OGH 15Os162/01

OGH15Os162/016.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Maximilian P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der versuchten betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Maximilian P*****, Johanna P***** und Josef W***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 1. Februar 2001, GZ 14 Vr 406/98-69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, des Angeklagten Maximilian P***** sowie der Verteidiger Dr. Reif-Breitwieser, Mag. Hoffmann und Dr. Autherith, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Johanna P***** und Josef W*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten werden verworfen. Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben, es werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme der Qualifikation des § 156 Abs 2 StGB sowie demgemäß der Strafausspruch und der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Maximilian P***** und Johanna P***** des Verbrechens der versuchten betrügerischen Krida nach §§ 15, 156 Abs 1 StGB sowie Josef W***** des Verbrechens der versuchten betrügerischen Krida als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 15, 156 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie vom 21. Oktober 1996 bis 17. Juni 1999 in Langenlois das Vermögen des Maximilian und der Johanna P***** dadurch zum Schein verringert, dass sie in dem anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren E 638/96f des Bezirksgerichtes Langenlois behaupteten, die Liegenschaft EZ ***** mit dem darauf befindlichen Haus sei an die P.***** vermietet, und dadurch versucht, die Befriedigung zumindestens eines Gläubigers des Maximilian und der Johanna P*****, nämlich der Bank***** AG, zu schmälern, wobei durch die Tat ein Schaden von mindestens 322.500 S herbeigeführt werden sollte. Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerden gemäß § 281 Abs 1 StPO, Maximilian P***** gestützt auf die Z 4, 5, 5a und 9 lit a, Johanna P***** und Josef W***** aus der Z 9 lit a sowie die Anklagebehörde mit Z 5 und 10 leg. cit. Nur letzterer kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Geltendmachung der Verfahrensrüge (Z 4) zum Antrag vom 16. Mai 2000 auf Beischaffung des Originalbeleges über die Zahlung von 250.000 S ist der Erstangeklagte nicht legitimiert, weil er diesen in der am 1. Februar 2001 neu durchgeführten Hauptverhandlung nicht wiederholt hat (Mayerhofer StPO4 § 276a E 5, 6; § 281 Z 4 E 30 und 31).

Durch die Ablehnung des Antrages auf Vernehmung des Zeugen Bernd Josef K***** wurden Verteidigungsrechte nicht verkürzt. Versagt nämlich das Gericht mit unbedenklicher Begründung einem Angeklagten den Glauben an die Richtigkeit einer bestimmten von ihm aufgestellten Behauptung, so ist es nicht gehalten, Beweise aufzunehmen, für deren Erheblichkeit die Richtigkeit dieser als unglaubwürdig abgelehnten Behauptung Voraussetzung wäre und die nur unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieser Behauptung Sinn und Zweck haben könnte (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 67). Das Schöffengericht hat mit ausführlicher, den Gesetzen logischen Denkens nicht widersprechend und mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Einklang stehender Begründung festgestellt, der von den Angeklagten präsentierte Mietvertrag sei ein Scheinmietvertrag gewesen (US 10/11 iVm US 14 ff). Es war daher nicht verpflichtet, einen Beweis aufzunehmen, der als Grundlage das tatsächliche Bestehen eines rechtswirksamen Mietvertrages hatte. Der Zeuge K***** wurde aber zum Beweis dafür geführt, dass Mietzinszahlungen an den Vermieter "im Rahmen des gegenständlichen Mietvertrages tatsächlich geleistet wurden" (S 135/III). Da das Erstgericht einen Scheinmietvertrag festgestellt hat, musste es den von einer gegenteiligen Prämisse ausgehenden Beweisantrag nicht durchführen.

Die Mängelrüge (Z 5) greift lediglich einzelne Teilsätze der Urteilsbegründung heraus und trachtet daraus abzuleiten, dass der Schöffensenat nur Vermutungen über das Tatmotiv angestellt hätte. Abgesehen davon, dass einem Motiv der Straftat grundsätzlich keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt, missachtet der Beschwerdeführer die ausführliche Beweiswürdigung (US 12 bis 32), welche in einer gesetzlich gebotenen Gesamtschau aller relevanten Beweisergebnisse den Grundsätzen logischen Denkens entsprechend darstellt, weshalb die Tatrichter zu ihren Feststellungen gelangten. Die Annahme, der Nichtigkeitswerber habe beabsichtigt, die Liegenschaft neuerlich durch einen Strohmann zu ersteigern, konnte formal mängelfrei insbesondere auf den Umstand gestützt werden, dass er dies bereits im Jahr 1990 gemeinsam mit seiner Gattin (der Zweitangeklagten) getan hatte und sein Verhalten insgesamt auf Verzögerung des Exekutionsverfahrens abzielte.

Dass aus den Beweisergebnissen auch andere, für den Angeklagten allenfalls günstigere Schlüsse möglich gewesen wären, vermag den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu begründen, weil dies dann, wenn die Schlüsse den Denkgesetzen nicht widerstreiten, einen Akt der freien Beweiwürdigung darstellt, deren Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren unzulässig ist (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 145 und 147).

Die Frage, ob Mietzinsvorauszahlungen geleistet wurden, betrifft schon deswegen keinen für die Schuldfrage entscheidenden Umstand, weil niemals behauptet wurde, der gesamte Betrag sei den Gläubigern zugute gekommen, der Schuldenstand hätte sich daher in diesem Ausmaß entsprechend vermindert.

Entgegen der neuerlichen Behauptung in der Tatsachenrüge (Z 5a) hat das Erstgericht seine Feststellungen nicht auf Vemutungen gegründet, sondern (wie bereits zur Mängelrüge dargestellt) schlüssig begründet. Dass es dabei einmal auch das Wort "Vermutung" gebraucht hat, vermag dem bei Gesamtbetrachtung der Ausführungen keinen Abbruch zu tun. Der Beschwerdeführer versucht damit nur neuerlich die Beweiswürdigung des Schöffensenates unzulässig nach Art einer Schuldberufung in Frage zu stellen.

Das Vorbringen zur Schadenshöhe geht wieder von der von den Tatrichtern abgelehnten Tatsache aus, es sei tatsächlich ein Mietvertrag und nicht nur ein Scheinmietvertrag vorgelegen. Es vermag jedoch keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die diesbezügliche Feststellung aufzuzeigen.

In ihren Rechtsrügen (Z 9 lit a) machen die Angeklagten im Wesentlichen übereinstimmend geltend, das Erstgericht habe keine Konstatierungen zur Angemessenheit des Mietzinses getroffen, der Wert der Liegenschaft sei durch den Mietvertrag nicht beeinträchtigt worden und auch ein Scheinmietvertrag könne eine scheinbare Verminderung des Wertes nicht bewirken.

Soweit die Rechtsmittel davon ausgehen, es sei tatsächlich ein Mietvertrag vorgelegen, sind sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie die Feststellungen zum Scheinmietvertrag übergehen. Auch die Stellungnahme gemäß § 35 Abs 2 StPO des Drittangeklagten W***** missachtet diese. Es bedurfte daher auch keiner weiteren Konstatierungen über die Angemessenheit des "vereinbarten" Mietzinses.

Ausgehend vom Vorliegen eines Scheinmietvertrages hat das Schöffengericht eine (bloß) scheinbare Vermögensverminderung angenommen, welche zumindest einen Gläubiger, nämlich die im ersten Rang hypothekarisch besicherte Bank***** AG schädigen sollte. Bei der scheinbaren Vermögensverringerung wird der Befriedigungsfonds der Gläubiger nicht schon zwangsläufig durch die Tathandlung selbst reduziert; die Deliktsvollendung tritt erst dann ein, sobald der durch die inkriminierte Manipulation scheinbar verringerte Befriedigungsfonds Gegenstand einer seine Verwertung betreffenden (positiven oder - eben deswegen - negativen) konkreten Disposition der Gläubiger oder eines gerichtlichen Organes geworden ist (SSt 55/44).

Vorliegend haben die Angeklagten den von ihnen zum Schein abgeschlossenen Mietvertrag im Rahmen des Realexekutionsverfahrens beim Bezirksgericht Langenlois zunächst am 21. Oktober 1996 dem Sachverständigen, der die Schätzung der Liegenschaft vornehmen sollte, präsentiert und am 5. November 1997 dem Gericht selbst vorgelegt. Auf Grund dieses vorgetäuschten Mietvertrages wurde der Schätzwert der Liegenschaft vom Gericht nicht mit 4,300.000 S sondern lediglich mit 3,870.000 S festgestellt (US 8). Durch die Tathandlung und die daraus resultierende gerichtliche Feststellung eines geringeren Wertes (und nicht nur - wie der Drittangeklagte in seiner Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO behauptet - die schlechtere Verwertbarkeit) der Liegenschaft wurde der Befriedigungsfonds der Gläubiger vermindert und die erstrangig gesicherte Bank*****AG zumindest vorübergehend in der Befriedigung ihrer Forderung geschmälert. Dass später eine Versteigerung der Liegenschaft unterblieb, vermag an dieser Vollendung der Tat nichts zu ändern, weil die Gläubigerbenachteiligung nicht endgültig zu sein braucht (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 20).

Das Erstgericht hat zwar nur Versuch angenommen, dies gereicht aber mangels ausdrücklicher Bekämpfung durch die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zum Vorteil und hat daher auf sich zu beruhen. Insgesamt erfolgte der Schuldspruch damit zu Recht. Entgegen der Beschwerde des Drittangeklagten Josef W***** liegen bei ihm auch nicht die Voraussetzungen für eine Diversion im Sinne des Hauptstückes IXa der Strafprozessordnung vor. Seine nicht unbeträchtliche Mitwirkung an der Tat, obwohl er selbst in das Exekutionsverfahren nicht involviert war, zeigt einen intensiven Täterwillen, welcher eine schwere Schuld konstituiert. Schon aus diesem Grund sind daher diversionelle Maßnahmen ausgeschlossen (§ 90a Abs 2 Z 2 StPO). Darüber hinaus sprechen aber auch generalpräventive Umstände gegen ein derartiges Vorgehen; wurde doch durch die unter seiner Mitwirkung begangenen Tat ein gerichtliches Exekutionsverfahren und damit die Gläubigerbefriedigung erheblich beeinträchtigt, weswegen es seiner Bestrafung bedarf, um andere potentielle Täter insbesondere von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten (§ 90a Abs 1 Z 4 StPO). Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher zu verwerfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, welche sich - trotz des Antrages auf (gänzliche) Aufhebung des Urteiles - inhaltlich nur gegen die Nichtannahme der Qualifikation des § 156 Abs 2 StGB richtet, kommt hingegen Berechtigung zu.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) macht die Beschwerdeführerin geltend, das Erstgericht habe für die Annahme eines Schadens von unter 500.000 S eine teils widersprüchliche, teils unzureichende Begründung gegeben.

Tatsächlich hat das erkennende Gericht zunächst damit argumentiert, aus dem Beweisverfahren sei der Schluss zu ziehen, der Scheinmietvertrag sei von den Angeklagten bereits im Bewusstsein errichtet worden, dass eine derartige Belastung der Liegenschaft deren Verkehrs- bzw Schätzwert zumindest stark drücken werde oder allenfalls eine Versteigerung überhaupt vereiteln oder zumindest verzögern würde (US 24). Im Anschluss daran wird ausgeführt, es sei nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass die Angeklagten vor hatten, die Versteigerung der Liegenschaft gänzlich zu verhindern, vielmehr sei davon auszugehen, dass sie lediglich den Schätzwert möglichst drücken wollten, um Maximilian und Johanna P***** eine neuerliche Ersteigerung der Liegenschaft zu ermöglichen (S 24 unten, 25). Auch bei der weiteren Begründung ging es davon aus, alle Angeklagten hätten gewusst, dass letztlich eine Versteigerung der Liegenschaft nicht mehr zu verhindern war, und lediglich danach getrachtet, den Schätzwert zwecks Wiederersteigerung möglichst zu drücken (US 29). Schließlich gelangte es jedoch zum Ergebnis, es könne mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht festgestellt werden, dass die Angeklagten letztlich einen über die Verringerung des geringsten Gebotes von mehr als den im günstigsten Fall anzunehmenden 10 %igen Abschlag hinausgehenden Schaden beabsichtigten. Ausgehend von der Differenz des geringsten Gebotes mit und ohne Annahme eines Mietvertrages wurde daher der von den Vorstellungen der Angeklagten umfasste Schaden mit 322.500 S festgestellt (US 31). Diese Begründung ist in sich widersprüchlich. Für die zuletzt angeführte Konstatierung der Tatrichter finden sich keine nachvollziehbaren Argumente, zumal - wie die Staatsanwaltschaft zutreffend aufzeigt - die Schadensberechnung auf Grund des geringsten Gebotes nicht logischen Grundsätzen folgt, weil es vom Willen des betreibenden Gläubigers (in den vorzulegenden Versteigerungsbedingungen) abhängt und daher den Angeklagten zum Zeitpunkt ihres Handelns überhaupt noch nicht bekannt sein konnte. Der Vorsatz zur Schadenshöhe im Tatzeitpunkt konnte daher von einem erst später festzustellenden geringsten Gebot nicht beeinflusst gewesen sein.

Darüber hinaus hat sich das Schöffengericht, wie das Rechtsmittel ebenfalls zutreffend geltend macht, nicht mit dem Verhalten der Angeklagten im Exekutionsverfahren, ihrem dortigen Vorbringen und dem dabei vom Vorsatz umfassten Ziel ihres Handelns auseinandergesetzt. Das Urteil ist daher tatsächlich mit dem aufgezeigten Nichtigkeitsgrund behaftet, weil nicht auszuschließen ist, dass die Tatrichter bei Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Beweisverfahrens hinsichtlich der Schadenshöhe zu einem anderen auch die Wertgrenze des § 156 Abs 2 StGB betreffenden Ergebnis gelangt wären. Da sich hiezu eine neue Hauptverhandlung nicht vermeiden lässt, war das Urteil im angefochtenen Umfang und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der darauf fußenden Beschlussfassung gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO) aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht allenfalls nach Ergänzung des Beweisverfahrens ausgehend von den eingeholten Sachverständigengutachten die Wertminderung der Liegenschaft durch Vortäuschung eines Mietvertrages festzustellen und sodann in subjektiver Richtung zu klären (und denkrichtig zu begründen) haben, ob dieser oder ein anderer Betrag vom Vorsatz der Angeklagten umfasst war. Dabei ist das Gericht weder in rechtlicher Hinsicht noch - infolge Berufung der Staatsanwaltschaft - in der Frage der Sanktionen an das Verbot der reformatio in peius gebunden (Mayerhofer StPO4 § 293 E 33).

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