OGH 12Os45/02

OGH12Os45/0226.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl H***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Karl ***** und Othmar D***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 11. März 2002, GZ 10 Hv 6/02w-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Karl H***** und Othmar D***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 und Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie am 25. November 2001 in Braunau am Inn im bewussten und gewollten Zusammenwirken Anneliese E***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB durch Gewalt zur Vornahme und Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt hatten, wobei Anneliese E***** längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt worden war, indem sie sie auf das Bett gestoßen, sie teilweise gewaltsam entkleidet, sie abwechselnd festgehalten, ihr mehrfach eine Gummihand in die Vagina sowie Finger in Scheide und After eingeführt hatten, mit ihr abwechselnd den Geschlechtsverkehr wie auch Afterverkehr vollzogen, ihr die Schambehaarung rasiert und auf ihren Bauch uriniert, Karl H***** auch mehrmals seinen Penis in den Mund der Genannten eingeführt hatten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen, von den Angeklagten Karl H***** auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO sowie Othmar D***** auf Z 2, 3, 4, 5, 5a und 10 leg cit gestützten Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl. Der Verfahrensrüge des Angeklagten Othmar D***** (Z 2) zuwider ging der Untersuchungsrichter zutreffend davon aus, dass dem Tatopfer Anneliese E***** mangels aufrechter Lebensgemeinschaft mit D***** bei ihrer kontradiktorischen Einvernahme vom 6. Dezember 2001 (ON 14) kein Entschlagungsrecht im Sinne § 152 Abs 1 Z 2 StPO zustand. Soweit Anneliese E***** ihre Beziehung zum Beschwerdeführer ursprünglich als Lebensgemeinschaft (142) bezeichnete, hat sie in der Folge dieses Begriffsverständnis ohnedies relativiert (145) und dazu Sachverhaltskomponenten klargestellt, die eine Lebensgemeinschaft rechtsrelevanter Prägung für den Tatzeitpunkt ausschließen (144 ff). Dass der Untersuchungsrichter von der (gesetzlich bloß) fakultativen Möglichkeit einer Ton- oder Bildaufnahme der kontradiktorischen Vernehmung (§ 162a Abs 1 letzter Satz StPO) nicht Gebrauch machte, begründet keine Nichtigkeit.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider wurde den Verteidigern bei der in Rede stehenden Vernehmung sehr wohl ein Fragerecht eingeräumt und dieses auch wahrgenommen (178 f). Die unter sinngemäßer Anwendung des § 250 Abs 1 und 2 StPO (§ 162a Abs 1 vorletzter Satz StPO) bei der Vernehmung des Tatopfers nicht anwesenden Angeklagten wurden von deren Inhalt gesetzeskonform in Kenntnis gesetzt (179). Da den weiteren aktenwidrigen Rechtsmittelausführungen des Angeklagten Othmar D***** zuwider Anneliese E***** nach ausdrücklicher Belehrung nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO dezidiert erklärte, wenn es zu einer Hauptverhandlung komme, wolle sie nicht mehr aussagen (179), geht auch seine auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO gestützte Verfahrensrüge ins Leere.

Zu Unrecht wenden sich beide Angeklagten gegen die Abweisung ihrer in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (Z 4). Die Forderung nach Durchführung eines Lokalaugenscheins zum Nachweis der Sperrverhältnisse übersieht, dass den Angeklagten die (alternative) Entziehung der persönlichen Freiheit nicht zur Last liegt. Angesichts der Urteilskonstatierung aber, dass die der Geschädigten körperlich weit überlegenen Beschwerdeführer ihr die Kleidung nicht ausfolgten und sie festhielten (US 5), ist völlig unerheblich, ob dem Tatopfer die theoretische, vom Erstgericht im Übrigen nicht ausgeschlossene (US 4) Möglichkeit gegeben war, die Wohnungstüre von innen zu öffnen.

Mögen auch die Tatrichter aufgrund berechtigter Aussageentschlagung keinen persönlichen Eindruck von der tatbetroffenen Frau erhalten haben, so gehen doch die Beweisanträge auf Einvernahme der Zeugen Fritz H***** und Paula J***** zu einem früheren, vorgeblich freizügigen Sexualverhalten ihrerseits ins Leere, weil sie zuverlässige Rückschlüsse darauf, ob sie in der in Rede stehenden Tatkonstellation zu den tatgegenständlichen Praktiken mit den konkret beteiligten Personen bereit war oder nicht, vorweg ausschließen. Hinsichtlich des Antrags auf Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Psychologie zum Beweis dafür, dass die Aussageverlässlichkeit und -richtigkeit der Zeugin Anneliese E***** aufgrund ihrer psychischen (paranoiden) Beeinträchtigung in Zweifel zu ziehen sei, mangelt es bereits an der für die prozessuale Tauglichkeit dieses Beweisbegehrens unabdingbaren Behauptung, dass sich die einer weiteren Aussage entschlagende Zeugin mit einer derartigen Begutachtung einverstanden erklären würde bzw aus welchen - hier von selbst nicht einsichtigen - Gründen ein derartiges Einverständnis zu erwarten wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Die Einvernahme des untersuchungsbefassten Gynäkologen Dr. S***** zum Beweis dafür, dass es bei der von der Zeugin E***** geschilderten Vorgangsweise der Angeklagten bzw der Gewaltanwendungen zwangsläufig zu Verletzungen gekommen sein müsste, entbehrt der gebotenen Relevanz. Die Beschaffenheit der verwendeten Gummihand wurde von den Tatrichtern unmittelbar geprüft (310) und davon ausgehend die Möglichkeit verletzungsfreier Penetration nachvollziehbar in die Erwägungen miteinbezogen (US 14). Dass aber Festhalten und Eindringen von Geschlechtsteilen nicht zwangsläufig mit Verletzungen des Tatopfers verbunden sein muss, entspricht allgemeiner Erfahrung. Dass die Zeugin E***** zum Zeitpunkt des Eintreffens der Beamten M***** und P***** bereits vollständig bekleidet war, entspricht den (23), von den Tatrichtern insoweit verwerteten Verfahrensergebnissen (US 13), sodass die Einvernahme der genannten Beamten entbehrlich war.

Völlig irrelevant ist weiters die begehrte Einvernahme des Zeugen Mario D***** über die für den Ankauf der Gummihand ausschlaggebende Motivation.

Der - unzulässig ohne Beweisthema - beantragten ergänzenden Einvernahme der Zeugin E***** steht deren bereits zitierte Erklärung entgegen, von ihrem Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO in der Hauptverhandlung Gebrauch zu machen (179). Zu ihrer allfälligen Bereitschaft zur Aussage wurde sie von den Verteidigern in der Hauptverhandlung nicht gefragt (266), noch wurden Behauptungen in dieser Richtung vorgebracht.

Mit der isolierten Hervorhebung einiger Passagen aus den Aussagen des Tatopfers vernachlässigen die Mängelrügen (Z 5) das Gebot gedrängter Darstellung der Urteilsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO. Hinsichtlich der inneren Tatseite liegt keineswegs eine Scheinbegründung vor. Hiezu griff das Erstgericht logisch und empirisch einwandfrei auf bezügliche Geräuschwahrnehmungen benachbarter Personen zurück (US 8 ff). Wie bereits zum betreffenden Beweisantrag ausgeführt, sind die Sperrverhältnisse der Wohnung ebenso ohne jede Relevanz wie die Frage, ob sich E***** vor der Tat einiger Kleidungsstücke selbst entledigte.

Die Wortfolge "am Bett fixierten" bedurfte als für jedermann einsichtig keiner näheren Aufhellung.

Dass Festhalten und Entfernen der Kleidung Hinderungsgründe zum Verlassen einer Wohnung darstellen, ist evident. Ohnedies in die Urteilserwägungen nachvollziehbar einbezogen (US 6) wurde aber, dass das Tatopfer bei der ersten Gendarmerieintervention die Beamten nicht als solche erkannt, vielmehr angenommen hatte, es handle sich um Freunde des Angeklagten D*****.

Ohne entscheidungswesentliche Relevanz ist weiters die vom Angeklagten D***** aufgeworfene Frage, ob E***** zu ihm in einem Abhängigkeitsverhältnis steht.

Nicht anders verhält es sich mit Bekundungen des Zeugen N*****, er könne sich nicht vorstellen, dass eine Frau über einen derart langen Zeitraum vergewaltigt werde.

Soweit Einwände der Mängelrügen teils auch im Rahmen der Tatsachenrügen (Z 5a) wiederholt werden, erweisen sie sich den Beschwerdeauffassungen zuwider als nicht geeignet, Bedenken - geschweige denn solche erheblichen Grades - gegen die Richtigkeit der dem bekämpften Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Dies gilt insbesondere für die Deutung des Angeklagten H*****, das Erstgericht versuche zu seinen Lasten eine Vergewaltigung daraus zu konstruieren, dass Nachbarn "lediglich ein Wimmern bzw ein Wehklagen hörten, was im Zuge eines Geschlechtsverkehrs wohl nichts Ungewöhnliches sei".

Ein Einverständnis des Tatopfers zu den gegenständlichen, von beiden Angeklagten vorgenommenen Tathandlungen wird von den Rechtsmitteln ebenso aktenwidrig konstruiert wie der nicht näher konkretisierte Hinweis des Angeklagten D***** auf eine merkliche Alkoholisierung beider Täter.

Dessen Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt eine prozessordnungsgemäße Darstellung, indem sie einerseits (neuerlich) die Behauptung mangelnden Vorliegens der Qualifikation nach § 201 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB in den Raum stellt, ohne dies methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588), und andererseits die expliziten Urteilsannahmen zum auch die Qualifikation umfassenden Vorsatz der Angeklagten (US 6, 15) übergeht.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Stichworte