OGH 12Os18/02

OGH12Os18/0220.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Schmucker und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lazarus als Schriftführerin, in der Privatanklagesache gegen Ursula U***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17. November 2000, GZ 16 U 419/00z-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tiegs, des Privatanklägers Wolfgang H*****, hingegen in Abwesenheit der Beschuldigten Ursula U***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Unzuständigkeitsurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17. November 2000, GZ 16 U 419/00z-10, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 9 Z 1, 447, 261 Abs 1 StPO iVm §§ 1 Abs 1 Z 12, 41 Abs 2 MedienG.

Dieses Urteil wird gemäß § 292 letzter Satz StPO aufgehoben und dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien aufgetragen, sich dem Verfahren zu unterziehen.

Text

Gründe:

In dem zur AZ 17 C 838/00z beim Bezirksgericht Meidling anhängigen Verfahren der klagenden Partei Alfred P***** gegen die beklagte Partei Ursula U***** wegen Unterlassung brachte die Beklagte am 29. Juni 2000 einen Schriftsatz ein, in dem sie Wolfgang H***** unter anderem als "Initiator von Zeitungsartikeln (Krone-Zeitungsartikeln), worin die Beklagte des sexuellen Missbrauchs von Schülern beschuldigt wird", bezeichnete.

Diese Passage des Schriftsatzes bildet die Grundlage für die von Wolfgang H***** am 1. August 2000 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zur AZ 16 U 419/00z erhobene Privatanklage gegen Ursula U***** wegen übler Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB (ON 2).

In der Hauptverhandlung am 17. November 2000 sprach dieses Gericht mit - in Rechtskraft erwachsenem - Urteil (gemäß §§ 447, 261 Abs 1 StPO) seine sachliche Unzuständigkeit mit der Begründung aus, dass die in Rede stehende Privatanklage unter anderem "die Verbreitung von Behauptungen, die den Tatbestand der üblen Nachrede herstellen könnten, in Zeitungsartikeln zum Gegenstand habe und derartige, allenfalls dem Mediengesetz unterliegende Sachverhalte aber nicht in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallen" (ON 10). Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. November 2001 (ON 11) wurde der Akt dem Landesgericht für Strafsachen Wien abgetreten.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Unzuständigkeitsurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die Durchführung eines Strafverfahrens wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB obliegt gemäß § 9 Z 1 StPO grundsätzlich dem Bezirksgericht. Besteht die strafbare Handlung jedoch in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung und wird sie durch den Inhalt eines "Mediums" (worunter gemäß § 1 Abs 1 Z 1 MedienG jedes Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild an einen größeren Personenkreis im Wege der Massenherstellung oder der Massenverbreitung zu verstehen ist) begangen ("Medieninhaltsdelikt" § 1 Abs 1 Z 12 MedienG), so ist für das Strafverfahren (und das selbständige Verfahren) das mit der Gerichtsbarkeit in Strafsachen betraute Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel die Tat begangen wurde (§ 41 Abs 2 MedienG). Ob diese Zuständigkeitsvoraussetzungen vorliegen, ist anhand des Anklagevorbringens zu prüfen (11 Os 53/01).

Entgegen der Ansicht des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien erfüllen allenfalls beleidigende Behauptungen, die - wie hier - in einem im Zuge eines zivilgerichtlichen Verfahrens eingebrachten Schriftsatz aufgestellt werden - von fallbezogen nicht aktuellen Ausnahmefällen abgesehen und ungeachtet ihrer Bezugnahme auf Presseveröffentlichungen - im Hinblick auf ihre verfahrensbedingte eingeschränkte Zugänglichkeit sinnfällig nicht die für die Annahme eines Medieninhaltsdeliktes unabdingbaren Kriterien. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat daher im vorliegenden Fall seine durch § 9 Z 1 StPO determinierte Zuständigkeit zu Unrecht verneint, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

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