Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 813,24 (darin enthalten EUR 135,54 USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und ihre Freundin arbeiteten bereits auf der Grazer Herbstmesse für die beiden Beklagten. Zu dieser Zeit vereinbarten sie gemeinsam eine Tätigkeit auf dem Adventmarkt im Leoben für den Zeitraum von 1. bis 23. 12. 2000, bei der sie als Schankgehilfen einen Weihnachtsverkaufsstand bzw eine Weihnachtshütte betreiben sollten. Nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für Handelsarbeiter gebührt ihnen ein Stundenlohn von S 82 brutto. Auch eine weitere Freundin sollte am Advenmarkt mitarbeiten. Als Dienstzeiten waren grundsätzlich 10 bis 19 Uhr fallweise 19.30 Uhr vereinbart. Die Arbeitseinteilung wurde von den Beklagten den Arbeitnehmerinnen mit dem Vorbehalt überlassen, dass die Sache funktionieren müsse. Die Beklagten schulten dann die Klägerin und ihre Freundin am 1. 12. 2000 im Zusammenhang mit dem Aufbau der Adventhütte ein. Sie sollten gemeinsam die Hütte und der Zweitbeklagte den Glühweinkessel vor der Hütte betreuen. Schon während der Einschulung gab es die ersten Beschimpfungen durch die Erstbeklagte, die ihnen vorwarf, dass sie nichts könnten, “deppert" seien und ähnliches. Der Zweitbeklagte verließ immer wieder stundenweise seinen Arbeitsplatz, sodass die beiden Freundinnen mit ihrer Arbeit fast nicht “zusammengekommen" sind und diese auch nicht um 19.30 Uhr, sondern erst um 20.15 Uhr beenden konnten.
Ähnliches ereignete sich am darauf folgenden Tag, wobei der Zweibeklagte nach seinen regelmäßigen Abwesenheiten von der Adventhütte immer betrunkener zurück kam. Als die Freundinnen dann um
20.30 Uhr die Adventhütte zusperren wollten, rief der Zweitbeklagte die Erstbeklagte an und übergab sofort den Hörer an die Freundin der Klägerin. Die Erstbeklagte begann sofort wieder ihre Beschimpfungen und fragte, ob die Klägerin und ihre Freundin “komplett vertrottelt" seien. Auf den Einwurf, dass kein Rum und kein Knoblauch mehr da sei, sagte die Erstbeklagte, dass die Klägerin und ihre Freundin zu dumm seien, zu dumm fürs arbeiten, nur Volksschulniveau hätten und überhaupt nicht studieren dürften und auch für das Studieren zu blöd seien.
Nach diesem Telefonat kamen die Freundinnen überein, unter diesen Umständen nicht weiter arbeiten zu wollen und teilten dies auch dem Zweitbeklagten mit. Sie verlangten, dass es ab nun keine Beschimpfungen mehr geben dürfe und sie ordentliche behandelt würden, sowie dass der Zweitbeklagte pünktlich am Adventstand erscheint. Am nächsten Tag wollten sie es noch einmal “versuchen". Damit war der Zweitbeklagte einverstanden.
Als am darauf folgenden Tag die Freundin der Klägerin und weitere Freundin die Adventhütte pünktlich aufsperrten, fehlte erneut der Zweitbeklagte, obwohl er wusste, dass es an verschiedene Zutaten mangelte. Im Zusammenhang mit einem darauf geführten Telefonat mit der Erstbeklagten kam es wieder zu Beschimpfungen, woraufhin dann die drei Freundinnen beschlossen, nicht mehr für die Beklagten tätig sein zu wollen und dies dem Zweitbeklagten, als dieser schließlich um 13 Uhr erschien, mitteilten.
Die Klägerin begehrt nun neben den - mit Ausnahme der Sonderzahlungen - bereits rechtskräftig zugesprochenen offenen Entgeltansprüchen für die Zeit vom 1. bis 3. Dezember 2000 auch S 10.640 an Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 4. 12. bis 23. 12. 2000. Sie stützt dies im Wesentlichen darauf, dass sie und ihre beiden Freundinnen eine fixe Zusage für den 1. bis 23. 12. 2000 gehabt hätten und am 3. 12. 2000 berechtigt ausgetreten seien. Die Arbeitszeiten seien nicht richtig eingehalten worden, der Zweitbeklagte habe sich ständig verspätet, es habe an Arbeitsmitteln gefehlt und die Erstbeklagte habe sie beschimpft.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten im Wesentlichen ein, dass die Klägerin gemeinsam mit den Freundinnen die Weihnachtshütte betreiben sollten, dieser Verpflichtung jedoch nicht ordnungsgemäß nachgekommen seien. Es habe keine Beschimpfungen gegeben. Die Ansprüche der Klägerin aus dem vorzeitigen Austritt seien nicht berechtigt. Vielmehr seien die Beklagten berechtigt, Schadenersatzforderungen infolge der durch den unberechtigten vorzeitigen Austritt bewirkten Umsatzeinbußen geltend zu machen. Die Beklagten wendeten daher schließlich in compensando S 8.000 an Schadenersatzforderungen ein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und erkannte die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Es folgerte rechtlich, dass die Klägerin entsprechend § 82a lit b Gewerbeordnung berechtigt ausgetreten sei, da die ausgesprochenen Beschimpfungen den Tatbestand der groben Ehrenbeleidigung erfüllten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien hinsichtlich der beendigungsabhängigen Ansprüche (Kündigungsentschädigung und anteilige Sonderzahlungen) Folge und änderte es insoweit im klagsabweisenden Sinne ab. Es übernahm zwar den festgestellten Sachverhalt, führt aber rechtlich aus, dass der Austritt der Klägerin nach § 82a lit b zweiter Fall Gewerbeordnung 1859 nicht berechtigt sei, da die Klägerin am 2. 12. 2000 bei den unmittelbar ihr gegenüber gemachten ehrverletzenden Äußerungen ihren vorzeitigen Austritt nicht sofort erklärt habe. Sie habe damit zu erkennen gegeben, dass die beleidigenden Äußerungen nicht in einem Ausmaß von ihr ernst genommmen wurden, dass sie zum unmittelbaren Abbruch der Beziehungen hätten führen müssen. Der am darauf folgenden Tag erklärte Austritt sei nicht berechtigt, da das Telefonat nur von der Freundin der Klägerin geführt worden sei und auch nicht festgestellt worden sei, in welcher Weise die Klägerin beschimpft worden sei. Der offensichtlich nur aus “Solidarität" mit dem beiden Freundin erklärte Austritt sei daher nicht berechtigt. Daher stünden die Beendigungsansprüche ebenso wenig zu wie die von den Beklagten in der Berufung gar nicht weiter verfolgten Gegenforderungen. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens der Voraussetzung des § 46 Abs 1 ASGG als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt. Eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu den hier im Zusammenhang mit Gruppenarbeitsverträgen bestehenden Abgrenzungsfragen liegt nicht vor.
Nicht berechtigt ist allerdings die von der Klägerin erhobene Mängelrüge (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch aus den Ausführungen des Ersturteils lässt sich ein genauer Inhalt der am 3. 12. 2000 ausgesprochenen Beschimpfungen gegenüber der Klägerin nicht feststellen. Ebensowenig liegt eine Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles vor. Auch in ihrem Schriftsatz vom 8. 5. 2000 finden sich keine Ausführungen zu Beschimpfungen am 3. 12. 2000 durch die Erstbeklagte, sondern nur durch den Zweitbeklagten. Im Ergebnis erfolgreich ist jedoch die erhobene Rechtsrüge. Festzuhalten ist, dass die Klägerin und ihre Freundin bereits zuvor gemeinsam für die beiden Beklagten gearbeitet hatten und in diesem Zusammenhang auch erneut ein gemeinsamer Arbeitseinsatz für die beiden Beklagten im Zusammenhang mit der Betreuung der Adventhütte vereinbart wurde. Weiters ist wesentlich, dass die interne Arbeitsaufteilung zwischen den beiden Freundinnen diesen von den Beklagten überlassen wurde.
Im Zusammenhang mit den Gruppenarbeitsverhältnissen werden verschiedene Formen unterschieden, und zwar je nachdem, ob die Gruppe überhaupt nur gemeinsam ein Vertragsverhältnis zum Arbeitgeber eingeht oder ob auch ein Vorliegen von Arbeitsverträgen jedes einzelnen Arbeitnehmers auszugehen ist (vgl etwa Tomandl in Tomandl/Schramml Arbeitsrecht 14, 208 f, Schwarz/Löschnigg Arbeitsrecht9, 198 ff; Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht I4, 159). Das Erklärungsverhalten wird wohl jeweils auch vor dem Hintergrund der zu verrichtenden Arbeitsleistungen zu verstehen sein, je nachdem, inwieweit diese typischerweise nur gemeinsam und in einer eingespielten Zusammenarbeit erbracht werden können oder nicht. Auch die Art des Zustandekommens der Verträge wird dabei entscheidend sein. Hier ist nun davon auszugehen, dass auch im Hinblick auf die Art der Arbeitsleistung durchaus getrennte Arbeitsverträge vorliegen, diese aber nach dem Willen der Vertragsparteien verbunden sein sollten.
Unter diesem Aspekt ist aber die ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach Gruppenarbeitsverträge dann aufgelöst werden könne, wenn auch nur ein Mitglied der Gruppe einen Entlassungsgrund gesetzt hat (vgl zur Entlassung RIS-Justiz RS0029196 mwN, etwa Arb 8.909), jedenfalls insoweit heranzuziehen, als für die Beurteilung des Vorliegens von Gründen für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch das Verhalten des Vertragspartners gegenüber anderen Gruppenmitgliedern heranzuziehen ist. Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit kann ein berechtigter vorzeitiger Austritt unter anderen dann erklärt werden, wenn der Gewerbeinhaber sich einer groben Ehrenbeleidigung gegenüber den Arbeitnehmer “oder dessen Angehörigen" schuldig macht (§ 82a lit b) oder wenn der Gewerbeinhaber wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt (§ 82a lit d).
Bei der Beurteilung des Vorliegens dieser Austrittsgründe ist - so wie im Allgemeinen - entscheidend, ob es sich um so wesentliche Vertragsverletzungen handelt, dass dem Arbeitnehmer die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (vgl allgemein RIS-Justiz RS0030641). Wesentlich ist hier nun, dass gar nicht die einzelnen - ohnehin unzumutbaren - Beschimpfungen durch die Erstbeklagte oder die den Arbeitsablauf immer wesentlich störenden Abwesenheiten und Unzuverlässlichkeiten des Zweitbeklagten im Einzelnen den Austritt als berechtigt erscheinen lassen, sondern das Gesamtbild eines unzumutbaren Verhaltens gegenüber den Arbeitnehmern entsteht. Diese haben nun gemeinsam zum Ausdruck gebracht, dass sie bei Aufrechterhaltung dieses Arbeitsklimas die Dienstverhältnisse unverzüglich beenden werden. Daher können sie auch dann, wenn ungeachtet dieses Vorhalts dieses Arbeitsklima aufrecht erhalten wird, die Arbeitsverhältnisse beenden.
Insgesamt ist daher auch der Austritt der Klägerin als berechtigt zu beurteilen. Das Berufungsurteil war daher dahin abzuändern, dass das klagsstattgebende Urteil wieder hergestellt wird.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.
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