OGH 6Ob180/02t

OGH6Ob180/02t29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin (gefährdeten Partei) Dr. Monika S*****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch und Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Rudolf S*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 3. April 2002, GZ 37 R 81/02s-16, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 5. Februar 2002, GZ 2 C 11/02a-10, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die einstweilige Verfügung der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, dass der P 5. lautet:

"Diese einstweilige Verfügung gilt für die Dauer von drei Monaten. Das Mehrbegehren der Antragstellerin, die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung für den Fall der Einbringung einer Scheidungsklage vor Ablauf der Dreimonatsfrist bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens und für den Fall der Einbringung eines Antrags gemäß den §§ 81 ff EheG binnen zwei Wochen nach rechtskräftiger Beendigung des Scheidungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des Aufteilungsverfahrens zu bestimmen, wird abgewiesen".

Die antragstellende Partei hat dem Antragsgegner die mit 333,12 EUR (darin 55,52 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens sowie die mit 754,76 EUR (darin 380 EUR Barauslagen und 41,64 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erließ die von der Antragstellerin vor Einbringung einer Scheidungsklage beantragte einstweilige Verfügung nach § 382b EO. Dem Antragsgegner wurde die Rückkehr in die Ehewohnung, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin und der Aufenthalt an zwei näher bezeichneten Örtlichkeiten verboten. Das Erstgericht verfügte, dass die einstweilige Verfügung für die Dauer von drei Monaten, im Fall der Einbringung einer Scheidungsklage vor Ablauf dieser Frist aber bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens und für den Fall der Einbringung eines Aufteilungsantrages nach den §§ 81 ff EheG bis zur rechtskräftigen Erledigung des Aufteilungsverfahrens gelte.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners, der sich nur gegen die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung richtete, nicht Folge. Es bejahte die auch im Revisionsrekursverfahren allein strittige Zulässigkeit der die Dreimonatsfrist des § 382b Abs 4 EO übersteigenden Dauer der Geltung der einstweiligen Verfügung unter Hinweis auf die oberstgerichtliche Rechtsprechung, dass nach Einbringung einer Scheidungsklage die Verlängerung der zuvor gemäß § 382b EO erlassenen einstweiligen Verfügung bewilligt werden könne (6 Ob 11/98f = SZ 71/13). Die Einbringung einer Scheidungsklage lasse den Schluss zu, dass weitere Gewalttätigkeiten zu befürchten seien. Diese Umstände sprächen zumindest nicht gegen eine von vorneherein mit der rechtskräftigen Beendigung des Scheidungs- bzw Aufteilungsverfahrens verfügten Befristung. Dem Antragsgegner stehe ein Aufhebungsantrag nach § 399 EO zu. Der Gesetzeszweck, dem betreffenden Personenkreis einen raschen und lückenlosen Schutz zu gewähren, spreche für die Zulässigkeit der bekämpften Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur gestellten Rechtsfrage zulässig sei.

Mit seinem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Antragsgegner die Abänderung dahin, dass die Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung mit drei Monaten befristet werde.

Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Da nicht feststeht, ob die Antragstellerin in der Dreimonatsfrist die Scheidungsklage eingebracht hat, kann die Beschwer des Revisionsrekurswerbers durch die bekämpfte längere Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung nicht verneint werden. Auf das Rechtsmittel ist daher sachlich einzugehen.

2. Die bedingt für den Fall der Einbringung einer Scheidungsklage und eines Aufteilungsantrags verfügte längere Geltungsdauer bis zur rechtskräftigen Beendigung der Verfahren steht mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung im Widerspruch. Der 10. Senat vertritt im Einklang mit verschiedenen Lehrmeinungen die Auffassung, dass mangels eines im Zeitpunkt der Entscheidung über den Sicherungsantrag anhängigen Hauptverfahrens die Verfügungsdauer drei Monate nicht überschreiten dürfe (10 Ob 426/01x mwN). Dieser Ansicht ist zu folgen. Dagegen kann auch nicht die für zulässig erachtete Verlängerung der Geltungsdauer einer nach § 382b EO erlassenen einstweiligen Verfügung ins Treffen geführt werden, weil die Verlängerung jedenfalls voraussetzt, dass der Antragsteller zwar nicht die schon für den Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung bejahten Voraussetzungen neuerlich zu bescheinigen hat, wohl aber den Sachverhalt, dass sich die entscheidungswesentlichen Umstände nicht nachträglich geändert haben. Bei Gewalttätigkeiten und gefährlichen Drohungen in der Familie, denen mittels einstweiliger Verfügung begegnet werden soll, ist eine Zukunftsprognose erforderlich (6 Ob 11/98f = SZ 71/13). Es liegt auf der Hand, dass die Bescheinigung eines künftigen Sachverhalts nicht schon zum Zeitpunkt der Einbringung des Sicherungsantrags erbracht werden kann. Dass die Einbringung der Scheidungsklage für sich allein schon die erforderliche Bescheinigung der Gefährdung der körperlichen Sicherheit ersetzt, wurde in der zitierten Vorentscheidung nicht ausgesprochen. Die Einbringung der Klage kann nach den Umständen des Einzelfalls aber Anlass zur Befürchtung weiterer Gewalttätigkeiten oder Drohungen des ausgewiesenen Ehegatten sein. Diese Tatfrage ist aber in dem über Antrag eingeleiteten Verlängerungsverfahren zu klären und kann nicht schon vorweg bei der Entscheidung über den auf § 382b EO gestützten und vor Einbringung einer Scheidungsklage gestellten Sicherungsantrag entschieden werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens und des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm § 393 Abs 2 EO.

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