OGH 7Ob192/02i

OGH7Ob192/02i9.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Helmut K*****, und 2. Elisabeth K*****, beide vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, und der Beteiligten P***** Bank AG, *****, wegen § 98 EheG, über den "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 14. März 2002, GZ 37 R 16/02g-8, womit infolge Rekurses der Beteiligten der Beschluss des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 26. November 2001, GZ C 853/01 m-3, aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst (in Stattgebung des Rekurses der Beteiligten) die Entscheidung des Erstgerichtes dahin abgeändert, dass der Antrag der Antragsteller, es werde gemäß § 98 EheG ausgesprochen, dass hinsichtlich der bei der P***** Bank AG unter der Vertrags-(Konto-)nummer 233621/001 mit S 376.537,35 aushaftenden Verbindlichkeit der Erstantragsteller Helmut K***** Hauptschuldner und die Zweitantragstellerin Elisabeth K***** Ausfallbürgin sei, abgewiesen wird.

Text

Begründung

Am 26. 11. 2001 beantragten die Eheleute Helmut und Elisabeth K***** (im Folgenden: Antragsteller) beim Erstgericht die Scheidung ihrer Ehe gemäß § 55a EheG und legten gleichzeitig eine schriftliche Vereinbarung nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle vor, deren Punkt XII. wie folgt lautet:

"Für beide Parteien haftet bei der P*****-Bank-Versicherung für den angekauften PKW Octavia Kombi ein Kredit (Leasing) zur Vertragsnummer 233621/001 im Betrag von ATS 376.537,35 ursprünglich (Mitteilung vom 20. 12. 2000).

Der vorgenannte PKW Octavia Kombi, Kennzeichen L***** (Zulassungsbesitzer: Helmut K*****) verbleibt diesem künftighin zur alleinigen Benützung.

Helmut K***** tilgt seinerseits den vorgenannten Leasingvertrag bei der P*****-Bank-Versicherung alleine unter Schad- und Klagsloshaltung der Elisabeth K***** und beantragen diesbezüglich die Parteien übereinstimmend die Beschlussfassung gemäß § 98 Abs 1 EheG."

Mit Beschluss vom 26. 11. 2001 wurde die Ehe (rechtskräftig) gemäß § 55a EheG geschieden und mit weiterem Beschluss vom selben Tag gemäß § 98 Abs 1 EheG vom Erstgericht zu Punkt 2. (die übrigen Punkte sind unangefochten und können daher übergangen werden) antragsgemäß ausgesprochen, dass der Ehemann (Erstantragsteller) hinsichtlich der Verbindlichkeit "Gläubiger: P***** Bank AG; Konto Nr 233621/001; offener Betrag: S 376.537,95" Hauptschuldner, die Ehefrau (Zweitantragstellerin) Ausfallsbürgin wird.

Dem hiegegen erhobenen Rekurs dieser Gläubigerin, in welchem diese auch eine Kopie des Leasingvertrages mit den beiden Antragstellern samt Vertragsbedingungen vorlegte, gab das Rekursgericht Folge, hob die bekämpfte Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; weiters wurde ausgesprochen, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Rekursgericht bejahte zunächst die Rekurslegitimation (vgl hiezu etwa 5 Ob 571/87 und 8 Ob 300/01b; RIS-Justiz RS0008592; Gamerith,

Die Kreditmithaftung geschiedener Ehegatten nach § 98 EheG, RdW 1987, 183 [191]), und führte in rechtlicher Hinsicht - zusammengefasst - aus, dass die (auch nicht gegen das Neuerungsverbot verstoßende Vorlage der zitierten) Leasingurkunden im Rechtsmittel in Fortführung "der grundsätzlichen Gedanken der Entscheidung 1 Ob 2141/96a" zur Auffassung führten, "dass trotz (theoretischer) Kündigungsmöglichkeit und unbestimmter Vertragsdauer durch die Leasingnehmer die gegenständliche Vertragsgestaltung nach der bisherigen Aktenlage als dem § 98 EheG (dessen Schutzzweck entsprechend) zu unterstellender Finanzierungsleasingvertrag zu qualifizieren ist", wobei freilich nach den bisherigen (und noch zu ergänzenden) Verfahrensergebnissen auch eine "Qualifikation als reiner Mietvertrag durchaus möglich" sei, in welchem Fall § 98 leg cit jedoch nicht zur Anwendung komme. Da das Rekursgericht, auch wenn es "in seiner Entscheidung der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit der Leasingnehmer und der Vertragsdauer keine letztlich ausschlaggebende Bedeutung zumisst, insoweit von der bisherigen Rechtsprechung abweicht", erscheine es sinnvoll, diese "zweifellos erhebliche iSd § 14 Abs 1 AußStrG Rechtsfrage vor der mit beträchtlichem Verfahrensaufwand verbundenen Ergänzung des Verfahrens [durch das Erstgericht] an den Obersten Gerichtshof heranzutragen".

Gegen diese Entscheidung richtet sich der (erkennbar auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen gestützte) "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs - § 14b Abs 1 AußStrG) der Eheleute und Antragsteller mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels den Beschluss des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die beteiligte Gläubigerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet (§ 231 Abs 2 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht (tatsächlich) von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, und - da für die unter Hinweis auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ermöglichte Überprüfung der Rechtsansicht des Rekursgerichtes in jeder Richtung das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (RIS-Justiz RS0043853; 7 Ob 152/00d) - im Sinne einer Abweisung des Antragsbegehrens der Antragsteller (und Rechtsmittelwerber) auch berechtigt. Dies aus folgenden Erwägungen:

Das Rekursgericht hat zwar weitwendig die einzelnen Vertragspunkte der Allgemeinen Leasingbedingungen und des Vertragstextes analysiert und in Beziehung zu diversen, unterschiedliche Formen von Leasingverträgen behandelnden Judikaten des Höchstgerichtes gesetzt, hiebei jedoch übersehen, dass der Oberste Gerichtshof - speziell der erkennende Senat - einen nahezu parallelen Fall (sogar unter Beteiligung auch derselben Bank AG als Leasingvertragspartnerin wie im vorliegenden Fall) bereits zu entscheiden hatte, auf den sich diese im Übrigen schon in ihrem Rechtsmittel an die zweite Instanz auch ausdrücklich berufen hatte. In der Entscheidung 7 Ob 526/92, welche in der Folge auch mehrfach veröffentlicht worden war (NZ 1992, 127 = ÖBA 1992, 942/351 = RdW 1993, 179 = EFSlg 69.382, 69.383) hatten ebenfalls zwei Eheleute im Rahmen eines Scheidungsverfahrens nach § 55a EheG gemäß § 98 Abs 1 EheG den Antrag gestellt, dass der im Innenverhältnis zahlungspflichtige Mann Hauptschuldner und die im Innenverhältnis entlastete Frau Ausfallsbürgin werde, worauf das Erstgericht (so wie hier) mit Wirkung für diesen Gläubiger antragsgemäß entschied. Über Rekurs der P***** Bank AG wies bereits das Rekursgericht den damaligen Antrag der Eheleute ab. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung. Er kam - zusammengefasst - zum Schluss, dass der dort zwischen den Streitteilen auf unbestimmte Dauer abgeschlossene Vertrag, der seitens der Antragsteller jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat gekündigt werden konnte, und der auch keine Bestimmungen über eine Kaufanwartschaft der Leasingnehmer enthielt, bei dem das Entgelt monatlich im Voraus zu bezahlen und die Kalkulationsbasisdauer mit 60 Monaten angenommen worden war, keine Kreditverbindlichkeit iSd § 98 Abs 1 EheG sei, "überwiegen doch eindeutig die Elemente eines Mietvertrages, und zwar ganz besonders im Hinblick auf die jederzeitige Kündbarkeit durch die Antragsteller und die unbestimmte Vertragsdauer", sodass "das von den Antragstellern zu leistende Entgelt für das ihnen zur Nutzung überlassene Fahrzeug dementsprechend eher den Charakter eines Bestandzinses als jenen eines ratenweise abzustattenden Kaufpreises hat".

Genau so ein Vertrag liegt auch hier zur Beurteilung vor. Das Rekursgericht hat hiezu bereits (insoweit zutreffend und ausführlich) herausgearbeitet, dass auch im vorliegenden Fall ein (Leasing-)Vertrag mit unbestimmter Dauer, schriftlicher (jederzeitiger) Kündigungsmöglichkeit der Leasingnehmer sowie einer (noch kürzeren als in der Vorentscheidung) Kalkulationsbasisdauer von bloß 48 Monaten - was hier auch gerade für eine bloß kurzfristig ins Auge gefasste Nutzung spricht - ohne Kaufoption für die Leasingnehmer vorliegt. Die weiteren, sich in Nuancen darstellenden Abweichungen in der individuellen Ausgestaltung des Vertrages des konkret zur Beurteilung anstehenden (Einzel-)Falles gestatten es nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes nicht, diesen nun als dennoch § 98 EheG zu unterstellende Kreditverbindlichkeit zu qualifizieren. Dies könnte nach der Rechtsprechung nur dann der Fall sein, wenn es sich um eine (Voraus-)Finanzierung des PKWs in der Rechtsform eines Finanzierungsleasings (RIS-Justiz RS0019481), bei welchem dem Leasinggeber wirtschaftlich (eindeutig) die Funktion eines Kreditgebers zukommt (Koziol/Welser II12 232 f), und bei dem nicht die bloße vorübergehende Beschaffung der Gebrauchsmöglichkeit dieses Wirtschaftsguts (im Sinne einer Miete), sondern eben der dauernde Einsatz des geleasten Gegenstands im Vordergrund steht, wobei aber aus Finanzierungsgründen eben die Rechtsform des Leasingvertrages gewählt wurde (RIS-Justiz RS0020750), der Fall sein. Nur auf solche Verträge ist jedoch der durch das Bundesgesetz BGBl 1985/481 eingeführte § 98 EheG anzuwenden (SZ 69/171; Hopf/Kathrein, Eherecht Anm 5 zu § 98 EheG; Koziol/Welser I12 465 f), weil der Begriff "Kreditverbindlichkeiten" in dieser Gesetzesstelle nach herrschender Auffassung in einem weiten Sinne zu verstehen ist (Hopf/Kathrein, aaO; Gamerith aaO 185; Fink, Zur Ehegattenbürgschaft, AnwBl 1986, 629 [630 f]; Bericht des Justizausschusses 729 BlgNR 16. GP 3). Dass ein solches (typisches) Finanzierungsleasing vereinbart war, ergibt sich jedoch aus der vorgelegten und unstrittigen Vertragsurkunde gerade nicht.

Um zu diesem - die Entscheidung 7 Ob 526/92 fortschreibenden - Ergebnis zu gelangen, bedarf es auch keiner weitergehenden sachverhaltsmäßigen Aufklärungen. Vielmehr ist die Rechtssache bereits im Sinne einer Abweisung des auf Entscheidungsherbeiführung nach § 98 Abs 1 EheG gerichteten Antrages der Antragsteller entscheidungsreif, weshalb wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden war.

Ein Kostenzuspruch an die (nach dem vorliegenden Verfahrensergebnis obsiegende) Beteiligte für deren Rekurs ON 4 iSd § 234 AußStrG ist nicht möglich, weil der hierin pauschal mit S 320,-- verzeichnete "Spesenersatz" weder näher präzisiert, geschweige denn bescheinigt ist (§ 54 Abs 1 ZPO).

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