OGH 3Ob141/02k

OGH3Ob141/02k26.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1) Martin H*****, geboren am *****, und 2) Thomas H*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Alois H*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. März 2002, GZ 45 R 10/02g-46, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 21. August 2001, GZ 7 P 279/97z-29, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646, (seinem ganzen Inhalt nach) als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung

Das Erstgericht erhöhte die Geldunterhaltspflicht des Vaters gegenüber den beiden Minderjährigen für den Zeitraum vom 1. bis 31. 7. 2000 auf 4.700 S (= 341,56 EUR) und ab 1. 8. 2000 auf 5.400 S (= 392,43 EUR) jeweils monatlich je Kind.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil es zur Anrechenbarkeit der Familienbeihilfe auf die Geldunterhaltspflicht nach den im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2001 Zl B 1285/00 erläuterten Kriterien an einer Rsp des Obersten Gerichtshofs fehle.

Der Vater bekämpfte diese Entscheidung mit Revisionsrekurs. Er stützt seinen Rechtsmittelantrag auf Herabsetzung der Geldunterhaltspflicht auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) vom 27. 6. 2001 Zl B 1285/00.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

1. Der Oberste Gerichtshof beantragte mit Beschluss vom 20. Dezember 2001, 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) , § 12a FLAG 1967 idFd BGBl 1977/646 (seinem ganzen Inhalt nach) als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag folgten weitere Anträge, sodass derzeit zahlreiche Verfahren beim VfGH anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage nach der Verfassungsgemäßheit des § 12a FLAG noch in vielen Unterhaltsbemessungsverfahren stellen wird, in denen sich die vom Gesetz angeordnete Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei Bemessung des Geldunterhalts auswirkt.

Offenkundig deshalb sprach der VfGH mit Beschluss vom 8. März 2002, GZ G 7/02-6, aus, "in der Rechtssache G 7/02 - Anfechtung des § 12a FLAG durch den OGH - wird im Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG bei der Entscheidung über die Anlassfallwirkung in Aussicht genommen, die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren zu erstrecken".

Ist nunmehr davon auszugehen, dass der VfGH im Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten Fälle erstrecken wird, so sind die beim VfGH anhängigen Verfahren präjudiziell für dieses Verfahren, weil der Geldunterhalt nach einer Aufhebung des § 12a FLAG durch eine (teilweise) Anrechnung der Familienbeihilfe zu kürzen sein wird.

2. Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder das in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine solche Unterbrechung ist weder wegen eines vor dem VfGH anhängigen präjudiziellen Verfahrens noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist jedoch durch eine analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen iSd Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch für den Anlassfall maßgebend ist (1 Ob 72/02y; 3 Ob 64/02m; 4 Ob 52/02d ua).

Das Verfahren ist daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FLAG zu unterbrechen.

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