Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz H***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II 1), des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB (II 2) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB (VI 1) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (III 1), des versuchten Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 15, 212 Abs 1 StGB (III 2), der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (IV), der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 StGB (V) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (VI 2) schuldig erkannt.
Darnach hat er in Oberdürnbach
(I) in der Zeit zwischen ca Herbst 1994 und Ende 1995 zweimal mit seiner am 29. Jänner 1984 geborenen, sohin unmündigen Tochter Martina H***** den Beischlaf unternommen;
(II) im Laufe des Jahres 1995 außer dem Fall des § 206 StGB von der genannten unmündigen Martina H***** geschlechtliche Handlungen an sich vornehmen lassen, wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist, nämlich
(1) dadurch vornehmen lassen, dass er Martina H***** veranlasste, sein Glied bis zum Samenerguss zu massieren, und
(2) dadurch versucht vornehmen zu lassen, dass er sie aufforderte, ihm "einen herunterzuholen";
(III) sein genanntes minderjähriges Kind Martina H***** zur Unzucht missbraucht, wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist, und zwar
(1) durch die zu I und II 1 angeführten Taten missbraucht und
(2) durch die zu II 2 angeführte Tat zu missbrauchen versucht;
(IV) durch die zu I angeführten Taten versucht, mit seiner genannten Tochter Martina H***** den Beischlaf zu vollziehen;
(V) im Sommer 1995 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche oder seelische Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, durch Onanieren bis zum Samenerguss vor der Unmündigen und seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden Martina H***** vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu befriedigen, und
(VI) im Zeitraum von etwa 1995 bis etwa Sommer 2000 Helga H*****
(1) durch wiederholte sinngemäße Äußerungen "Trau dich nie die Scheidung einzureichen. Das überlebst du nicht. Unternimm nichts. Bis (sie) mich erwischen, habe ich schon viele umgebracht, weil ich gehe noch in die Geschichte ein" und die Ankündigung, er werde das Haus in die Luft sprengen und anzünden, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, einer Brandstiftung und einer Gefährdung durch Sprengmittel zu Unterlassungen genötigt, die besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzten, nämlich ihr Interesse an der Einleitung eines Ehescheidungsverfahrens, und
(2) durch wiederholte Drohungen mit dem Tod, in einem Fall durch die Äußerung: "Du brauchs' dich nicht so blöd stellen, weil sonst schneide ich dir den Schädel ab, dass das Blut so spritzt. Da wirst schauen wie dein Schädel rennt", gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Dem Vorbringen zur Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Antrages auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie (S 126, 129 f/II; 282 f, 389 f/I) angesichts des - unter Berücksichtigung des Alters der Martina H***** - erstatteten psychiatrischen Gutachtens Dris. Angelika G***** (ON 49/I iVm S 91 ff/II) nicht in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt, weil dem Beschwerdeführer ein durch Z 4 garantiertes Überprüfungsrecht hinsichtlich eines bereits durchgeführten Sachverständigenbeweises nur dann zusteht, wenn er in der Lage ist, einen in §§ 125 f StPO angeführten Mangel von Befund oder Gutachten aufzuzeigen und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist, wogegen die Überzeugungskraft eines im Sinne dieser Bestimmung mängelfreien Befundes oder Gutachtens der freien Beweiswürdigung des Gerichtshofes unterliegt (Ratz in WK StPO § 281 Abs 1 Z 4 Rz 351). Das vom Beschwerdeführer erwähnte Privatgutachten von DDr. Gabriele W***** (bei ON 39/II) wurde mangels Verlesung nicht Gegenstand des Verfahrens (S 130/II).
Die Abweisung des Antrages auf Beischaffung sämtlicher für den Beschwerdeführer zwischen August 1994 und Mai 1995 ausgestellter Originalrezepte (S 60, 131/II iVm S 388 f/I) kann seine Verteidigungsrechte schon deshalb nicht beeinträchtigen, weil - wie die Tatrichter im abweislichen Zwischenerkenntnis (S 131/II) und auch im Urteil (US 27) zutreffend ausführten - sich aus der Verschreibung der Medikamente keine verlässlichen Rückschlüsse auf die tatsächliche Einnahme ziehen lassen.
Diese fehlende Rekonstruierbarkeit der tatsächlichen Medikamenteneinnahme machte auch die vom Erstgericht abgelehnte Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Pharmakologie (S 60/II iVm S 129 ff/II, 388/I) zur Beweisführung in Richtung sexueller Appetenz und erektiler Dysfunktion beim Angeklagten im Tatzeitraum nicht erforderlich.
Bezüglich der gerügten Abweisung des Beweisantrages auf Einholung eines anästhesiologisch-medizinischen Gutachtens - Spezialbereich Schmerztherapie (S 129 ff/II iVm S 388/I, 60/II) fehlt es dem Beweisantrag an Hinweisen, inwiefern mangels Rekonstruierbarkeit eines bestimmten Schmerzausmaßes bzw eines Medikamenteneinflusses zum jeweiligen Tatzeitpunkt aus der Durchführung dieses Beweises für den Beschwerdeführer etwas zu gewinnen sein könnte. Dazu wird angemerkt, dass die Tatrichter ihre Feststellung bezüglich vorhandener sexueller Funktionstüchtigkeit beim Angeklagten insbesondere auf die Angaben seiner Gattin stützten (US 27 f), die bekundet hatte, dass der Angeklagte, obwohl er oftmals über Schmerzen geklagt hatte, lediglich in einer bestimmten Zeitspanne, nämlich ab ihrer Unterleibsoperation mit anschließenden Blutungen bis Jänner 1995, keinen Geschlechtsverkehr mit ihr hatte.
Soweit der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang einwendet, die Tatrichter hätten sich in der Begründung der Ablehnung des letzterwähnten Beweisantrages auf das Gutachten des beigezogenen orthopädischen Sachverständigen gestützt, dieser habe jedoch nicht die gesamte Krankengeschichte beigeschafft und daher die Ursache der Metallentfernung im Wirbelsäulenbereich im April 1995 nicht richtig wiedergegeben, so ist zu entgegnen, dass diesem - im Übrigen ohne erkennbare Sachrelevanz erstatteten - neuen Vorbringen der Verfahrensrüge im Lichte der Z 4 keine Bedeutung zukommen kann (vgl Ratz aaO Rz 325).
Soweit der Beschwerdeführer schließlich das Unterbleiben der Beischaffung sämtlicher Krankengeschichten betreffend den Angeklagten von der Universitätsklinik für Orthopädie in Innsbruck unter der Z 4 als eigenen Nichtigkeitsgrund geltend macht, verfehlt er die prozessordnungsgemäße Ausführung, weil er sich dabei weder auf die Nichtentscheidung des Gerichtes über einen Antrag noch auf ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis bezieht. Zu Unrecht macht der Beschwerdeführer in der Mängelrüge (Z 5) den formellen Begründungsmangel einer Unvollständigkeit der Urteilsgründe geltend. Denn der Beschwerde zuwider bedurfte es angesichts des gesetzlichen Auftrags zur gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keiner ausführlicheren Erörterung des unwesentlichen Umstandes, dass die Zeugin Martina H***** in ihrer kontradiktorischen Vernehmung vom 17. Oktober 2000 ihre früheren Angaben vor den Kriminalbeamten vom 5. September 2000 und in einem Brief an ihre Mutter (S 41/I), wonach der erste sexuelle Übergriff des Angeklagten ihr gegenüber in der Nacht gewesen sei, als ihre Mutter sich bei ihrem sterbenden Onkel aufgehalten habe, unter Hinweis auf ein ihr unterlaufenes Versehen dahin berichtigte, dass der erste Vorfall im September 1994 stattgefunden habe, als sich ihre Mutter drei Wochen im Krankenhaus aufgehalten habe (S 41, 87/I iVm US 19 f). Auf den Umstand, dass es bei den zeugenschaftlichen Angaben der Martina H***** die zeitliche Einordnung der Missbrauchshandlungen betreffend anfänglich zu divergierenden Angaben kam, gingen die Tatrichter in den Urteilsgründen ein (US 19), wobei sie in diesem Zusammenhang sogar darauf hinwiesen, dass es letztlich irrelevant sei, ob die Mutter der Martina H***** "zum Zeitpunkt der Missbrauchshandlungen durch den Angeklagten beim Onkel, im Spital oder sonst wo nächtigte" (US 20).
In seinen übrigen Ausführungen zur Mängelrüge versucht der Beschwerdeführer nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die auf logisch und empirisch einwandfreien Schlussfolgerungen beruhende Beweiswürdigung der Tatrichter und die darauf gestützten Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
In seiner Mängelrüge (Z 5a) versucht der Beschwerdeführer erneut die Glaubwürdigkeit der Zeugin Martina H*****, und zwar zunächst insbesondere durch die genannten Divergenzen in einzelnen Aussagen bezüglich des Zeitpunktes des ersten Sexualkontaktes mit dem Angeklagten in Zweifel zu setzen. Er vermag dabei jedoch keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die erstgerichtliche Beweiswürdigung zu erzeugen.
Dies trifft auch zu, soweit der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge schließlich die Feststellungen bezüglich der Nötigung des Angeklagten gegenüber seiner Gattin Helga H***** (VI) und die von den Tatrichtern trotz des Alkoholmissbrauchs durch den Angeklagten angenommene Zurechnungsfähigkeit in Bezug auf die Delikte der gefährlichen Drohung und der Nötigung (VI 1 und 2) bekämpft, indem er durch spekulative Überlegungen die Angaben der Zeugin H***** in Frage stellt.
Die Ausführungen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientieren sich nicht am maßgeblichen Urteilssachverhalt und erweisen sich daher als nicht prozessordnungsgemäß. Der Angeklagte versucht unter Rückgriff auf einzelne Beweisdetails erneut seine Beischlafsfähigkeit in Zweifel zu ziehen. Er weicht damit von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 26 ff) ab und bekämpft nur die tatrichterliche Beweiswürdigung. Dabei orientiert er sich insbesondere nicht an den erstgerichtlichen Feststellungen, wonach der Angeklagte mehrmals versuchte, seinen Penis in die Scheide des Mädchens einzuführen, dabei jedoch mit seinem Glied vom Geschlechtsteil des Mädchens abrutschte. Seine Behauptung, dass nur bei der Möglichkeit einer Erektion "§ 206 StGB und die anderen Strafsachen verwirklicht sein" könnten, lässt der Beschwerdeführer ohne nähere rechtliche Konkretisierung und versäumt solcherart erneut eine prozessordnungsgemäße, weil notwendigerweise deutlich und bestimmte (§ 285a Z 2 StPO) Ausführung der Rechtsrüge.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht ist in § 390a StPO begründet.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)