Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die beklagte deutsche Aktiengesellschaft lieferte an eine österr. Brauerei eine Gebindeabschiebeanlage, die in Österreich in Probebetrieb genommen wurde. Während dieses Probebetriebs, der bereits einen Produktionsbetrieb umfasste, ereignete sich ein Unfall, bei welchem dem an dieser Anlage arbeitenden Kläger, der über ein Personalleasingunternehmen vermittelt worden war, der rechte Unterarm abgetrennt wurde. Für die Einschulung und Ausbildung der an dieser Anlage tätigen Arbeiter war die Brauerei verantwortlich. Der Unfall ereignete sich derart, dass sich der Kläger, als ihm auf dem Display eine Störung der Palettenabfuhr angezeigt wurde, an die Hinterseite des Schachtes begab, ohne die Maschine auszuschalten oder auf Handbetrieb umzuschalten. Er stieg in die Maschine ein und versuchte, die verkeilte Palette gerade zu richten, indem er zwischen die Zentrierwände griff, um an ihr zu ziehen. Dadurch setzte sich die Maschine, die sich in Betriebsbereitschaft befand, in Bewegung und hob die Palette hoch, wodurch dem Kläger der rechte Unterarm abgetrennt wurde. Ein Warnhinweis, wonach vor Eintritt in die Maschine der Not-Aus-Schalter zu betätigen sei, war nicht angebracht. Die Anlage war noch nicht gewerbebehördlich genehmigt. Nach dem Unfall wurde die Anbringung von Sicherheitseinrichtungen, die bei Zutritt oder Zugriff in den Gefahrenbereich ein Abschalten der gesamten Maschine bewirken, gewerbebehördlich vorgeschrieben. Der Unfall hätte vor allem durch entsprechend detaillierte Schulung des Bedienungspersonals unter Darlegung aller sicherheitsrelevanten Faktoren vermieden werden können. Zum Unfallszeitpunkt entsprach die Maschine aus sicherheitstechnischer Sicht nicht dem Stand der Technik.
Der Kläger begehrte - gestützt auf das PHG - ua. 1,214.849 S (= 88.286,52 EUR) sA als Ersatz für durch diesen Unfall erlittene Schäden.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil - ohne seine Entscheidung ausdrücklich als solche zu bezeichnen - aus, dass die (Teil-)Klageforderung von 1,214.849 S (= 88.286,52 EUR) dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Die Erstrichterin bejahte die Anwendbarkeit des PHG. Bei der Gebindeabschiebeanlage handle es sich als bewegliche körperliche Sache, die mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden sei, um ein Produkt iSd § 4 PHG. Die beklagte Partei sei der Hersteller dieser Maschine; sie habe sie dadurch in Verkehr gebracht, dass mit ihrem Willen ein Probebetrieb, bei dem sogar produziert worden sei, durchgeführt worden sei; die Haftung der beklagten Partei gemäß § 1 Abs 1 Z 1, § 6 PHG sei daher gegeben, weil die beklagte Partei als Unternehmer die von ihr hergestellte Anlage in Verkehr gebracht habe.
Gemäß § 5 Abs 1 Z 1 PHG sei ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit biete, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt sei, besonders angesichts der Darbietung und des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden könne. Diese Fehlerhaftigkeit sei hier gegeben, weil sich die Sicherheitshinweise auf allgemeine Hinweise beschränkt hätten, die sich nicht in der Nähe der Maschine und nicht im Verfügungsbereich der an der Maschine tätigen Arbeiter befunden hätten; sie seien auch nicht ausreichend gewesen, weil gemäß § 71 MaschinensicherheitsVO eine Arbeitsanleitung technisch mögliche Schutzmaßnahmen an der Maschine nicht ersetzen dürfe. Aus sicherheitstechnischer Sicht habe die Maschine nicht dem Stand der Technik entsprochen, weil nicht einmal die grundlegenden sicherheitstechnischen Bestimmungen eingehalten worden seien. Es seien keinerlei Sicherheitseinrichtungen für das Bedienungspersonal vorhanden gewesen. Neben Konstruktionsfehlern lägen auch Instruktionsfehler vor. Zwischen diesen Fehlern und dem Eintritt des Schadens bestehe ein adäquater Zusammenhang; es liege nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger in die Maschine steige, um die feststeckende Palette zu richten, und dabei verletzt werde.
Dem Kläger sei kein Mitverschulden iSd § 11 PHG, der auf eine sinngemäße Anwendung des § 1304 ABGB verweise, anzulasten. Bei seiner Vorgangsweise sei nur das seitliche Hineingreifen in den Quetschbereich unüblich gewesen. Dies sei die einzige feststellbare Abweichung in seinem Verhalten zu dem, was allgemein von den Mitarbeitern der beklagten Partei gezeigt worden sei, gewesen. Dabei habe der Kläger wegen des Aufleuchtens der Lampe auch auf einen spannungsfreien Zustand vertrauen können. Von einem ins Gewicht fallenden Sorgfaltsverstoß des Klägers gegenüber eigenen Gütern könne nicht die Rede sein, weil die Sicherheit- und Instruktionsmängel bei weitem überwiegen.
Weiters führte das Erstgericht aus, es bestehe für die beklagte Partei keine Möglichkeit des Regresses gemäß § 12 PHG gegenüber der Brauerei; dieser komme das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zu gute. Die beklagte Partei könne sich daher nicht auf ein Mitverschulden der Brauerei berufen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil es von der Rsp des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen sei und den hier zu lösenden Rechtsfragen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Die zweite Instanz billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, es sei gemäß § 48 Abs 1 zweiter Satz IPRG österreichisches Recht anzuwenden. Maßgeblich sei nämlich das Recht des Staates, in dem das im Ausland produzierte Produkt vermarktet wurde und der Schaden eingetreten ist.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist nicht zulässig, weil die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO abhängt.
Die beklagte Partei führt als erhebliche Rechtsfrage an, ob die Aufnahme des Probebetriebs einer Getränkeabfüllanlage in der Betriebshalle einer Brauerei ein In-Verkehr-Bringen iSd § 6 PHG darstellt. Die Legaldefinition des § 6 PHG ("einem anderen in dessen Verfügungsmacht oder zu dessen Gebrauch übergeben") deckt den Probebetrieb, bei dem faktisch wie bei einem normalen Betrieb gearbeitet wurde, zweifelsfrei; das Berufungsgericht hat auf S 19 f des Berufungsurteils hiezu zutreffende Rechtsausführungen erstattet (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die weiteren Fragen, ob überhaupt ein Produktfehler vorliege, wobei diese Beurteilung im Zusammenhang mit den Sicherheitserwartungen des Personals und dem Grad der Schulung dieses Personals stünde, und inwieweit den Geschädigten (= Kläger) ein Mitverschulden iSd § 11 PHG treffe, stellen ebenfalls keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung dar. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 4 Ob 87/97s = SZ 70/61 grundlegend zu den nach § 5 PHG maßgebenden Sicherheitserwartungen Stellung genommen; danach hat der Hersteller für unvorhergesehene oder geradezu absurde Gebrauchsarten nicht einzustehen. Die Fehlbeurteilung im Einzelfall, ob diese Sicherheitserwartungen erfüllt sind, stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar; eine auffallende Fehlbeurteilung im Einzelfall wird von der beklagten Partei nicht aufgezeigt.
Das Schwergewicht der außerordentlichen Revision liegt darauf, ob ein Verschulden der Brauerei, deren Leiharbeiter der Kläger war, auf seine Ansprüche gegen die beklagte Partei aus dem PHG mindernd anzurechnen ist. Nach Ansicht der beklagten Partei würde das Dienstgeberhaftungsprivileg (§ 333 Abs 1 ASVG) - das die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang zur Begründung herangezogen haben - dazu führen, dass dem Kläger die Geltendmachung seines gesamten Schadens gegen die beklagte Partei möglich sei, der aber ein Regress gegen die Brauerei verwehrt wäre.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hängt jedoch nicht von der Lösung dieser von den Vorinstanzen relevierten Rechtsfragen ab. Die beklagte Partei kann nämlich ein Mitverschulden der Brauerei gemäß § 1302 erster Satz ABGB dem Kläger gegenüber nicht einwenden. Haben nämlich die Schädiger (beklagte Partei und Brauerei) - wie hier - fahrlässig gehandelt, so haftet nur dann, wenn die Anteile sich bestimmen lassen, jeder nur für den von ihm verursachten Schaden. Bei Unbestimmbarkeit der Anteile haftet wieder jeder Täter für das Ganze (Koziol/Welser12 II 306 mwN). Da hier die Anteile iSd § 1302 erster Satz ABGB nicht bestimmbar sind, haftet die beklagte Partei dem Kläger gegenüber schon nach dieser Bestimmung für den ganzen Schaden. Zu den weiteren Ausführungen der Vorinstanzen, insbesondere zum Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG ist hier nicht Stellung zu nehmen, weil sie tatsächlich für die Entscheidung, die ein Mitverschulden des fahrlässigen Mittäters nicht berücksichtigt, nicht relevant sind.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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