Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden
1. das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG und im Ausspruch einer Freiheitsstrafe, einschließlich der Vorhaftanrechnung, sowie
2. der Beschluss auf Widerruf der bedingten Nachsicht zweier Freiheitsstrafen
aufgehoben, und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zurückverwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Hannes Peter B***** wurde "des Verbrechens" nach § 28 Abs 2 (zu ergänzen:) vierter Fall und Abs 3 (zu ergänzen:) erster Fall SMG (1) und (richtig:) einer unbestimmten Anzahl gleichartiger Vergehen nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen:) erster und zweiter Fall SMG (2) schuldig erkannt.
Danach hat er von 1998 bis 14. März 2001 in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider
1. ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) "teilweise in der Absicht, sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in Verkehr gesetzt, indem er insgesamt zumindest 2475 Gramm Marihuana, 10 Gramm Haschisch, 3 LSD-Trips, 1800 Stück Ecstasy, 130 Kokain sowie 50 Gramm Speed" an verschiedene Abnehmer verkaufte oder verschenkte;
2. ein Suchtgift, nämlich Ecstasy und Cannabisprodukte, durch Kauf und Konsum erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Die aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gegen den zu 1. ergangenen Schuldspruch ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bedarf keiner Erörterung, weil sich der Oberste Gerichtshof aus deren Anlass davon überzeugen musste, dass die getroffenen Feststellungen die vorgenommene rechtliche Unterstellung der als erwiesen angenommenen Tatsachen, deren der Angeklagte schuldig befunden worden ist, nicht tragen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz [§ 281 Abs 1 Z 10] StPO).
In Verkehr gesetzte, die Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) für sich allein nicht erreichende Suchtgiftquanten sind nämlich nur insoweit zu einer großen Menge zusammenzufassen, als der Vorsatz des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Man spricht dann von einer tatbestandlichen Handlungseinheit im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung. Weil nach Erreichen der Grenzmenge gedanklich "abgetrennt" werden kann, ist solcherart die Bildung mehrerer gleichartig real konkurrierender Handlungseinheiten und die wiederkehrende Begehung des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG möglich.
Für die Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG verlangt das Gesetz denn auch die gewerbsmäßige Begehung der "im Abs 2 bezeichneten Tat", mithin die Absicht, sich durch wiederkehrendes Inverkehrsetzen einer jeweils großen Menge eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Soweit sich die Absicht nur auf das Inverkehrsetzen von Suchtgiftquanten unterhalb der Grenzmenge bezieht, vermag sie die Qualifikation des § 28 Abs 3 erster Fall SMG nicht zu begründen (JBl 2001, 802).
Anhand der Feststellungen des Erstgerichtes lässt sich jedoch weder eine Differenzierung der zu 1. zusammengefassten Straftaten des Angeklagten nach § 27 Abs 1 sechster Fall SMG oder § 28 Abs 2 vierter Fall SMG vornehmen, noch beurteilen, ob der Angeklagte - im Fall ein oder mehrerer Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG - nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG gewerbsmäßig gehandelt hat (eingehend: Ratz in WK2 Vorbem §§ 28-31 Rz 107 und WK-StPO § 281 Rz 406, 521). Die fehlenden Konstatierungen führen - in Übereinstimmung mit der Ansicht (§ 35 Abs 2 StPO) der Generalprokuratur - bereits in nichtöffentlicher Sitzung (§ 285e StPO) zur Aufhebung des zu 1. ergangenen Schuldspruchs.
Ergibt sich übrigens eine tatbestandliche Handlungseinheit durch Zusammenrechnung verschiedener Wirkstoffe, wird just durch diese Addition die Strafdrohung bestimmt, sodass die - vorliegend geschehene - Annahme eines im Zusammentreffen verschiedener Wirkstoffe bestehenden Erschwerungsgrundes gegen das im § 32 Abs 2 erster Satz StGB verankerte Doppelverwertungsverbot verstößt (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO).
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