OGH 6Ob191/02k

OGH6Ob191/02k29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 31. August 2001 verstorbenen Wera Maria Clara M*****, wegen Nachlassseperation, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Legatarin Annette K*****, vertreten durch Dr. Elisabeth Scheuba, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. April 2002, GZ 44 R 161/02f-26, womit über den Rekurs der Legatarin der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. Februar 2002, GZ 83 A 9/01z-17, teilweise bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Separationsantrag der Legatarin nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die am 31. 8. 2001 in Wien verstorbene Erblasserin war Staatsbürgerin der USA. Sie hatte mit einem Kodizill vom 3. 9. 1996 ihr in Österreich gelegenes Vermögen der Antragstellerin, ebenfalls eine Staatsbürgerin der USA, vermacht. Mit dem späteren Testament vom 28. 8. 1998 setzte die Erblasserin einen in Deutschland wohnhaften Erben ein, der eine unbedingte Erbserklärung abgab. Dem Erben wurde die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses in Österreich überlassen. Im Testament bekräftigte die Erblasserin die Aufrechterhaltung ihres Kodizills, das ein Vermächtnis und keine Erbeneinsetzung darstellen solle. Zu dem in Österreich gelegenen Nachlassvermögen gehören die Fahrnisse der Wohnung der Erblasserin und ein Sparguthaben bei einer österreichischen Bank. Der Kontostand betrug zum Todeszeitpunkt 143.875,33 S, zum 2. 11. 2001 aber 323.027,84 S.

Die Antragstellerin beantragte die Nachlassseparation und hilfsweise die Sicherstellung ihrer Legatsforderung mit der wesentlichen Begründung, dass sie die Vermengung des inländischen Nachlasses mit dem Erbenvermögen und eine Verkürzung oder sogar Vereitelung ihrer Legatsforderung befürchte. Der Erbe habe seinen Wohnsitz im Ausland. Er könnte durch Verfügungen über das erblasserische Kontoguthaben die Legatsforderung schmälern. Seit dem Tod der Erblasserin seien bereits mehrfach Kontoabbuchungen erfolgt. Der Erbe verweigere auch eine Aufklärung über die getätigten Abbuchungen, bestreite die Höhe der Legatsforderung und verweigere deren Erfüllung. Der Antragstellerin fehlten Informationen über die Einkommens- und Vermögenssituation des Erben. Auf Grund schlechter finanzieller Verhältnisse des Erben könne es zu einer konkreten Gefährdung der Legatsforderung kommen. Der Erbe bestritt die Stichhaltigkeit der vorgetragenen Befürchtungen. Eine Verbringung des Nachlasses ins Ausland sei hier unbeachtlich, weil Deutschland Mitgliedsstaat der EU sei. Der Erbe sei schon zu Lebzeiten der Erblasserin über deren Konto verfügungsberechtigt gewesen und habe auch nach dem Ableben darüber verfügt. Das Legat der Antragstellerin sei aber nie geschmälert worden. Der Erbe habe sogar kurz nach dem Ableben der Erblasserin zur Bedeckung der Kosten des Begräbnisses und sonstiger Aufwendungen einen Betrag von 250.000 S auf das erblasserische Konto überwiesen. Ein Teil der Abbuchungen sei auf Daueraufträge zurückzuführen. Eine Abbuchung von 64.932 S sei zur Deckung der Begräbniskosten erfolgt. Die Erfüllung des Legats in der Höhe des Guthabensstandes am Todestag habe der Erbe nie verweigert. Er habe nur auf die derzeitige Unmöglichkeit der Auszahlung und die ihm gesetzlich zustehende Jahresfrist des § 685 ABGB hingewiesen. Er bestreite die Höhe der Legatsforderung nur hinsichtlich des das Guthaben am Todestag übersteigenden Betrages. Der Erbe habe durch die Überweisung eines Deckungsstockes von 250.000 S für die Sicherstellung des Legats gesorgt.

Das Erstgericht wies den Separationsantrag ab und trug dem Erben auf, das Vermächtnis durch Erlag eines Betrages von 5.358,37 EUR (das waren 73.732,76 S) bei einer inländischen Bank sicherzustellen. Es stellte fest, dass der Erbe am 3. 9. 2001 aus Deutschland 250.000 S auf das erblasserische Konto überwiesen habe. Am 14. 9. 2001 seien 64.132 S zur Deckung der Begräbniskosten abgebucht worden. Bis Ende September 2001 seien infolge von Daueraufträgen und Bankspesen weitere Abbuchungen von 6.238,89 S erfolgt. Danach seien keine weiteren Abbuchungen vorgenommen worden. Die Wohnungseinrichtung sei der Legatarin bereits übergeben worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die Befürchtung der Legatarin, ihre Forderung könnte geschmälert werden, unbegründet sei. Die Einzahlung des Erben übersteige die Abbuchungen. Da der Erbe in Deutschland, einem EU-Mitgliedsstaat, lebe, seien keine Schwierigkeiten bei der Rechtsverfolgung zu erwarten. Dem Sicherstellungsantrag der Legatarin sei gemäß § 161 Abs 2 AußStrG stattzugeben.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Legatarin teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung des Separationsantrages und trug im Übrigen dem Erstgericht auf, über das Mehrbegehren der Legatarin auf Erlag einer weiteren Sicherheitsleistung ergänzend zu entscheiden. Das Rekursgericht verneinte eine Nichtigkeit oder Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens und führte im Wesentlichen noch Folgendes aus:

Der Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlassschulden seien gemäß § 28 Abs 2 IPRG nach inländischem Recht zu beurteilen. Dies gelte auch für Gläubigerschutzmaßnahmen wie die Nachlassseparation und die Sicherheitsleistung. Bei der Nachlassseparatation nach § 812 ABGB habe der Legatar eine Gefährdung seiner Forderung nicht zu bescheinigen, er müsse lediglich eine ausreichend motivierte subjektive Besorgnis behaupten. Die Nachlassabsonderung könne durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Die Einzahlung des Erben auf das erblasserische Konto stelle keine ausreichende Sicherstellung dar, weil ohne gerichtliche Kontosperre Abbuchungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Mit einer gerichtlichen Sperre habe sich der Erbe aber nicht einverstanden erklärt. Der Separationsantrag könne daher nicht wegen ausreichender Sicherheitsleistung abgewiesen werden. Nach ständiger Rechtsprechung sei eine Nachlassseparation berechtigt, wenn der Erbe im Ausland wohne. Die bisherige Rechtsprechung habe aber nicht differenziert, in welchem ausländischen Staat der Erbe wohne. In einer oberstgerichtlichen Entscheidung aus dem Jahr 1996 sei die Ansicht vertreten worden, dass der Wohnsitz des Erben in Frankreich eine Nachlassabsonderung rechtfertige. Danach müsse dies auch für den Mitgliedsstaat Deutschland gelten. Das Rekursgericht vertrete aber die Ansicht, dass zumindest dann, wenn der Separationsberechtigte seinen Wohnsitz nicht im Inland habe, der der oberstgerichtlichen Rechtsprechung innewohnende Schutzgedanke wegfalle, weil der ausländische Separationswerber dann in jedem Fall seine Rechte im Ausland verfolgen müsse, also nur die Wahl habe, das Legat entweder in Österreich oder in Deutschland zu verfolgen. Dies begründe noch kein Separationsinteresse. Das Vorbringen der Legatarin begründe auch keine ausreichend motivierte subjektive Besorgnis über eine Gefährdung ihres Anspruchs. Der Separationsantrag sei daher abzuweisen. Hingegen sei der Antrag auf Sicherstellung gemäß § 161 Abs 2 AußStrG berechtigt. Das Erstgericht habe dem Eventualantrag nur mit einem Teilbetrag stattgegeben, ohne die Nichterledigung des Mehrbegehrens zu begründen. Darüber werde im fortzusetzenden Verfahren ergänzend zu entscheiden sein. Die Höhe der Legatsforderung und die danach angemessene Sicherheitsleistung sei unter Beachtung der Bestimmung des § 686 ABGB noch aufklärungsbedürftig. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht von der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung zum Separationsinteresse wegen des Wohnsitzes des Erben im Ausland abgewichen sei.

Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Legatarin die Abänderung dahin, dass ihrem Separationsantrag stattgegeben werde, weiters den Ausspruch, dass das Verwaltungs- und Vertretungsrecht des Erben erlösche, dass das erblasserische Guthaben in gerichtliche Verwahrung genommen werde sowie die Anordnung der Inventur und Schätzung des Nachlasses. Hilfsweise wird der Antrag gestellt, das Legat durch Erlag eines Betrages von 23.475,35 EUR (323.027,84 S) bei einer inländischen Bank sicherzustellen. Hilfsweise stellt die Legatarin noch einen Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

1. Die vom Rekursgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage, ob schon der Wohnsitz des Erben im Ausland eine die Nachlassseparation rechtfertigende Besorgnis auslösen kann (1 Ob 2086/96p = RZ 1997/30; RS0013087) oder ob dies für einen EU-Mitgliedsstaat nicht gilt, wenn der Separationswerber ein ausländischer Staatsbürger ist, ist nicht entscheidungswesentlich, weil die Nachlassseparation schon nach den in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen zu bewilligen ist, nach denen der Legatar nur sein Vermächtnis, nicht aber dessen Gefährdung nachzuweisen hat. Für die subjektive Besorgnis genügt es, dass der Gläubiger Befürchtungen über die Einbringlichkeit seiner Forderung hegt. Einer Bescheinigung der Gefährdung bedarf es jedoch nicht. Es müssen nur jene Umstände vom Gläubiger angegeben werden, welche die subjektive Besorgnis begründen (RS0013068). Die Nachlassseparation ist nicht an strenge Bedingungen zu knüpfen (RS0013070). Auch wenn die abstrakte Möglichkeit, der Testamentserbe könnte über den Nachlass Verfügungen treffen, für sich allein noch nicht die Absonderung rechtfertigt (RS0013072), hat die Legatarin hier ihre subjektive Besorgnis über die abstrakte Gefährdung hinaus mit konkreten Umständen begründet, insbesondere mit den Argumenten, es sei zu Abbuchungen von dem ihr vermachten Bankkonto gekommen und der Erbe verweigere darüber und über weiteres in Österreich befindliches Vermögen der Erblasserin die Auskunft. Damit ist die Antragstellerin ihrer Behauptungspflicht über eine subjektive Besorgnis in ausreichendem Umfang nachgekommen.

2. Die Beteiligten sind nicht österreichische Staatsbürger. In der in Österreich über das inländische Nachlassvermögen durchzuführenden Abhandlung ist die Frage der Nachlassseparation eine zu den gemäß § 28 Abs 2 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilende Frage der Nachlassschuldenhaftung. Dazu kann auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden (Schwimann in Rummel ABGB2 Rz 3 zu § 28 IPRG).

3. Die Nachlassseperation gemäß § 812 ABGB führt zur Bildung einer Sondermasse und hat das Erlöschen des Verwaltungsrechtes des Erben zur Folge (Welser in Rummel ABGB3 Rz 10 zu § 810 mwN; Eccher in Schwimann ABGB2 Rz 19 zu § 812; SZ 23/361). Dies kann im Seperationsbeschluss deklarativ festgestellt werden.

4. Zum inländischen Nachlass gehören nach den Feststellungen des Erstgerichts das Inventar der Wohnung und das Bankguthaben der Erblasserin. In den Nachlass fällt grundsätzlich das aus allen vererblichen Rechten und Verbindlichkeiten bestehende Vermögen des Erblassers zum Todeszeitpunkt (§ 531 ABGB). Eine nach diesem Zeitpunkt geleistete Einzahlung des Erben auf das Konto der Erblasserin fällt jedenfalls dann in den Nachlass, wenn der Einzahlung eine Forderung der Erblasserin gegen den Einzahlenden zugrundelag. Für die Nachlassseperation reicht freilich schon die Bescheinigung der Legatsforderung, die hier das gesamte in Österreich befindliche Vermögen der Erblasserin umfasst. Vorbehaltlich einer Klärung im Rechtsweg gehören daher auch die Zinsen, Nutzungen und jeder andere Zuwachs zum Vermächtnis (§ 686 ABGB).

5. Die Absonderung des Nachlasses zugunsten der Gläubiger erfasst zwar grundsätzlich immer den gesamten Nachlass (RZ 1997/30; NZ 1985, 173). Hier hat aber der Erbe eine der beiden Legatsforderungen bereits dadurch erfüllt, dass er das Wohnungsinventar der Legatarin übergeben hat, sodass in diesem Punkt kein Sicherungsbedürfnis mehr besteht. Die Nachlassseperation ist daher grundsätzlich nur hinsichtlich der Forderung der Erblasserin gegenüber der Bank anzuordnen. Die Sache ist allerdings noch nicht spruchreif:

6. Die Verwaltung und Vertretung der Sondermasse ist im Regelfall einem zu bestellenden Absonderungskurator zu überlassen. Die Antragstellerin beantragt statt dessen die gerichtliche Verwahrung (Hinterlegung) des erblasserischen Bankguthabens. Das beantragte Sicherungsmittel der gerichtlichen Verwahrung ist jedenfalls ungeeignet, weil die Forderung der Erblasserin gegenüber der Bank hier nicht in einem Sparbuch verbrieft ist und ein Kontogutaben nicht verwahrt werden kann. Ob deshalb eine Kuratorbestellung erforderlich ist oder ob sich der Zweck der Seperation mit geringerem Aufwand erreichen lässt (dazu Eccher aaO Rz 19 zu § 812 und Welser aaO Rz 21 zu § 812) bedarf noch einer näheren Erörterung mit den Parteien. Im Einverständnis mit dem Erben könnte der Legatarin auch die Verwaltung übertragen werden (Welser aaO Rz 6 zu § 810). Das Kontoguthaben, also das sogenannte Buchgeld (die Forderung gegenüber der Bank) könnte zwar allenfalls gerichtlich gesperrt werden, damit bliebe aber die Frage noch offen, wer allenfalls notwendig werdende Verfügungen zu treffen hätte, wenn beispielsweise der Schuldner (die Bank) im Rahmen ihrer Kontoführung Erklärungen des Kontoinhabers benötigt oder verlangt.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher die Frage des Sicherungsmittels der zu bewilligenden Nachlassseparation mit den Parteien zu erörtern sein. Wenn kein Einverständnis erzielbar sein sollte, das hinsichtlich des Kontoguthabens auch in der teilweisen Einräumung der Verfügungsgewalt der Legatarin über das zum Todeszeitpunkt bestehende Guthaben bestehen könnte, sodass also nur der übersteigende Betrag allenfalls zu sichern wäre, wird das Erstgericht ein geeignetes Sicherungsmittel zu verfügen und allenfalls einen Separationskurator zu bestellen haben, wenn anders der Separationszweck nicht erreicht werden könnte.

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