolg hätte geltend machen können, hätte die Antragsgegnerin auf solche Ansprüche nicht verzichtet, käme eine Verjährung des Entschädigungsanspruchs wegen des Verzichts in Betracht. Der Antragsteller sei nicht verpflichtet gewesen, einen nach der inländischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen Feststellungsantrag zur Hintanhaltung der Verjährung einzubringen. Es liege jedoch ohnehin die Annahme nahe, dass der Antragsteller, der wegen Spionage gegen die Sowjetunion verurteilt worden sei, bis zu seiner Rehabilitierung keine rechtliche, jedenfalls aber keine faktische Möglichkeit gehabt habe, einen Ersatzanspruch gegen die Sowjetunion bzw die Russische Föderation erfolgversprechend geltend zu machen. Für einen "forderungsentkleideten" Verzicht sei die Antragsgegnerin überhaupt nicht entschädigungspflichtig. Die Verjährung eines Ersatzanspruchs habe dagegen nicht in Gang gesetzt werden können, ehe allenfalls eine Rechtslage eingetreten sei, die "den Verzicht zu einem 'forderungsbekleideten'" gemacht habe. Bei Ansprüchen, die erst 1997 entstanden wären bzw erst seither mit Aussicht auf Erfolg hätten geltend gemacht werden können, könne die Verjährungseinrede "naturgemäß nicht zum Ziel" führen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil es zu den in ihrer Bedeutung über den Anlassfall hinaus maßgebenden "Fragen der Enteignung, der Staatensukzession und der Verjährung" an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehle.

Der Rekurs der Antragsgegnerin ist zulässig; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Individualanspruch aufgrund Art 24 Z 2 StV 1955

1. 1. Der erkennende Senat erkannte in der in diesem Verfahren ergangenen Vorentscheidung 1 Ob 219/01i, der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz erstrecke sich auch auf vermögensrechtliche Ansprüche, die den Ausgleich immaterieller Schäden durch Geldleistungen bezweckten. Demzufolge sei der Verzicht des Bundes nach Art 24 StV 1955 als Legalenteignung des Antragstellers anzusehen, soweit sich dieser Verzicht auch auf Ersatzansprüche österreichischer Staatsbürger gegen die Sowjetunion bzw deren Rechtsnachfolgerin wegen immaterieller Schäden beziehe, die dem Antragsteller gegen die Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion ohne die Verzichtserklärung zugestanden wären.

Die beklagte Partei stellt die Rechtsnatur des erörterten Verzichts als "Enteignung" in Abrede, könne doch eine solche nur dann vorliegen, "wenn ein Rechtsübergang an den Staat, eine öffentliche Korporation oder eine gemeinnützige Unternehmung stattgefunden" habe, nicht dagegen "bei einem bloßen Vermögensentzug oder einer Wertminderung ohne Rechtsübergang". Insofern genügt der Hinweis, dass diese Auffassung der eingangs referierten Ansicht des erkennenden Senats, an der schon zufolge der innerprozessualen Bindungswirkung festzuhalten ist, widerspricht.

1. 2. Nach der bereits zitierten Vorentscheidung ergibt sich aus Art 24 Z 2 StV 1955 ferner, dass die Republik Österreich eine Entschädigung für Ersatzansprüche, die deren Verzicht gemäß Art 24 Z 1 StV 1955 erfasste, zu leisten haben wird. Diese Bestimmungen haben folgenden im Anlassfall wesentlichen Wortlaut:

"Z 1: Österreich verzichtet im Namen der österreichischen Regierung oder österreichischer Staatsangehöriger auf alle Ansprüche irgendwelcher Art gegen die Alliierten und Assoziierten Mächte, soweit sich solche Ansprüche unmittelbar aus dem Krieg in Europa nach dem 1. September 1939 oder aus Maßnahmen, die infolge des Kriegszustandes in Europa nach diesem Datum ergriffen wurden, ergeben, gleichgültig, ob sich die Alliierte oder Assoziierte Macht zu jenem Zeitpunkt mit Deutschland im Krieg befand oder nicht. Dieser Verzicht umfasst folgende Ansprüche:

a) Ansprüche für Verluste oder Schäden, die infolge von Handlungen der Streitkräfte oder Behörden Alliierter oder Assoziierter Mächte erlitten wurden;

b) Ansprüche, die sich aus der Anwesenheit, aus Operationen oder Handlungen von Streitkräften oder Behörden Alliierter oder Assoziierter Mächte auf österreichischem Staatsgebiet ergeben;

c) Ansprüche hinsichtlich der Entscheidungen von Prisengerichten der Alliierten oder Assoziierten Mächte, ....

d) Ansprüche, die sich aus der Ausübung oder vermeintlichen Ausübung von Rechten der Kriegsführenden ergeben.

Z 2: Die Bestimmungen dieses Artikels schließen vollständig und endgültig alle Ansprüche der hierin angeführten Natur aus, die von nun an erloschen sein sollen, welche Vertragsteile auch immer ein Interesse daran haben mögen. Die österreichische Regierung stimmt zu, eine billige Entschädigung in Schillingen den Personen zu leisten, die den Streitkräften der Alliierten oder Assoziierten Mächte im österreichischen Staatsgebiet auf Grund von Requisition Güter geliefert oder Dienste geleistet haben und ebenso eine Entschädigung zur Befriedigung von Ansprüchen aus Nichtkampfschäden gegen die Streitkräfte der Alliierten oder Assoziierten Mächte, die auf österreichischem Staatsgebiet entstanden sind."

Unter Bezugnahme auf den Wortlaut des Art 24 Z 2 StV 1955 hielt der erkennende Senat in seiner Vorentscheidung überdies fest, dass § 1 Abs 2 BesatzungsschädenG (BGBl 126/1958) "Nichtkampfschäden" bloß als Schäden "durch Wegnahme, Verlust, Zerstörung oder Beschädigung einer körperlichen Sache" versteht, die "von den Streitkräften oder Dienstellen der Alliierten oder Assoziierten Mächte in Österreich oder deren Angehörigen in der Zeit vom 11. September 1945 bis zur Räumung des österreichischen Bundesgebietes" verursacht wurden. Dagegen sei die Abgeltung immaterieller Schäden als Folge von Handlungen der Besatzungsmächte dort nicht vorgesehen, sodass sich nur die Frage stelle, ob und - bejahendenfalls - wie weit Art 24 Z 2 StV 1955 dem erhobenen Entschädigungsanspruch als unmittelbare Anspruchsgrundlage dienen könne.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei ist somit die Frage, "ob und inwieweit vom Art 24 StV 1955 Ansprüche immaterieller Natur ... theoretisch mitumfasst sein könnten", bereits geklärt. Es bedarf aber auch der Erörterung der im Rekurs aufgeworfenen Frage nicht, ob der Gesetzgeber nach dem geltenden Verfassungsrecht eine entschädigungslose Enteignung bzw Eigentumsbeschränkung anordnen dürfe, ist doch der völkerrechtliche Verzicht des Bundes ohnehin mit einer Entschädigungspflicht verknüpft. Soweit die beklagte Partei ferner als weitere Voraussetzung für den Erfolg des erhobenen Anspruchs hervorhebt, dem Antragsteller müsse durch einen entschädigungslosen Verzicht des Bundes auf allfällige Individualansprüche österreichischer Staatsbürger gegen die Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion ein unangemessenes Sonderopfer abverlangt worden sein, würfe das nur dann eine präjudizielle Rechtsfrage auf, wenn sich Art 24 Z 2 StV 1955 nicht als unmittelbare Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch eignen sollte.

1. 3. Die beklagte Partei verficht den Standpunkt, mit Art 24 StV 1955 hätten "nicht nur völkerrechtliche Beziehungen und Verpflichtungen abschließend geregelt werden" sollen, "sondern auch privatrechtliche Ansprüche, die sich aus der vielfältigen Tätigkeit der Besatzungsmächte ergeben". Mit derartigen "Besatzungsschäden" stünden "jedoch die Strafbestimmungen der UdSSR wegen Spionage gegen die Sowjetunion bzw darauf basierende Verurteilungen durch sowjetische Gerichte und damit einhergehende immaterielle Schäden zu Unrecht Verurteilter in keinem wie immer gearteten Zusammenhang". Als Stütze dafür beruft sich die beklagte Partei auf die Entscheidung 7 Ob 68/99x (= JBl 1999, 670). Dort wurde allerdings ausgesprochen, dass der Verzicht des Bundes alle Ansprüche österreichischer Staatsbürger "irgendwelcher Art gegen die a(A)lliierten und a(A)ssoziierten Mächte" mitumfasst und nicht auf Schäden aus Handlungen der Besatzungsmächte iure imperii beschränkt ist. Es kann wohl nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass die - nach den Antragsbehauptungen - 1952 erfolgte Festnahme und Anhaltung des Antragstellers durch die sowjetische Besatzungsmacht, seine Verurteilung wegen Spionage gegen die Sowjetunion durch ein Militärtribunal dieser Besatzungsmacht in Österreich und seine schließliche Verschleppung und Einkerkerung in der Sowjetunion Handlungen iure imperii waren, die einen auf österreichischem Staatsgebiet entstandenen Nichtkampfschaden im Sinne des Art 24 Z 2 StV 1955 verursachten. Durch den erörterten Verzicht im Staatsvertrag von Wien wurden die Besatzungsmächte jedenfalls von der Haftung für Schäden aus Handlungen iure imperii, gleichviel ob deren Völkerrechtswidrigkeit schon damals feststand oder sich erst später herausstellte, freigezeichnet. Die Republik Österreich hat daher gemäß § 24 Z 2 StV 1955 auch eine Entschädigungspflicht für Schäden ihrer Staatsbürger aus völkerrechtswidrigen Maßnahmen der Besatzungsmächte iure imperii übernommen. Soweit Seidl-Hohenveldern (Schafft Plünderung Eigentum? IPRax 2000, 321; Ausfuhrverbot und dessen Sicherung zu Lasten "erbeuteten" Eigentums, IPRax 2001, 590) die Entscheidung 7 Ob 68/99x angesichts des dort bedeutsamen Sachverhalts als verfehlt ablehnt, bedarf es hier keiner Stellungnahme, weil auch dieser Autor nicht in Zweifel zieht, dass die Freizeichnungsklausel jedenfalls Handlungen der Besatzungsmächte iure imperii betrifft. Somit erstreckt sich aber der Verzicht des Bundes und die von ihm deshalb übernommene Entschädigungspflicht - wie zusammenzufassen ist - auch auf Schäden, die österreichischen Staatsbürgern durch Maßnahmen der Besatzungsmächte iure imperii zugefügt wurden, denen in Wahrheit bloß Erwägungen politischer Repression und zu Lasten Unschuldiger verübter politischer Vergeltung (allenfalls für nationalsozialistisches Unrecht) zugrunde lagen. Eine derartige völkerrechtswidrige Maßnahme der Sowjetunion als Besatzungsmacht läge aber vor, wenn der Antragsteller - wie er behauptet - mit Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vom 5. 8. 1997 nach § 3 deren Gesetzes vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression rehabilitiert worden wäre. Es hängt daher der Erfolg oder Misserfolg des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach auch im Lichte solcher Erwägungen nur von der Lösung der Frage ab, ob der Antragsteller die behauptete Entschädigungspflicht unmittelbar auf Art 24 Z 2 StV 1955 stützen kann.

1. 4. Der Verfassungsgerichtshof sprach im Erkenntnis vom 19. 6. 1962 B 270/61 (= VfSlg 4.213) aus, "aus dem Textzusammenhang des Art 24 Z 2 StV 1955 sei zu schließen, dass "der Ausdruck 'Entschädigung' im zweiten Halbsatz dasselbe besagt, wie der vordem gebrauchte Ausdruck 'billige Entschädigung'"; dagegen bedürfe es keiner Stellungnahme, "ob damit eine volle Schadloshaltung zugesagt wurde oder nicht". Im Erkenntnis vom 27. 6. 1963 B 207/62 (= VfSlg 4.478) betonte der Verfassungsgerichtshof sodann begründungslos, dass Art 24 Z 2 StV 1955 "überhaupt kein subjektives Recht auf Entschädigung gewährt ...". Diese Ansicht überzeugt schon angesichts des Mangels jedweder Begründung nicht. Demnach ist der Frage nachzugehen, ob sich Art 24 Z 2 StV 1955 als Anspruchsgrundlage für Individualansprüche österreichischer Staatsbürger gegen den Bund eignet, weil sich dessen Verzicht im Staatsvertrag von Wien - wie bereits dargelegt - auch auf Ansprüche erstreckt, die österreichische Staatsbürger zufolge der durch rechtswidriges Verhalten von Organen der Besatzungsmächte erlittene Schäden gegen eine derartige Macht bzw deren Rechtsnachfolgerin erfolgreich hätten geltend machen können, wenn sie solcher Ansprüche durch den erörterten Verzicht nicht entkleidet worden wären.

1. 5. Nach einer auch in der älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 730/55) vertretenen Ansicht soll schon aus der Fassung des Art 24 Z 2 StV 1955 folgen, "dass ein unmittelbarer Rechtsanspruch eines Betroffenen gegen die Republik Österreich nicht begründet werden sollte" (siehe deren wörtliche Wiedergabe in der Entscheidung JBl 1961, 27). Dem lag die Auffassung zugrunde, dass es erst "einer näheren Darstellung der Grundsätze und Richtlinien" in einem Ausführungsgesetz bedürfe, nach denen eine "billige Entschädigung" zu leisten sei, könne doch sonst der Fall eintreten, dass der Bund außerstande sei, solche "Ansprüche der Geschädigten in ihrer Gesamtheit" zu erfüllen. Aus Art 27 Z 2 StV 1955 ergebe sich dagegen "für den einzelnen österreichischen Staatsbürger" ein unmittelbarer Ersatzanspruch gegen die Republik Österreich (3 Ob 183/58 = SZ 33/15; ebenso 3 Ob 118/58 = JBl 1961, 27). Sowohl in der Entscheidung 3 Ob 183/58 als auch in der Entscheidung 3 Ob 118/58 wurde hervorgehoben, dass Art 24 Z 2 StV 1955 im Gegensatz zu dessen Art 27 ausdrücklich nur von einer "billigen Entschädigung" für Geschädigte spreche. Allein darin wurde der wesentliche Unterschied für die Verneinung von Individualansprüchen österreichischer Staatsbürger schon aufgrund Art 24 Z 2 StV 1955 gesehen. Das überzeugt nicht:

Der Wortlaut der beiden Regelungen lässt einen wirklich bedeutsamen Unterschied in der Frage der Ersatzpflicht nicht erkennen, was auch G. Winkler (Zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Staatsverträgen, JBl 1961, 8) betont. Im Übrigen konnte und kann die Ausmittlung einer "billigen Entschädigung" im Bereich der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte getrost diesen überlassen werden, was letztlich auch in der Kritik Pfeifers (Enteignung und Entschädigung, ÖJZ 1958, 255, 263 f) an der soeben referierten Rechtsprechung deutlich genug zum Ausdruck gelangt, ist doch dabei ohnehin auf die Interessen aller Beteiligten Bedacht zu nehmen. Was in unterschiedlichen Einzelfällen billig ist, lässt sich durch ein bestimmtes Ausführungsgesetz nicht generell umschreiben. Eine Ersatzleistung ist daher nicht schon deshalb als "billige Entschädigung" anzusehen, nur weil sie vom Gesetzgeber in einer bestimmten Situation für ausreichend gehalten wird. Eine Entschädigung ist vielmehr erst dann als billig anzusehen, wenn sie von der Gemeinschaft der Normunterworfenen auf der Grundlage tragender Grundsätze der gesamten Rechtsordnung und der Umstände des Einzelfalls als gerecht empfunden wird. Diesem Maßstab im jeweiligen Einzelfall gerecht zu werden, ist eine Aufgabe, die der Gesetzgeber den Gerichten in vielen Einzelfragen der staatlichen Vollziehung anvertraut, weil sich das in den unterschiedlichen Einzelfällen Billige eben nicht im abstrakten Korsett generalisierender gesetzlicher Tatbestände definieren lässt. Neuere Beispiele dafür finden sich bei der Bestimmung des Unterhaltsanspruchs schuldig Geschiedener (§§ 66 ff EheG) oder bei der nachehelichen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (§ 83 Abs 1 EheG). Der Begriff der Ausmittlung einer billigen Entschädigung durch die Gerichte ist ferner etwa gemäß § 1310 ABGB in der nach wie vor geltenden Urfassung von Bedeutung. Allein am Befund der ungenügenden Konkretisierung des Begriffs der "billigen Entschädigung" in Art 24 Z 2 StV 1955 kann dessen Heranziehung als Grundlage für Ansprüche Einzelner somit nicht scheitern.

1. 6. Einer näheren Erörterung bedarf allerdings die wissenschaftliche Kritik an der Begründung und am Ergebnis der Entscheidung 3 Ob 118/58 durch G. Winkler (JBl 1961, 8 ff). Es wurde bereits erwähnt, dass auch dieser Autor der Ansicht ist, die unter 1. 5. referierte, allein an den unterschiedlichen Wortlaut der wesentlichen Passagen anknüpfende und danach differenzierende Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage nach der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art 24 Z 2 und des Art 27 Z 2 StV 1955 stütze sich insoweit nicht auf eine tragfähige Grundlage. Im Übrigen beruht die Kritik dieses Autors auf den von ihm erörterten Geltungsvoraussetzungen völkerrechtlicher Verträge. Mit darauf aufbauenden methodischen Erwägungen wendet er sich gegen die rezensierte Entscheidung und meint, es dürfe wegen der generellen Transformation des Staatsvertrags von Wien nicht schon auf seine unmittelbare Anwendbarkeit als taugliche Grundlage für die Ansprüche Einzelner gegen den Bund geschlossen werden. Der Oberste Gerichtshof war sich der von G. Winkler erörteren Geltungsvoraussetzungen völkerrechtlicher Verträge in der besprochenen Entscheidung allerdings durchaus bewusst. Die rein methodischen Einwände widerlegen das dabei erzielte Ergebnis nicht. Der Oberste Gerichtshof hätte dazu bei wertender Beurteilung der Kernfragen auch dann gelangen können, wenn er sich der von G. Winkler erörterten schrittweisen Begründungsmethode bedient hätte. Soweit schließlich das Tatbestandsmerkmal "österreichische Staatsangehörige" als unzureichende Bestimmung des Personenkreises der Anspruchsberechtigten und die unterbliebene Regelung des Stichtags für die Bemessung der Anspruchshöhe für Entschädigungsansprüche nach Art 27 Z 2 StV 1955 ins Treffen geführt werden, geht es auch dabei um Fragen, die auf dem Boden des Kanons der Auslegungsmethoden lösbar sind, entsteht doch immer erst durch die relative Unbestimmtheit des gesetzgeberischen Ausdrucks ein Auslegungsproblem. Deshalb können nicht schon allein die durch eine gesetzliche Regelung aufgeworfenen Auslegungsprobleme mit Erfolg als überzeugendes Argument gegen deren unmittelbare Anwendbarkeit auf bestimmte Sachverhalte ins Treffen geführt werden. Der erkennende Senat sieht sich somit nicht veranlasst, das in der Entscheidung 3 Ob 118/58 erzielte Ergebnis, das auf anderem methodischen Weg gleichfalls erreichbar gewesen wäre und das überdies - was auch G. Winkler nicht in Abrede stellt - billig ist, in Zweifel zu ziehen.

1. 7. Ist aber nach allen bisherigen Erwägungen ein Unterschied im Grundsätzlichen zwischen den Ersatzregelungen des Art 24 Z 2 und des Art 27 Z 2 StV 1955 aus deren Wortlaut nicht überzeugend zu begründen, so muss auch die Eignung des Art 24 Z 2 StV 1955 als unmittelbare rechtliche Grundlage für Entschädigungsansprüche von Einzelnen gegen den Bund bejaht werden. Das muss ganz besonders auch für den Verzicht auf Entschädigungsansprüche gelten, die Personen, denen die persönliche Freiheit durch den einer Besatzungsmacht zuzurechnenden Akt politischer Repression willkürlich entzogen wurde, gegen diese Besatzungsmacht bzw deren Rechtsnachfolgerin zugestanden wären, wenn auf solche Ansprüche nicht zu deren Lasten verzichtet worden wäre. Es fehlt bis heute an einem für die Geltendmachung solcher Entschädigungsansprüche tauglichen Ausführungsgesetz. Es muss daher insofern schon der Gesetzgeber, der den Staatsvertrag von 1955 durch generelle Transformation in die österreichische Rechtsordnung integrierte, die Absicht verfolgt haben, damit für Individualansprüche auf Grund willkürlicher Eingriffe der Besatzungsmächte in das Grundrecht der persönlichen Freiheit eine unmittelbar anwendbare Anspruchsgrundlage zu schaffen, ist doch dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, er habe mit dem Besatzungsschädengesetz wohl nähere Ersatzregelungen für Sachschäden schaffen, für eine willkürliche Entziehung der persönlichen Freiheit durch einen Akt politischer Repression aber überhaupt keinen Ersatz vorsehen wollen. Der Gesetzgeber sah - offenkundig getragen von der zutreffenden Ansicht, dass willkürliche Eingriffe in das Grundrecht der persönlichen Freiheit wesentlich schwerer als bloße Sachschäden wiegen - auch keine Veranlassung, solche Ansprüche aus rein fiskalischen Gründen durch ein besonderes Ausführungsgesetz eng zu begrenzen, wie das für den Ersatz von Sachschäden durch das Besatzungsschädengesetz geschehen ist. Im Übrigen kann ein Geschädigter vom Bund nur eine Entschädigung erlangen, die ihm nach der Rechtsordnung der verantwortlichen Besatzungsmacht bzw deren Rechtsnachfolgerin ohne den im Staatsvertrag von Wien vereinbarten völkerrechtlichen Verzicht zugestanden wäre. Die Obergrenze des Entschädigungsanspruchs wird somit durch eine ausländische Rechtsordnung vorgegeben. Erst wenn sich daraus für den Bund unerschwingliche oder nur schwer erschwingliche Ersatzbeträge ergäben, käme eine Kürzung solcher Ansprüche nach Billigkeitserwägungen in Betracht. Es bedurfte also auch nach solchen Gesichtspunkten keines Ausführungsgesetzes für die erörterten Entschädigungsansprüche, weil - wie bereits ausgeführt - selbst die Ermittlung eines Kürzungsfaktors nach Gesichtspunkten der Billigkeit und den jeweiligen Umständen des Einzelfalls am besten durch die Gerichte besorgt werden kann.

Zusammenfassend ist somit als Ergebnis aller bisherigen Erwägungen festzuhalten: Österreicher können sich als Opfer völkerrechtswidriger Repressionsakte der Besatzungsmächte, die den willkürlichen Entzug ihrer persönlichen Freiheit zur Folge hatten, unmittelbar auf Art 24 Z 2 StV 1955 als Grundlage für Entschädigungsansprüche gegen den Bund, die sie ohne den in Art 24 StV 1955 vereinbarten Verzicht gegen eine Besatzungsmacht gehabt hätten, stützen.

2. Entschädigungsansprüche und Staatennachfolge

2. 1. Nach den Regeln des Völkerrechts findet in die höchstpersönlichen Rechte und Pflichten im Bereich der Staatenverantwortlichkeit keine Rechtsnachfolge statt. Mit dem Untergang eines souveränen Staats erlischt daher auch dessen völkerrechtliche Verantwortlichkeit für das von ihm begangene Unrecht (Seidl-Hohenveldern in Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts³ IV/1 Rz 815; ders, Völkerrecht9 Rz 1409 f). Allerdings erklärte die Russische Föderation, die Rechtspersönlichkeit der Sowjetunion fortsetzen zu wollen, was von der Staatengemeinschaft - so auch von der Republik Österreich - akzeptiert wurde (Seidl-Hohenveldern, Handbuch Rz 827). Es muss hier nicht beurteilt werden, ob es sich bei diesem völkerrechtlichen Tatbestand um einen Fall der Staatennachfolge oder einen solchen der Staatenkontinuität handelt, stützt doch der Antragsteller den erhobenen Entschädigungsanspruch nur auf die Behauptung, er könne der Anspruch, den er gegen die Russische Föderation - offenkundig aufgrund des Gesetzes vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression - gehabt hätte, wegen des in Art 24 StV 1955 auch mit der Sowjetunion vereinbarten völkerrechtlichen Verzichts nicht durchsetzen. Weder der Antragsteller noch die Antragsgegnerin behauptete, jemand, der wegen Spionage gegen die Sowjetunion von einem Militärtribunal der sowjetischen Besatzungsmacht rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren verurteilt worden war, hätte nach der Rechtspraxis in der Sowjetunion irgendeine realistische Möglichkeit gehabt, seine Rehabilitierung als Opfer politischer Repression und demzufolge auch einen Entschädigungsanspruch wegen willkürlichen Freiheitsentzugs gegen die Sowjetunion durchzusetzen. Dieses Thema bedarf daher im fortgesetzten Verfahren keiner weiteren Erörterung. Da die Republik Österreich akzeptierte, dass die Russische Föderation die Rechtspersönlichkeit der Sowjetunion fortsetzt, akzeptierte sie die Russische Föderation auch als Signatarmacht des Staatsvertrags von Wien. Somit bezieht sich der in Art 24 StV 1955 vereinbarte Verzicht nunmehr auf Ansprüche, die dem Antragsteller gegen die Russische Föderation ohne diesen Verzicht zugestanden wären.

2. 2. Die Antragsgegnerin wendete schon im Verfahren erster Instanz ein, ein allfälliger Entschädigungsanspruch des Antragstellers gegen die Russische Föderation nach deren Gesetz vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression sei durch den Verzicht gemäß Art 24 StV 1955 nicht untergegangen. Sie hält dem Antragsteller im Rekurs entgegen, er habe nicht einmal behauptet, einen solchen Entschädigungsanspruch gegen die Russische Föderation geltend gemacht zu haben. Ein solcher Anspruch sei jetzt präkludiert, weil er nicht innerhalb von drei Jahren ab Zustellung des "Rehabilitierungsbescheides" gegen die Russische Förderation erhoben worden sei.

Diese Argumentation erweist sich nur dann als relevant, wenn die Antragsgegnerin zuvor beweist, dass österreichische Staatsbürger, die durch ein völkerrechtswidriges Verhalten der Sowjetunion als Besatzungsmacht in Österreich geschädigt wurden, von Entschädigungsansprüchen nach dem Gesetz der Russischen Förderation vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression nicht ausgeschlossen seien. Dieser Beweis kann - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nicht einfach durch einen bloßen Verweis auf Art 15 dieses Gesetzes über den ganz allgemein umschriebenen Kreis der Anspruchsberechtigten geführt werden. Es bedürfte vielmehr des Hinweises auf eine ausdrückliche Regelung in diesem oder in einem anderen Gesetz der Russischen Föderation, wonach der im Staatsvertrag von Wien vereinbarte völkerrechtliche Verzicht solche Entschädigungsansprüche nicht berührt. In Ermangelung einer solchen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in der Rechtsordnung der Russischen Föderation könnte die Antragsgegnerin ihre Behauptung auch durch eine entsprechende urkundliche Erklärung der Russischen Föderation erbringen. Ohne einen solchen Nachweis ist im fortgesetzten Verfahren davon auszugehen, dass sich der in Art 24 StV 1955 vereinbarte Verzicht auch auf Entschädigungsansprüche nach dem Gesetz der Russischen Föderation vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression bezieht, sodass der Antragsteller den erhobenen Entschädigungsanspruch gegen die Russische Föderation mit Aussicht auf Erfolg nicht hätte geltend machen können.

3. Anspruchshöhe

Die Antragsgegnerin rechnet dem Antragsteller auf Grundlage der Entschädigungssätze nach dem Gesetz der Russischen Föderation vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression vor, er hätte gegen die Russische Föderation nur einen Anspruch auf Abgeltung seines immateriellen Schadens wegen des erlittenen unrechtmäßigen Freiheitsentzugs von insgesamt weniger als 96 US-$ (in Worten: sechsundneunzig) gehabt. Der Antragsteller vermag dieser Rechnung in der Rekursbeantwortung nur die Behauptung entgegenzusetzen, es sei "von österreichischen ersatzrechtlichen Wertvorstellungen auszugehen", weil "die rechtswidrigen Aktivitäten gegenüber dem Antragsteller bereits in Österreich (Anm: Hervorhebung in der Rekursbeantwortung) begonnen wurden". Damit zeigt der Antragsteller allerdings keinen Gesichtspunkt auf, auf dessen Grundlage er gegen die Republik Österreich einen höheren Entschädigungsanspruch als den erstreiten könnte, der ihm gegen die Russische Föderation nach deren Gesetz vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression ohne den in Art 24 StV 1955 vereinbarten völkerrechtlichen Verzicht zugestanden wäre. Dass die rechtswidrige Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Antragstellers durch die Sowjetunion als Besatzungsmacht in Österreich begann, ist für die Beurteilung des erörterten Entschädigungsanspruchs gegen den Bund unerheblich. Die Schädigung des Antragstellers wurde nicht durch ein rechtswidriges Verhalten österreichischer Staatsorgane verursacht. Der Bund hat vielmehr nur für einen Anspruch einzustehen, auf den er (auch) zu Lasten des Antragstellers gegenüber der Sowjetunion bzw nunmehr der Russischen Föderation verzichtete. Der Antragsteller kann also von der Republik Österreich nicht mehr erhalten, als er von der Russischen Föderation erhalten hätte.

4. Verjährung

4. 1. Nach Auffassung der Antragsgegnerin verjähren Ansprüche auf Enteignungsentschädigung nach dreißig Jahren. Da der Staatsvertrag von Wien am 27. 7. 1955 in Kraft getreten sei, seien Entschädigungsansprüche seit dem 27. 7. 1985 verjährt. Dass dem Antragsteller ein Entschädigungsanspruch gegen die Sowjetunion zugestanden wäre, für den die Republik Österreich aufgrund des in Art 24 StV 1955 vereinbarten völkerrechtlichen Verzichts gegenüber dem Antragsteller einzustehen gehabt hätte, wurde nicht behauptet. Bestand gegen die Sowjetunion kein Entschädigungsanspruch, so konnte auch gegen die Republik Österreich kein Individualanspruch aufgrund des in Art 24 StV 1955 vereinbarten völkerrechtlichen Verzichts entstehen. Die Verjährung eines auf Art 24 Z 2 StV 1955 gestützten Entschädigungsanspruchs kann daher nicht vor jenem Zeitpunkt in Gang gesetzt worden sein, in dem sich der Verzicht in der Rechtssphäre des Antragstellers auszuwirken begann, also wie es das Rekursgericht bildhaft in Anlehnung an das Hypothekarrecht plastisch formulierte, in dem der Verzicht "forderungsbekleidet" wurde. Dieser Zeitpunkt ist jener, in dem dem Antragsteller die Entscheidung der Russischen Föderation über seine Rehabilitierung zugestellt wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt hätte der Antragsteller einen Anspruch gegen die Russische Föderation auf deren Gesetz vom 18. 10. 1991 über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression mit Aussicht auf Erfolg stützen können, wenn auf solche Ansprüche nach Art 24 StV 1955 nicht verzichtet worden wäre. Unterläge der erhobene Anspruch als Enteignungsentschädigung einer Verjährungsfrist von dreißig Jahren, wie die Antragsgegnerin ausführte, so wäre der geltend gemachte Entschädigungsanspruch jedenfalls noch nicht verjährt. Eine solche Verjährungsfrist soll nach Ansicht der Antragsgegnerin allerdings nur dann gelten, wenn die Verjährung bereits mit Inkrafttreten des Staatsvertrags in Gang gesetzt worden wäre. Sei das zu verneinen, so sei der Entschädigungsanspruch verjährt, weil der Antragsteller einen inhaltsgleichen Anspruch gegen die Russische Föderation auch nur bis zum 5. 8. 2000 mit Aussicht auf Erfolg hätte geltend machen können. Der Entschädigungsantrag sei dagegen erst am 20. 10. 2000 bei Gericht eingelangt. Die Antragstellerin unterstellt dabei für den Beginn der Verjährung das Datum der Bestätigung der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation (5. 8. 1997) über die Rehabilitierung des Antragsgegners. Nicht dieser Zeitpunkt, sondern nur der der Zustellung der erwähnten Bestätigung könnte hingegen von Bedeutung sein. Ob der geltend gemachte Entschädigungsanspruch an sich tatsächlich bereits drei Jahre nach Zustellung dieser Bestätigung verjährt gewesen sein könnte, kann hier allerdings nach den tieferstehenden Erwägungen dahingestellt bleiben.

4. 2. Die Republik Österreich hat mit dem Bundesgesetz über die Einrichtung eines Allgemeinen Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus und über Restitutionsmaßnahmen (Entschädigungsfondsgesetz) BGBl I 2001/12 einen hohen Standard in Entschädigungsfragen wegen aus politischen Gründen erlittenen Unrechts in Anspruch genommen. Dieses Gesetz dient gemäß § 1 Abs 1 der umfassenden Lösung offener Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus für Verluste und Schäden, die als Folge von oder im Zusammenhang mit Ereignissen auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind. Nach dessen § 1 Abs 2 hat der Fonds das Ziel, die moralische Verantwortung für Verluste und Schäden, die als Folge von oder im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Regime den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern sowie den anderen Opfern des Nationalsozialismus zugefügt wurden, durch freiwillige Leistungen anzuerkennen. Auf solche Leistungen besteht somit gemäß § 7 dieses Gesetzes kein Rechtsanspruch.

Der Bund hat mit diesem Gesetz positiviert, was unter den guten Sitten bei der Lösung von Entschädigungsfragen zu verstehen ist. Insofern reicht dessen rechtliche Signalwirkung über den unmittelbaren Regelungsgegenstand hinaus. Sie bringt zum Ausdruck, dass es jedenfalls unangemessen wäre, Entschädigungsansprüchen von Opfern politischer Verfolgung den auf eine verspätete Antragstellung von allenfalls wenigen Wochen gestützten Einwand der Verjährung mit Aussicht auf Erfolg entgegensetzen zu können. Angesichts dessen widerstreitet es aber den guten Entschädigungssitten, dem Antragsteller als österreichischem Staatsbürger in einer Rechtssache, die nicht nur eine - dem Anlass für das Entschädigungsfondsgesetz vergleichbare - moralische Verpflichtung, sondern auch eine Rechtspflicht zur Entschädigung nach Art 24 Z 2 StV 1955 wegen eines von ihm erduldeten Akts politischer Repression durch eine ehemalige Besatzungsmacht zum Gegenstand hat, dessentwegen er Jahre in einem sowjetischen Straflager - nach unbestrittenen Behauptungen unter "unmenschlichen Bedingungen" - durchstehen musste, entgegenzuhalten, dieser Anspruch, der nach den Behauptungen der Antragsgegnerin überdies weniger als 96 US-$ betragen soll, sei verjährt, weil der verfahrenseinleitende Antrag möglicherweise erst etwa zwei Monate nach Ablauf einer dreijährigen Verjährungsfrist bei Gericht einlangte. Das Verjährungsargument der Antragsgegnerin ist daher in diesem Anlassfall nicht geeignet, zur Begründung einer Antragsabweisung im fortgesetzten Verfahren herangezogen zu werden.

5. Kosten

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 44 EisbEG. Die Antragsgegnerin hat danach keinen Anspruch auf Ersatz ihrer Rekurskosten. Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung hängt dagegen vom Verfahrensausgang in der Hauptsache ab.

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