OGH 8ObA321/01s

OGH8ObA321/01s29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Ulrike Kargl und HR Dipl. Ing. Roland Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Klaus K*****, vertreten durch Burgstaller & Preyer, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei E***** AG *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky, Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen EUR 41.789,34 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2001, GZ 12 Ra 271/01m-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 6. April 2001, GZ 11 Cga 12/01a-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 1. 3. 1980 bis 31. 8. 2000 als technischer Angestellter bei der Beklagten beschäftigt. Er wurde im Jahre 1994 zusätzlich zu seiner sonstigen Tätigkeit zum verantwortlichen Beauftragten für die Talsperren bestellt. Aufgrund des mit der WRG-Novelle 1997 eingeführten § 23a WRG, der die Bestellung eines in angemessener Frist leicht erreichbaren Talsperrenverantwortlichen vorsieht gab die Beklagte mit Schreiben vom 5. 8. 1997 der Wasserrechtsbehörde, dem Amt der Landesregierung sowie der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde die Bestellung des Klägers und zweier Stellvertreter für diese Funktion sowie deren gesetzlich geforderte Ruferreichbarkeit bekannt. Seit Mitte 1997 nahmen diese drei Personen diesen Dienst dergestalt wahr, dass sich jeder von ihnen im Monat etwa ein Drittel seiner Freizeit in Rufbereitschaft befand. Ende August 2000 trat der Kläger in Ruhestand. Auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten war der Kollektivvertrag für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmen Österreichs mit Stand 1. 11. 1998 anzuwenden. Dessen hier wesentliche Bestimmungen lauten:

"§ 25 Abs 2 Ruferreichbarkeit:

Ruferreichbarkeit liegt vor, wenn ein Angestellter außerhalb seiner normalen für den betreffenden Tag vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit auf Anordnung des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten in seiner Wohnung jederzeit zur allfälligen Arbeitsleistung erreichbar sein muss. Für jede Ruferreichbarkeit gebühren, sofern die Erreichbarkeit an Wochen-, Sonn- oder Feiertagen in die Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr fällt, 45 %, sofern sie an Wochen-, Sonn- oder Feiertagen in die Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr fällt 15 % der Vergütung nach Abs 5. Wird der Angestellte während der Ruferreichbarkeit zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung herangezogen so gilt diese als Überstundenleistung.

§ 25 Abs 3 Allgemeine Erreichbarkeit:

Allgemeine Erreichbarkeit liegt vor, wenn ein Angestellter außerhalb seiner normalen für den betreffenden Tag vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit auf Anordnung des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten innerhalb einer Entfernung von vier Wegkilometern - von seiner Wohnung aus gerechnet - für allfällige Dienstleistungen erreichbar ist. Er ist verpflichtet seinen jeweiligen Aufenthaltsort in der vom Arbeitgeber oder dessen Bevollmächtigten vorgeschriebenen Weise bekannt zu geben. Wenn er aber mit einer drahtlosen Rufeinrichtung ausgestattet ist, entfällt die Verpflichtung, den jeweiligen Aufenthaltsort bekannt zu geben und kann er sich bis zu sechs Wegkilometern von seiner Wohnung entfernen. Er hat sich jedoch über Anruf des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten unmittelbar zu melden. Wenn es sich arbeitsorganisatorisch als zweckmäßig erweist, anstelle der sechs Wegkilometer eine Zeitspanne zu setzen, so ist hierüber eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. Für jede allgemeine Erreichbarkeitsstunde gebühren, sofern die Erreichbarkeit an Wochen-, Sonn- oder Feiertagen in die Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr fällt 30 %, sofern sie am Wochen-, Sonn- oder Feiertagen in die Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr fällt, 10 % der Vergütung nach Abs 5. Wird der Angestellte während der allgemeinen Erreichbarkeit zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung herangezogen, so gilt diese als Überstundenleistung.

§ 25a Sonderregelung für die Verwendung drahtloser Rufeinrichtungen:

Wenn Angestellte außerhalb ihrer Normalarbeitszeit oder der Erreichbarkeit gemäß § 25 auf Anordnung des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten zwecks Ermöglichung der Kontaktaufnahme mit drahtlosen Rufeinrichtungen ausgestattet werden, ist hierüber eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. In dieser Betriebsvereinbarung sind die Verpflichtungen des Angestellten, die ihm hiefür gebührende Vergütung sowie die Zeiten, in welchen diese Rufeinrichtungen nicht getragen werden müssen, zu regeln. Die Vergütung hat sich nach dem Ausmaß und dem Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme zu richten. Weiters ist festzulegen, wieweit diese Vergütung aufgrund der Einstufung in Verwendungsgruppe V oder VI für die Funktion, in der die drahtlose Rufeinrichtung zu verwenden ist, abgegolten ist. Bereits bestehende, zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung vereinbarte Regelungen über Vergütungen bleiben aufrecht. § 25 Abs 4 lit b gilt sinngemäß."

Im Unternehmen der Beklagten gibt es keine Betriebsvereinbarung über die Abgeltung von Ruferreichbarkeit mit drahtlosen Rufeinrichtungen im Sinn des § 25a des Kollektivvertrags. Dem Kläger wurde ein sogenanntes "Talsperren-Handy" zur Verfügung gestellt, damit er im Sinn der gesetzlichen Vorgaben des § 23a WRG in angemessener Frist erreicht werden konnte. Die Beklagte hat dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Talsperrenverantwortlicher keine Anweisung gegeben, in seiner Wohnung erreichbar zu sein, oder sich nicht weiter als bis zu sechs Kilometer von dieser zu entfernen. Das dem Kläger seit Beginn 1998 bezahlte Monatsgehalt stellte gegenüber dem kollektivvertraglichen Gehalt eine Überzahlung von ATS 7.000 bis ATS 8.000 brutto pro Monat dar. Der Kläger forderte von der Beklagten mehrmals außergerichtlich, zuletzt mit Schreiben vom 10. 1. 2001 die Vergütung der Rufbereitschaft nach § 25 Abs 2 des Kollektivvertrags.

Mit seiner am 30. 1. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger zuletzt die Beklagte zur Zahlung von ATS 575.033,88 sA schuldig zu erkennen. Zum Tätigkeitsbereich des Klägers habe nicht nur die Betreuung der Talsperren gezählt, sondern sei er auch seit dem Jahr 1994 verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 VStG gewesen. Ab 1997 sei ihm auch die Tätigkeit als Talsperrenverantwortlicher gemäß § 23a WRG übertragen worden. Da durch § 25 Abs 4 lit a des Kollektivvertrags die Ruferreichbarkeit mit monatlich 127 Stunden begrenzt werde, lege der Kläger trotz der tatsächlich geleisteten höheren Stundenanzahl diesen Wert seinen Berechnungen zugrunde. Die Ruferreichbarkeit sei gemäß § 25 Abs 2 des Kollektivvertrags mit den dort genannten Prozentsätzen zu vergüten. Selbst wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des § 25 Abs 2 des Kollektivvertrags (Ruferreichbarkeit) nicht vorliegen sollten, sei § 25 Abs 3 des Kollektivvertrags (Allgemeine Erreichbarkeit) als anspruchsbegründende Norm heranzuziehen. Es könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, wenn es die Beklagte unterlassen habe, eine Betriebsvereinbarung im Sinn des § 25a des Kollektivvertrags abzuschließen. Dies könne nicht dazu führen, dass zum Nachteil des Klägers der Kollektivvertrag nicht anwendbar sei. Durch die unbezahlte Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung nach § 9 VStG habe der Kläger der Beklagten einen zusätzlichen nicht den Merkmalen der Vergütungsgruppe V, der der Kläger angehöre, enthaltenen Dienst erwiesen, der sonst gesondert abgegolten werde. Darüber hinaus habe eine Recherche bei allen Talsperrenverantwortlichen in Österreich ergeben, dass sämtliche Betreibergesellschaften ihre Verantwortlichen, die die gleichen Voraussetzungen wie der Kläger erfüllten, neben dem monatlichen Gehalt gesondert entlohnten. Das Klagebegehren werde auch auf die einschlägigen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, besonders auf § 20a AZG und alle erdenklichen Rechtsgrundlagen gestützt.

Die Beklagte wendete ein, der Kläger sei nicht verantwortlicher Beauftragter im Sinn des § 9 VStG gewesen. Die Betreuung der Talsperren im Zusammenhang mit § 23a WRG erfordere keine Ruferreichbarkeit im Sinn des § 25 Abs 2 des Kollektivvertrags. Diese liege nur vor, wenn ein Angestellter außerhalb seiner Arbeitszeit auf Anordnung des Arbeitgebers oder dessen Bevollmächtigten in seiner Wohnung jederzeit für allfällige Arbeitsleistungen erreichbar sein müsse. Da diese Voraussetzungen nicht vorlägen, stehe dem Kläger der geltend gemachte Anspruch schon dem Grunde nach nicht zu. Es bestehe auch keine Vereinbarung zwischen den Parteien, dass eine Rufbereitschaft gesondert abgegolten werden müsse. Die Funktion als Talsperrenverantwortlicher falle in die Tätigkeitsmerkmale der Gruppe V des Kollektivvertrags der der Kläger angehöre. Ein etwaiger Anspruch auf Entlohnung im Zusammenhang mit Ruferreichbarkeit oder allgemeine Erreichbarkeit sei durch die Entlohnung in dieser Verwendungsgruppe sowie das überkollektivvertragliche Gehalt des Klägers abgegolten. Eine gesetzliche oder faktische Verpflichtung Betriebsvereinbarungen abzuschließen bestehe nicht. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die es rechtlich dahin beurteilte, dass ein Vergütungsanspruch des Klägers aufgrund § 25 Abs 2 und 3 des Kollektivvertrags nicht bestehe, weil weder eine Anordnung des Dienstgebers bestanden habe, in der Wohnung erreichbar zu sein, noch eine solche, sich nicht weiter als vier bzw sechs Wegkilometer von dieser zu entfernen. Eine Betriebsvereinbarung gemäß § 25a des Kollektivvertrags sei nicht abgeschlossen worden, sodass insoweit keine Anspruchsgrundlage bestehe. Eine einzelvertragliche Vereinbarung werde vom Kläger nicht behauptet. Nach der Rechtsprechung sei im Fall einer Rufbereitschaft davon auszugehen, dass mangels einer Vereinbarung gemäß § 6 AngG bzw § 1152 ABGB ein ortsübliches bzw angemessenes Entgelt für die Rufbereitschaft gebühre, diese in der Regel aber geringer zu entlohnen sei, als die Leistung selbst. Im hier zu beurteilenden Fall sei aber davon auszugehen, dass allfällige Bereitschaftsdienste des Klägers als Talsperrenverantwortlicher aufgrund seiner überkollektivvertraglichen Bezahlung schon durch das Grundgehalt angemessen abgegolten seien. Der Kläger habe durch die Übernahme der Rufbereitschaft einer Ausweitung seiner Aufgaben ohne zusätzliche Bezahlung zugestimmt. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Aufgrund des außer Streit gestellten Sachverhalts habe keine Anordnung der Beklagten bestanden, die den Kläger in der Wahl seines Aufenthaltsortes im Sinne des § 25 Abs 2 und 3 des Kollektivvertrags eingeschränkt hätte. Aus § 23a Abs 1 WRG lasse sich nicht das Erfordernis einer diesen Kollektivvertragbestimmungen entsprechenden Rufbereitschaft im engeren Sinn ableiten, sondern bloß eine Ruferreichbarkeit im weiteren Sinn, für die jedoch im Unternehmen der Beklagten eine Regelung durch Betriebsvereinbarung gefehlt habe. Dem Erstgericht sei darin beizupflichten, dass eine normative Grundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht bestehe. Da auch eine einzelvertragliche Vergütungsvereinbarung unstrittig fehle, komme als Anspruchsgrundlage nur mehr ein angemessenes Entgelt im Sinn des § 1152 ABGB in Betracht. Allein aufgrund des überkollektivvertraglichen Gehalts des Klägers könne nicht von vornherein angenommen werden, dass damit auch zusätzliche Arbeitsleistungen außerhalb der vereinbarten Normalarbeitszeit abgegolten seien. Eine diesbezügliche schlüssige Vereinbarung habe die Beklagte im Verfahren nicht behauptet. Allerdings habe der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren auch nichts Gegenteiliges vorgebracht. Die Leerformel, den Klagsanspruch "auf jeden erdenklichen Rechtsgrund" zu stützen, entbinde ihn aber nicht davon, die rechtserzeugenden Tatsachen zu behaupten"; dazu komme noch, dass ein Angestellter, der im Rahmen der Ruferreichbarkeit zu einer tatsächlichen Arbeitsleistung herangezogen werde, ohnedies Anspruch auf Überstundenvergütung habe. In diesem Licht sei dem Erstgericht im Ergebnis darin zuzustimmen, dass mit der monatlichen Überzahlung von ATS 7.000 bis ATS 8.000 über dem kollektivvertraglichen Gehalt der Verwendungsgruppe V, die den Erfordernissen des § 23a Abs 1 WRG entsprechende Erreichbarkeit des Klägers auf dem ihn zur Verfügung gestellten Mobiltelefon ausreichend und angemessen entlohnt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig, es kommt ihr auch Berechtigung zu.

Von Rufbereitschaft im engeren Sinn spricht man, wenn der Arbeitnehmer zwar seinen Aufenthaltsort und damit sein Verhalten relativ frei wählen kann, aber für den Arbeitgeber stets schnell erreichbar und zum Arbeitsantritt bereit sein muss (Rebhahn, Zur Überwälzung des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer bei Arbeit auf Abruf, in FS Schnorr [1988], 231 mwH). Auch Warten auf einen Anruf ist vertragsrechtlich eine Nebenleistung für den Arbeitgeber, auch für diese "andere" Arbeit gebührt grundsätzlich Entgelt (Andexlinger, Glosse zu 9 ObA 53/92, ZAS 1993/6). In der Entscheidung 9 ObA 53/92 = ArbSlg 11.018 hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass es sich beim Bereitschaftsdienst in Form der Rufbereitschaft, bei der der Dienstnehmer nicht an der Arbeitsstätte selbst oder in deren unmittelbarer Umgebung anwesend zu sein hat, sondern seinen jeweiligen Aufenthaltsort wählen kann und den Dienstgeber davon unterrichten muss, wo er erreichbar ist, nicht um eine Arbeitsleistung handelt, sondern um eine andere Leistung, die der Dienstnehmer nicht schon aufgrund der ihn treffenden allgemeinen Treuepflicht zu erbringen hat, sondern die ausdrücklich vereinbart werden muss. Auch wenn es sich bei der Rufbereitschaft nicht um Arbeitszeit handle, könne daraus nicht generell abgeleitet werden, dass diese Bereitschaft nicht zu entlohnen sei. Die Zahlung könne dem Dienstnehmer nicht mit der Begründung versagt werden, dass er keine Arbeit leiste, weil auch diese Zeit nicht völlig zu seiner freien Verfügung stehe. Der Dienstgeber, der die Rufbereitschaft verlange, mache wenigstens zum Teil von der Arbeitskraft des Dienstnehmers Gebrauch. Auf der Grundlage des Arbeitsvertragsrechts handle es sich jedenfalls um Arbeitsleistungen, die zu entlohnen seien. Mangels Vereinbarung gebühre gemäß § 6 AngG (§ 1152 ABGB) ein ortsübliches bzw angemessenes Entgelt. In der Regel sei die Rufbereitschaft allerdings geringer zu entlohnen, als die Leistung selbst. Allein daraus, dass der Kläger das Rufgerät übernommen habe, ohne dass ihm eine Entgeltleistung zugesagt worden sei, könne eine Vereinbarung der unentgeltlichen Leistung der Rufbereitschaft nicht abgeleitet werden (idS auch ArbSlg 8.856). Zu § 25 des Kollektivvertrags für Angestellte der Elektrizitätsversorgungsunternehmen Österreichs hat der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 186/88 unter anderem ausgeführt, Voraussetzung für alle Fälle dieser Bestimmung sei, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber außerhalb der normalen Arbeitszeit in der beschriebenen Weise zur Verfügung stehe. Es handle sich dabei um eine besondere Leistung über die normale Arbeitszeit hinaus, für die nur deshalb ein gegenüber der Überstundenleistung geringeres Entgelt vorgesehen sei, weil während dieser Zeit keine wirkliche oder kontinuierliche Arbeit zu leisten sei, sondern ein Zustand zwischen Arbeitsruhe und Arbeitsbereitschaft bestehe (§ 25 Abs 1 KV) oder in den Fällen der Rufbereitschaft oder der allgemeinen Erreichbarkeit eine Anwesenheit des Arbeitnehmers an der Arbeitsstätte gar nicht erforderlich sei. Die in § 25 KV geregelten Leistungen seien sohin als Überstunden minderer Art anzusehen und als solche geringer zu entlohnen. Dies treffe sowohl auf Zeiten des Anwesenheitsdienstes, der Rufbereitschaft oder der Erreichbarkeit zu, die nur eine besondere Form der Überstundenleistung seien.

Dem Berufungsgericht ist daher insoweit zuzustimmen, dass in der festgestellten Rufbereitschaft eine zusätzliche Arbeitsleistung des Klägers zu sehen ist, deren Unentgeltlichkeit bzw Abgeltung durch das, wenngleich überkollektivvertragliche, Gehalt mangels entsprechender Vereinbarung nicht angenommen werden kann. Das unter der im Kollektivvertrag genannten "drahtlosen Rufeinrichtung" nicht nur sogenannte "Piepserl" (Pager) zu verstehen sind, sondern auch Mobiltelefone (vgl dazu Andexlinger aaO) ist im Verfahren nicht strittig, sodass es insoweit ausreicht, auf die Entscheidung des deutschen Bundesarbeitsgericht (ARD 5155/9/2000) zu verweisen, wonach der Arbeitnehmer auch während der "Erreichbarkeit per Handy" in der Bestimmung seines Aufenthalts beschränkt ist, weil ihn die Verpflichtung trifft, Aufenthaltsorte zu wählen, an denen er über ein von ihm ständig betriebs- und empfangsbereit zu haltendes Funktelefon erreicht werden kann. Auch diese Form angeordneter Bereitschaft des Arbeitnehmers erfülle nach Sinn und Zweck den Begriff der Rufbereitschaft. Dazu kommt, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten während der Rufbereitschaft darauf einrichten muss, im Falle eines Anrufs seine Pflichten ohne besondere Beeinträchtigung wahrnehmen zu können (vgl Glosse Pfeil zu VwGH 91/19/0248, DRdA 1992/31).

Zur Arbeitsbereitschaft wurde bereits ausgesprochen, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, diese könne durch Kollektivvertrag oder Einzelarbeitsvertrag geringer entlohnt werden als die normale Arbeitsleistung. Nur bei Fehlen einer entsprechenden Entgeltregelung sei ein Recht des Arbeitnehmers auf Normallohn anzunehmen (DRdA 1982/16). Zu Reisezeitvergütungen wurde ausgesprochen, es können, da die Intensität der Inanspruchnahme des Arbeitnehmers auf einer Dienstreise regelmäßig geringer sei, als bei der eigentlichen Arbeitsleistung jedenfalls rechtswirksame kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Vereinbarungen getroffen werden, dass diese besondere Arbeitszeit mit einem geringeren als den sonstigen Entgelt zu vergüten sei. Lägen derartige Vereinbarungen nicht vor, könne nicht ein der jeweiligen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers entsprechendes angemessenes Entgelt (§ 1152 ABGB) festgesetzt werden, sondern gebühre dem Kläger das für seine Dienstleistungen im Dienstvertrag vereinbarte Entgelt (ArbSlg 10.356). Schließlich ist noch auf die Entscheidung WBl 1990, 110 zu verweisen, wonach die Parteien der Betriebsvereinbarung, die sich verbunden haben, diese jeweils an die geänderte Rechtslage anzupassen, diese Anpassung nicht einseitig vornehmen können, sondern dass es bis zu einer einvernehmlichen Änderung bei der in der Betriebsvereinbarung vorgesehenen statischen Verweisung auf die (alte) Rechtslage zu verbleiben hat.

Nach dem insoweit völlig eindeutigen Text des Kollektivvertrags ist im Falle der Ausstattung von Angestellten mit drahtlosen Rufeinrichtungen zwecks Ermöglichung der Kontaktaufnahme zwingend eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, in der unter anderem auch die Frage der Entgeltlichkeit zu regeln ist. Diese Anordnung ist nicht als bloße Ordnungsvorschrift zu verstehen, kann doch nur durch eine derartige Vorgangsweise - wie nicht zuletzt der hier zu entscheidende Fall zeigt - eine den Bedürfnissen vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgewogen Rechnung tragende Regelung gefunden werden. Diese Bestimmung kann vom Arbeitgeber nicht einseitig umgangen werden, sondern hat er vielmehr das Einvernehmen mit der Belegschaftsvertretung herzustellen. Tut er dies nicht, kann dies nicht zum Nachteil des einzelnen Arbeitnehmers dahin ausschlagen, dass man ihm die Entlohnung schon mangels Vorliegens einer Anspruchsgrundlage verwehrt. Vielmehr ist, regelt der Kollektivvertrag die Entlohnung für im Wesentlichen vergleichbare Tätigkeiten auf diese Ansätze zurückzugreifen. Das heißt im hier zu beurteilenden Fall, dass dem Kläger die Entlohnung gemäß § 25 Abs 3 des Kollektivvertrags (allgemeine Erreichbarkeit) unbeschadet des Umstandes zusteht, ob der Dienstgeber den Aufenthalt innerhalb bestimmter Entfernung von der Wohnung angeordnet hat oder nicht. Mangels Vorliegens entsprechender Betriebsvereinbarung kann es weder darauf ankommen, ob der Kläger überkollektivvertraglich entlohnt wurde, noch ob er sich in einer Vewendungsgruppe befindet, aufgrund derer die Parteien der Betriebsvereinbarung festlegen könnten, dass die Funktion, in der die drahtlose Rufeinwendung zu verwenden, ist durch das laufende Gehalt abgegolten sei.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die zur Ausmittlung der Vergütung auf der dargestellten Anspruchsgrundlage erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

Der Revision ist Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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