OGH 12Os40/02

OGH12Os40/024.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juni 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen (ua) Marina K***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten Marina K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 25. September 2001, GZ 12 Vr 190/00-2410, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird zurückgewiesen.

Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Marina K***** Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch dieser Angeklagten aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte auf den kassatorischen Teil dieser Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Marina K***** wurde des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB als Beteiligte gemäß § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie "dadurch zur Ausführung der Tat ihres damaligen Lebensgefährten Robert K*****, nämlich der Aus- und Einfuhr einer von Robert K***** bestellten Suchtgiftmenge von ca 22,5 kg Cannabisharz aus Holland über Deutschland nach Österreich durch einen unbekannten Suchtgiftkurier, Übernahme dieses Suchtgiftes in Salzburg durch Robert K***** und Transport dieses Suchtgiftes zum Abnehmer Farnosh S***** nach Wien nach kurzer Zwischenlagerung, wobei die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen wurde, dessen Menge mehr als das 25-fache der Grenzmenge ausmachte, und die Inverkehrsetzung dieses Suchtgiftes infolge Anhaltung des Robert K***** durch Gendarmeriebeamte und Sicherstellung des Suchtgiftes beim Versuch geblieben ist, beitrug, dass sie am 5. April 2000 in Salzburg an der Besprechung über zukünftige Suchtgiftgeschäfte zwischen Robert K***** und den holländischen Staatsangehörigen Max S***** und Donald van der M***** teilnahm, am 13. April 2000 gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten zur genauen Festlegung (zumindest) dieses geplanten Suchtgiftgeschäftes reiste, am 17. April 2000 den Abnehmer Farnosh S***** telefonisch von der Festnahme des Robert K***** zu verständigen versuchte sowie sonst Telefonate mit verschiedenen abgesondert verfolgten Mittätern führte" (II/5).

Hingegen wurde sie von der darüber hinaus wider sie erhobenen Anklage, sie habe sich "an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen als Mitglied beteiligt, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich des unerlaubten Verkehrs mit Suchtmitteln ausgerichtet war und die dadurch eine Bereicherung in großem Umfange angestrebt habe sowie andere einzuschüchtern und sich auf besondere Weise gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen versuchte, weiters wissentlich Bestandteile des Vermögens dieser kriminellen Organisation in deren Auftrag oder Interesse an sich gebracht, verwahrt, verwaltet, verwertet oder einem Dritten übertragen, wobei die Taten in Bezug auf einen S 500.000,-- übersteigenden Wert begangen worden seien" und hiedurch das Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigsprochen (B/I).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Freispruch aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.

An einer kriminellen Organisation beteiligt sich als Mitglied, wer entsprechend seinem ausdrücklich erklärten oder konkludent zum Ausdruck gebrachten Willen sich in eine bestehende Organisation (gekennzeichnet durch unternehmensähnlichen, arbeitsteilig strukturierten Zusammenschluss einer größeren Zahl von Personen für längere Zeit) mit kriminellen Zielsetzungen auf längere Zeit oder überhaupt auf Dauer eingliedert und in dieser organisations- oder deliktsbezogen tätig wird, wobei eine bloß fallweise Beteiligung an einzelnen Straftaten oder Handlungsweisen, denen das mit dem Begriff der "Mitgliedschaft" verbundene Moment einer gewissen Dauer fehlt, nicht ausreicht (Steininger in WK2 § 278a Rz 3 ff, 18). Die von der Staatsanwaltschaft reklamierte Unvollständigkeit des Ausspruchs über die von den Tatrichtern im Falle der Angeklagten nicht als erweislich erachteten angeführten subjektiven Tatbestandskomponenten des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB durch Vernachlässigung in der Hauptverhandlung erörterter (433/VI) entscheidender Tatsachen (Z 5) liegt nicht vor. Denn weder der Umstand, dass die Angeklagte am 25. März 2000 einem Boten des Komplizen des ehemaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemannes Robert K***** Geld übergab und diesem das Ersuchen Robert K*****s, "ihm etwas mitzunehmen" weiterleitete, noch der Anruf Robert K*****s bei der Angeklagten am 17. April 2000, wonach er "einen Fisch im Schlepptau habe", womit er zum Ausdruck bringen wollte, dass ein Kurier mit Suchtgift hinter ihm herfahre, oder die von Robert K***** der Angeklagten aufgetragene (und von dieser versuchte) Verständigung eines Komplizen über seine Festnahme lassen - wie hier für sich allein - eine Lösung der (bereits in der Anklageschrift gleichlautend unzulänglich aufbereiteten - ON 2166/93 ff) Beweisfrage in Richtung Annahme der angestrebten spezifischen subjektiven Tatbestandserfordernisse als möglich erscheinen.

Sinngemäßes gilt für das "Wissen" der Angeklagten über Aktivitäten abgesondert verfolgter Komplizen ihres damaligen Lebensgefährten und ihre "teilweise Anwesenheit", wenn "Abnehmer das Cannabisharz bei K***** in der Wohnung abholten bzw dort konsumierten", woraus die Anklagebehörde (bloß) ableitet, dass die Angeklagte "wissen musste, dass ihr damaliger Lebensgefährte gewerbsmäßig mit Suchtgift handelt".

Schließlich versagt auch der Hinweis auf das Telefonat der Angeklagten mit Robert K***** am 4. April 2000 (251/II) aus dem - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - nicht einmal annähernd ableitbar ist, dass sie über "Aktivitäten des" (abgesondert verfolgten) "Max" (S*****) "Bescheid wusste".

Die die Argumentation der Mängelrüge partiell wiederholende Rechtsrüge der Staatsanwaltschaft (nominell Z 9 lit a) bekämpft mit dem Einwand, wonach "von einer nur punktuellen Beteiligung der Marina K***** an der kriminellen Organisation bei richtiger Beweiswürdigung nicht ausgegangen werden kann", in Wahrheit die erstgerichtliche Lösung der Beweisfrage nach Art einer Schuldberufung und verfehlt solcherart mangels gebotener Orientierung am festgestellten Urteilssachverhalt eine prozessordnungsgemäße Darstellung. Die Nichtigkeitsbeschwerde des öffentlichen Anklägers war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).

Hingegen ist die gegen den Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten schon aus dem zuletzt genannten Nichtigkeitsgrund berechtigt:

Als Beitragshandlung nach § 12 dritter Fall StGB kommt jede Verhaltensweise in Betracht, welche die Ausführung der Tat durch einen anderen ermöglicht, erleichtert, absichert oder in anderer Weise fördert, wobei der Beitrag zur Tatausführung durch physische oder psychische Beitragstäterschaft verwirklicht werden kann. Letztere beschränkt sich auf die Einflussnahme auf die Psyche eines anderen Tatbeteiligten, die eine strenge Prüfung der Kausalität erforderlich macht. Mangels Ursächlichkeit reicht die bloße Anwesenheit am Tatort, das bloße Wissen um ein bestimmtes, von einem anderen in Aussicht genommenes deliktisches Verhalten, das bloße Begleiten eines Täters oder die stillschweigende Duldung der Tatausführung für keine der im § 12 StGB angeführten Beteiligungsformen aus. Intellektuelle Beitragstäterschaft kommt auch dann begrifflich nicht mehr in Betracht, wenn der unmittelbare Täter den Entschluss zu der in seiner Vorstellung bereits individualisierten Tat bereits gefasst hat und aus diesem Grunde einer Belehrung, Beratung oder Bestärkung nicht mehr bedarf (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 87 ff).

Da die erstgerichtliche Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten als Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB zum teilweise vollendeten, teilweise versuchten Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und § 15 StGB (anklagekonform) - ohne dieses zu den angeführten Beitragskriterien in Beziehung zu setzen - auf deren "Kenntnis ... von Art und Weise sowie Ablauf des gegenständlichen Suchtgiftgeschäftes und dessen Dimensionen" abstellte, ferner auf ihre "Vorstellung von den Grundzügen des gegenständlichen Suchtgiftgeschäftes", ihr "Wissen" über Treffen des Robert K***** mit Komplizen sowie über dessen Suchtgifttransport nach Wien, auf ihre "Einbindung" in das in Rede stehende Suchtgiftgeschäft sowie die (versuchte) Verständigung eines Komplizen des Robert K***** nach dessen Festnahme, die telefonische - als Tatanbahnung nicht fassbare (251/II) - Vermittlung eines Treffens von Robert K***** mit einem Komplizen sowie die Teilnahme daran und auf die Begleitung des Robert K***** nach Holland, wo es zum endgültigen Geschäftsabschluss kam - "auch wenn sie dabei allenfalls nicht immer anwesend war" fehlt es dem angefochtenen Urteil im Sinn der Beschwerdeargumentation an den gebotenen Feststellungen insbesondere zur objektiven Tatbestandsverwirklichung. Damit zeigt sich aber - ohne dass auf die darüber hinausgehende Beschwerdeargumentation einzugehen wäre - dass mangels für eine abschließende Tatbeurteilung ausreichender Tatsachenfeststellungen eine Aufhebung des Schuldspruches der Angeklagten zur entsprechenden Verfahrenserneuerung unabwendbar ist (§ 285e StPO). Auf die Teilkassation waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte mit ihren Berufungen zu verweisen.

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