OGH 2Ob130/01h

OGH2Ob130/01h9.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adalbert B*****, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, wider die beklagte Partei Dr. Elfriede D*****, wegen EUR 394.152,84 sA, infolge der Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 19. März 2001, GZ 1 R 15/01h-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 24. August 2000, GZ 28 Cg 92/99v-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Parteien haben ihre Rekurskosten selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung von durch das Berufungsgericht zugelassenen Rekursen gegen einen Aufhebungsbeschluss wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz, § 528a ZPO; vgl Kodek in Rechberger § 528a ZPO Rz 1). Das Berufungsgericht hat den Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO deshalb zugelassen, weil zur Zulässigkeit der Verjährungseinrede eines Rechtsanwaltes nur die bereits vor rund 15 Jahren ergangene Entscheidung 2 Ob 543/86 vorliege und zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das Wissen eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes um den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Umstände dem Vertretenen zuzurechnen ist, eine umfassende höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat zu 2 Ob 543/86 (= RIS-Justiz RS0055035) mit umfassender Begründung entschieden, dass die Erhebung der Verjährungseinrede durch einen Rechtsanwalt gegen kein gesetzliches Verbot im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB verstößt, weil sich weder aus § 10 Abs 2 RAO, § 2 DSt, noch §§ 2 und 3 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes ein derartiges Verbot ableiten lässt. Die Sittenwidrigkeit der von einem Rechtsanwalt erhobenen Verjährungseinrede kann nach den weiteren Ausführungen dieser Entscheidung nur dann angenommen werden, wenn die Interessensabwägung ein krasses Missverhältnis zwischen den verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ergibt (Apathy in Schwimann, ABGB2 V, § 879 Rz 8 ff); dies wurde bezogen auf den genannten Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalt, der mit dem hier entscheidungsgegenständlichen durchaus vergleichbar ist, verneint.

Von einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist bereits dann auszugehen, wenn (wie hier) auch nur eine, aber ausführlich begründete, grundlegende Entscheidung vorliegt, der keine gegenteiligen entgegenstehen (Kodek in Rechberger, ZPO § 502 Rz 3; 4 Ob 8/98z).

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen den Vertretern das Wissen seines Rechtsanwaltes um die Verjährungsfrist auslösende Umstände zuzurechnen ist, wird auf die einheitliche ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verwiesen (SZ 52/167; 3 Ob 510/82, 3 Ob 1565/91, 9 Ob 88/99b, 1 Ob 64/00v, 5 Ob 18/01k). Demnach gilt das Wissen eines bevollmächtigten Vertreters eines Geschädigten (nur in Beziehung auf rechtserhebliche Tatsachen, die mit dem Vertretungsbereich verbunden sind, in dem er berufen war und tätig wurde, als Wissen der Gesellschaft. Die Ausführungen im Rekurs des Klägers vermögen dem nichts stichhaltiges entgegenzusetzen. Soweit die Beklagte in ihrem Rekurs meint, dass die Frage der Wissenszurechnung bereits nach den vorhandenen Feststellungen beantwortet werden können, ist ihr bloß entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht insoweit eine Verbreiterung der Tatsachengrundlagen angeordnet hat. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann dem nicht entgegentreten.

In den Rekursen beider Parteien werden demnach keine entscheidungswesentlichen Rechtsfragen aufgezeigt. Die Rechtsmittel waren daher - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen.

Da die Rekurse beider Parteien erfolglos blieben, haben sie die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

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